wir ländern uns fort
Jayne-Ann Igel
»Sprechen übertage // ich wollt dich nicht zeihen / wo die sprache herkommt, aus gründen, bleibts still / ich mag die gespenster nicht, der schnee hat arabesken gebildet, auf unbefestigten wegen, gleich orakeln, die wir kaum zu entschlüsseln vermögen / lass uns gehen, über den frisch aufgetragenen teer, und was zu sagen wäre, durch die kehle rinnen –«
Nach umtriebe (2013), vor dem licht/umtriebe (2014), die stadt hielt ihre flüsse im verborgenen (2018) und alles lichter winter (2019/2020)
erscheint nun mit wir ländern uns fort bereits der fünfte Band von Jayne-Ann Igel im gutleut verlag.
Oft ist im Band von etwas die Rede, das wir Landschaft nennen und das uns doch immer fremder wird, und sich selbst enteignet. In der Gegenwart, aber auch zu früheren Zeiten beobachtbar schon derselbe Prozess. Landschaften, die eher Behauptung von etwas sind. Was haben beispielsweise Bergbaufolgelandschaften noch mit dem Begriff von Landschaft gemein, wo Restlöcher mit Wasser oder Schutt verfüllt werden, die Straßen baumlose Alleen vorstellen. Wo Natur nur mehr in ihrer Verletzlichkeit wahrgenommen werden kann und das Festland nicht mehr den Halt zu bieten vermag, den das Wort suggeriert. Auf dem ersten Blick mögen solche Szenerien dystopisch wirken, das Schreiben darüber gar resigniert, doch der Konfrontation mit diesen Realitäten, der dichterischen ›Übersetzungsarbeit‹ eignet die Möglichkeit, anders damit umzugehen.
Was sich schreibt // »vorherrschend die simplizität von ereignissen« sagte sie, »du kommst aus der unübersichtlichkeit, und ich stehe einfach hier an der straße und erwarte dich« –
Dass Jayne-Ann Igel sich mit solchen Fragen beschäftigt, ist nicht neu, doch aus einer größeren räumlichen und zeitlichen Distanz heraus eröffnen sich ungewohnte Perspektiven auf eine Region, die sie bis in die späten achtziger Jahre oft durchstreift hat, zu Fuß, in Bahn oder Bus, per Rad. Dieses sich erneute Annähern an Themen spielt auch in anderen Textgruppen im vorliegenden Band eine Rolle, in Zyklen wie Langes Gedicht, Spot und Fallen. Zyklen, in denen die Autorin Zivilisationsverlusten nachspürt, Fixpunkten der eigenen Biografie, oder Straßenszenerien aufscheinen lässt, Beziehungsmuster, alternierenden ›Ichs‹ Sprache verleiht. Tagesaktuelle Wahrnehmungen werden von Schichten an Erinnerung bereichert, Schichten, die sich übereinander legen, durchdringen.
»Eingeloggt // schreib ich weiter oder lass ich es bleiben, diese überbordenden sendungen, die einen besinnungslos
zurücklassen, schiffsmeldungen, wasserstandsmeldungen, pegelstände, die besagen, ob wir noch über wasser mit dem kragen, und was zu tun ist, damit … – dynamit in unseren worten, auf den zungen, jedes licht bedenkt ein anderes, spricht, täglich in diesem fixraum von bekundungen und pamphleten, schon fragen sich die digitalen sachwalter, wo und wie das alles zu verwahren, wo der stillraum für abgelassene daten, abgeschworene worte und geschwüre, die infektiös –«