Zwischen Kunst, Handwerk und Industrie
Carl Alexander und die Vision von der Schönheit der Dinge
Grit Jacobs, Günter Schuchardt
Neben „großer“ Kunst enthält die Wartburgsammlung, die, wie die gesamte Burgerneuerung namentlich auf Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach zurückgeht, auffallend viele kunsthandwerkliche Stücke. Der Großherzog liebte es, sich in seinen Refugien mit schönen Dingen zu umgeben, seine Gäste schwärmten von reich ausgestatteten, behaglichen Räumen wie etwa dem privat genutzten Speisesaal im Palas. Dass dort auch dekorative Humpen und Willkomm-Gefäße verschiedenster Zünfte aufgestellt waren, erweist sich beim zweiten Blick als Fingerzeig auf den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel, der sich zu Carl Alexanders Zeit auch in Thüringen vollzog. Mit der Gewerbefreiheit vielen die letzten Schranken für die Industrialisierung, wurden die alten Handwerkerzünfte endgültig aufgelöst. Deren Wertbesitz – Pokale, Schenkkannen oder Laden – gelangte danach oft in Museen oder wie um vorliegenden Fall in eine großherzogliche Sammlung. Mochte ihr Erwerb auch mehr auf ästhetischem Gefallen beruht haben, dürfte der Sammler doch ebenso seinem Traditions- und Geschichtsbewusstsein gefolgt sein. Anders als vielfach angenommen, nahm Carl Alexander die produktionstechnische Entwicklung durchaus interessiert zur Kenntnis, bemühte sich innerhalb seiner Denkmuster um positive Einflussnahme, besuchte gegen Ende des Jahrhunderts vermehrt Fabriken und soziale Einrichtungen. Bei der Suche nach glücklicher Versöhnung von Kunst und Industrie erkannte der von Goethe’schen Klassik durchdrungene Weimarer Schöngeist jedoch, dass seine Ideale mit der Realität nur selten in Einklang zu bringen waren. Indem die Sonderausstellung der Wartburg Carl Alexanders Verhältnis zu Kunst, Handwerk und Industrie nachspürt, verbindet sie das Themenjahr „Industrialisierung, Industriekultur und soziale Bewegungen“ mit der Würdigung des 200. Geburtstages des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach.