Okkultsymbolik und Machtpolitik

Okkultsymbolik und Machtpolitik von Hermsdorf,  Daniel
Macht verleiht sich Symbole, Symbole verleihen Macht – soweit, so geläufig. Symbole sind Gegenstand von Interpretation mit individueller Note – auch dies ist unstrittig. Okkultsymbolik betrifft all dies, aber auch noch mehr. Als Symbolik von Macht ist sie seit jeher damit verbunden, dass sie öffentlich präsent, aber auch elitär codiert und den Mächtigen vorbehalten ist. Als Geheimlehre wird bezeichnet, was solchen Zeichen Bedeutungen verleiht, die nicht oder nur teilweise allgemein bekannt sind. In modernen Massenmedien haben sie eine bislang kaum besprochene Vielfalt und Wirksamkeit entfaltet. Nicht zuletzt der Begriff „Verschwörungstheorie“ ist es, der die Deutungskämpfe auf diesem Schauplatz definiert. In der Gegenwart drängen Okkultismus und Esoterik, affirmativ oder kritisch betrachtet, neben gedruckten Publikationen und öffentlichen Vorträgen über zahlreiche Websites und Internet-Videos stärker als je zuvor in die sich verändernde Medienöffentlichkeit. Der Begriff Verschwörungstheorie hat nicht zuletzt im Kontext von terroristischen Akten seit dem 11. September 2001 an Gewicht gewonnen – und wurde in einer Reihe von Fällen mittlerweile rehabiliert, alldieweil Geheimdienst- und Polit-Skandale verstärkt das verschwörerische Potenzial von Eliten offenbaren. Dabei ergeben sich immer wieder erschreckende Einsichten in die Irrationalität bedeutender Personen und Gruppierungen, ihre Neigung zu Okkultismus und zur Verwendung okkulter Codes. Solche Einsichten und ihre öffentliche Reflexion sind unbedingte Voraussetzung für die Aufrechterhaltung jener freiheitlichen und demokratischen Standards, die unsere Gesellschaft für sich in Anspruch nimmt. „Verschwörungstheorie“ gilt bisher im deutschsprachigen Bereich eher als eine abwertende Kategorie – als etwas, was schwer oder möglicherweise unbeweisbar ist, aber dennoch behauptet wird, teilweise ohne gesicherte Anhaltspunkte, als paranoider Diskurs. – Erschwerend kommt hinzu, dass dieser Begriff aus politischen Gründen instrumentalisiert werden kann. Aus einem notwendigen Zweifel, einer wissenschaftlichen Hypothese wird eine sog. Verschwörungstheorie. Wo aber Verschwörung ist oder sein kann, bedarf es einer Theorie, die ihrer habhaft wird. Daniel Hermsdorf unternimmt in „Okkultsymbolik und Machtpolitik“ einen der ersten Versuch einer sinnvollen Begriffsfindung für Verschwörungstheorien. Er fragt nach Organisationsprinzipien wie dem Logentum und seiner sozialen Realität durch die Zeiten. Er betrachtet an Beispielen die historische Evolution von Verschwörungstheorien zu Freimaurern, Jesuiten, Illuminaten, später der Bilderberger und diverser anderer Geheimbünde und Elite-Clubs. Das Misstrauen gegen Verschwörungstheorien wird einerseits dadurch verstärkt, dass unter diesem Rubrum relativ unterschiedslos die Geschichte der Freimaurerei, der internationalistische Lobbyismus globaler Industriekonzerne und Banken, Satanismus mit Menschenopfern oder auch der Zweifel an einer menschlichen Mondlandung und die Existenz von Außerirdischen gefasst wird. „Okkultsymbolik und Machtpolitik“ beschränkt sich auf die soziologische und historische Perspektive, d. h. auf Beispiele, deren wahrer Kern eindeutig, deren Ausdeutung und Bewertung aber umstritten ist. Dazu zählt die Existenz wirkungsreicher Geheimgesellschaften, wie sie bis ca. 1950 für die Freimaurerei gut erkennbar ist, ebenso wie eine Dynamik der Entwicklung weltlicher Macht von den Monarchien hin zum Geld-Adel, der sich in elitären Netzwerken, stark zugangsbeschränkten Personenkreisen, hierarchischen und dynastischen Traditionen formiert. Andererseits gibt es einen Teilstrang in der konspiratologischen Debatte, der nicht nur weltlichen Reichtum und die Besetzung von Machtpositionen in Staat, Wirtschaft und Kultur betrifft. In ihm geht es darüber hinaus um spezielle geistige Inhalte, Esoteriken und Geheimlehren, die mit Okkultsymbolik einhergehen. Neben der emblematischen Funktion bestimmter Zeichen wie des freimaurerischen Zirkels und Winkelmaßes oder den Bauwerken von Washington, D.C. führt dies weiter zurück in der Kulturgeschichte und tiefer hinein in eigenartige Philosophien, die teilweise von Religionswissenschaften noch beachtet werden, teilweise ein gesellschaftlich fast unreflektiertes Eigenleben in okkultistischen Vereinigungen, Geheimgesellschaften und Sekten führen. Es sind alte Mysterienschulen und eine spiritualistische Denkschule wie die Gnosis, die in Übersichtswerken zu Okkultismus und Geheimgesellschaften nicht fehlen dürfen. Bisher mangelte es jedoch an einer umfangreichen Aufarbeitung ihrer Relevanz für die Moderne und die mächtigen Akteure in ihr – bis zum heutigen Tag. Es existiert eine Fülle von Indizien, dass die Bedeutung der Familien Rothschild und Rockefeller für die Historie in der breiteren Öffentlichkeit immer noch unterschätzt wird. Eine konsequente Aufarbeitung im Sinne einer Selbstbeobachtung der Gesellschaft durch Journalismus und Wissenschaft hat erst recht für die letzten Jahrzehnte kaum stattgefunden. Hinzu kommt, dass sich in der Selbstdarstellung, im Umgang mit Architektur und Kunst durch diese Akteure spezifische Ideologien offenbaren, die ins Zentrum von Geheimlehren früherer Jahrhunderte führen. Von diesen Zeichen auszugehen und deren ideelle Hintergründe zu beleuchten, ist hier das Projekt. Tradiert wurden solche Lehren um 1900 in Fortentwicklungen des Prinzips Loge mit dezidiert esoterischer Ausrichtung in der Theosophie und dem britischen „Hermetic Order of the Golden Dawn“. Theosophische Gesellschaft und Golden Dawn waren, herkommend aus dem Historizismus des 19. Jahrhunderts, Sammelstellen für allerlei Ideen und visuelle Zeichen, die aus Mythos, Religion und Magie überliefert sind, die zu früheren Zeiten ge- bzw. erfunden und über Jahrhunderte facettenreich variiert und neu ausgedeutet wurden. Neben Symboliken der Freimaurer, Rosenkreuzer und der Esoterik des Martinismus ist in diesem Kontext die ursprünglich jüdische Kabbala zu nennen, die eine Kombination aus gnostisch beeinflusstem Gedankengut und einer verwirrenden Deutung von Buchstaben und Zahlen ist. Daniel Hermsdorf kann in „Okkultsymbolik und Machtpolitik“ erstmals zeigen, dass in weit verbreiteten Darstellungen dieses Gedankenguts eher Ablenkungsmanöver bestehen. Tatsächlich wird noch heute eher das Irrationale, Wirre und Willkürliche für den weitläufigen Markt der Esoterik aufbereitet, während die eigentlich relevanten Denkfiguren außerhalb dieser Irrlehren zu finden sind. Ebenso neu ist der Zugriff von „Okkultsymbolik und Machtpolitik“ auf die Disziplin der Physiognomik, die Daniel Hermsdorf in seiner Publikationsreihe „GesichterWissen“ bearbeitet. Es geht dabei um die Bedeutung äußerlicher Doppelgänger in allen Bereichen des öffentlichen Lebens und mit historischer Tiefendimension. Auch hierfür wartet das Buch mit überraschenden Nachweisen und Interpretationen auf, die eine damit verbundene konspirative Machtpolitik erstmals in einen materialgesättigten Erklärungsrahmen stellt.
Aktualisiert: 2016-03-12
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Rom rückwärts

Rom rückwärts von Allerkamp,  Andrea, Auer,  Michael, Behrens,  Rudolf, Caliaro,  Davide, Doetsch,  Hermann, Drews,  Julian, Elm,  Susanna, Felten,  Uta, Frömmer,  Judith, Fuchs,  Florian, Gumbrecht,  Hans Ulrich, Hamilton,  John T., Haverkamp,  Anselm, Hoffman-Schwartz,  Daniel, Kasper,  Judith, Klettke,  Cornelia, Koller,  Denise, Lowrie,  Michèle, Nagel,  Barbara Natalie, Pfeiffer,  Helmut, Reichart,  Cordula, Schumm,  Johanna, Sohns,  Hanna, Solla,  Gianluca, Stockhammer,  Robert, Stöferle,  Dagmar, Tabacchini,  Marco, Treml,  Martin, Valdivia,  Pablo Orozco, Vinken,  Barbara, Wild,  Cornelia, Zollinger,  Edi
Die Allgegenwärtigkeit der Tropen Roms erschließt sich in den sprachlichen Strukturen, die von der Antike bis zur Moderne stets verborgen haben, wodurch sie sich konstituieren. Ob im politischen Körper oder im Gesetz der Buchstaben wirkt Rom mit seinen Bedeutungen manifest oder latent nach. Die in diesem Band vorgenommenen Lektüren zielen darauf, das anagrammatische Spiel, in das Roma seit je impliziert ist, zu nutzen, um im unvermeidlichen Bezug unserer Kultur auf Rom überraschende Wendungen und Inklinationen herauszuarbeiten. Die kommentierte Anthologie versammelt Essays zu ausgewählten Passagen aus den Werken von Lucan, Plutarch, Quintilian, Augustinus, Petrarca, Luther, Du Bellay, Gracián, Vico, Baudelaire, Zola, Saussure, Freud, Derrida und vielen anderen mehr, die Rom implizit oder explizit aufrufen, durchstreichen, affirmieren, traumhaft verstellen, wiederholen oder nachtragen. Mit Beiträgen von Barbara Natalie Nagel, Michèle Lowrie, Gianluca Solla, Edi Zollinger, Hans Ulrich Gumbrecht, Anselm Haverkamp u.a.
Aktualisiert: 2023-04-24
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