Den vielen bekannten Korrespondenzen des „Jahrhunderts der Briefe“ eine weitere Edition hinzuzufügen, das bedarf einer Begründung vorweg, haben doch schon andere historisch sehr bewanderte Menschen im Thaer-Archiv die Briefe der Henriette Charlotte von Itzenplitz, genannt Frau von Friedland (die Jüngere), eingesehen, ohne den Impuls für eine Herausgabe zu verspüren.
Ein wichtiger Grund für unser Vorhaben lag im Wortsinn nahe: Seit wir uns in Vorträgen und Buchbeiträgen zum Thema geäußert hatten, wurde wiederholt aus dem Oderbruch wie auch aus Berlin der Wunsch nach friedländischen Originaltönen, d. h. nach einer Edition von Archivbeständen, an uns herangetragen.
Wir teilten selbst dieses Anliegen aus mehreren Gründen.
Die Frauen von Friedland waren in der agrargeschichtlichen Literatur durchaus präsent, aber nur als Statistinnen: Durch das häufige Zitat eines Briefes, in dem Albrecht Daniel Thaer mit unverhohlener Begeisterung seiner Frau von seinen Besuchen bei Henriette Charlotte und Peter Alexander von Itzenplitz und anschließend bei Helene Charlotte von Friedland berichtet, fiel ein Abglanz seines Ruhmes auch auf diese Frauen, allerdings eben nur ein schwacher und rasch verglimmender Glanz. Einzig die Kreation eines besonderen Typus der Gutsherrschaft am Beispiel der Helene Charlotte von Friedland, nämlich der maternalen Gutsherrschaft, durch den Herausgeber dieses Bandes setzte Gutsherrinnen dieser Zeit in Szene und relativierte den Eindruck vom engen Schulterschluss großer Männer „im Dienste der Ceres“.
Schon seit Mitte der 1990er Jahre war der forschende Blick einer Arbeitsgruppe „Pionierinnen des Landbaus“ am damaligen Institut für Rurale Entwicklung der Fakultät für Agrarwissenschaften in Göttingen unter Leitung der Herausgeberin auf solche Frauen gerichtet, die nicht nur in der Landwirtschaft arbeiteten, sondern den landwirtschaftlichen Fortschritt anregten und beförderten. Ihnen in der Agrar- und Agrarwissenschaftsgeschichte den gebührenden Raum zu geben, erschien und erscheint als eine Verpflichtung zur Geschlechtergerechtigkeit, zumal die Forschungen gezeigt haben, dass es in der Geschichte oft gerade Zeiten des agrarischen Wandels und Aufbruchs waren, die den Frauen für ihre Konzepte und Anliegen Raum boten (von der Kurfürstin Anna von Sachsen im 16. Jahrhundert über die Friedländerinnen bis hin zu den Pionierinnen des Ökologischen Landbaus im 20. Jahrhundert). Die Briefe der Henriette von Itzenplitz an den großen Reformer Abrecht Daniel Thaer waren aus der Perspektive der Ruralen Frauen- und Geschlechterforschung besonders interessant, zum einen weil sie an einen Mann adressiert waren, der zwar virtuell bleibt, aber deutlich in den Antworten der Briefschreiberin gespiegelt wird. Zum anderen aber, weil die Korrespondenz in eine höchst spannende und brisante gesellschaftliche Wendezeit fällt, in die Zeit „um 1800“, die von der Geschichtsschreibung als Zeit der Transformation und Krise bezeichnet wird. Ein tiefgreifender Wandel der Gesellschaft und Landwirtschaft hebt an, der die ländliche Adelsgesellschaft, zu der die Protagonistin der Briefe gehört, verunsichert und auf neue Überlebensstrategien sinnen läßt. So zeichnet die Korrespondenz der Henriette Charlotte von Itzenplitz nicht nur das Porträt einer jungen leidenschaftlich reformbeflissenen Adelsfrau, sondern kann auch als Dokument der durchaus nicht reibungsfreien Begegnung einer konservativen Landadeligen und eines Vertreters des städtischen Bürgertums gelesen werden, denen beiden die Umgestaltung der Landwirtschaft in ein modernes Gewerbe am Herzen lag …
(Die Autoren)
Aktualisiert: 2021-12-27
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