Dass man sein privates und berufliches Leben in ebenso besinnlicher wie humorvoller Weise beschreiben kann, beweist der Autor mit seinem "Lebensbericht". Der Titel kann nur ironisch gemeint sein, denn einen nüchternen Bericht hat Wolfgang Müller durchaus nicht verfasst. Die Episoden erzählen von der dörflichen Kindheit in der Nazizeit, von Nachkriegserlebnissen, der Schulzeit in Luckenwalde, dem Studium in Leipzig, Berlin und Merseburg - und schließlich vom Berufsalltag, der zunächst in der DDR und später im vereinigten Deutschland von mehreren überraschenden Entwicklungen geprägt war. Wie es der parteilose Angestellte in einem Institut der Akademie der Wissenschaften zum "Reisekader für das kapitalistische Ausland" schaffte, und wie es ihm nach der "Wende" gelang, sein Arbeitsgebiet beizubehalten und viele erfolgreiche Projekte zu realisieren, wird an Beispielen spannend geschildert.
Herausragend sind das 1983 geschriebene Tagebuch einer sechswöchigen Englandreise oder das Kapitel über die in den neunziger Jahren bewältigte Rettung der vom Zerfall bedrohten Goldemail-Pretiosen aus der Zeit Augusts des Starken. Die kostbaren Kunstwerke stehen heute wieder restauriert und gegen Korrosion geschützt im Grünen Gewölbe in Dresden. Obwohl sich das eine oder andere Fachwort in den Erinnerungen nicht vermeiden ließ, muss der Leser weder fachliche Eintönigkeit noch Überforderung befürchten. Alles bleibt allgemein verständlich. Denn nicht die materialtechnischen Prozesse sondern die zwischenmenschlichen Beziehungen sind Gegenstand der Handlung. Dass sich auch in diesem Bereich interessante Wechsel vollziehen können, wenn sich die Gesellschaftsordnung radikal ändert, lässt sich ja denken.
Doch nicht nur die beruflichen Highlights bestimmen den Werdegang des Autors, auch das private Leben in der Familie kam nie zu kurz - es ist daher gleichberechtigter Bestandteil des Buches. Nicht zuletzt nimmt Wolfgang Müller immer wieder Bezug auf das gesellschaftspolitische Geschehen, dabei erörtert er seine humanistischen, religiösen und philosophischen Ansichten. Der zu erwartende Leserkreis ist jedoch in keiner Weise eingeschränkt, lediglich die Anhänger von Kriminal-, Horror- und Utopiegeschichten könnten vielleicht enttäuscht sein. Der Lebensbericht ist das Gegenteil solcher Phantasien - ein Tatsachenroman.
Aktualisiert: 2023-07-01
> findR *
Dass man sein privates und berufliches Leben in ebenso besinnlicher wie humorvoller Weise beschreiben kann, beweist der Autor mit seinem "Lebensbericht". Der Titel kann nur ironisch gemeint sein, denn einen nüchternen Bericht hat Wolfgang Müller durchaus nicht verfasst. Die Episoden erzählen von der dörflichen Kindheit in der Nazizeit, von Nachkriegserlebnissen, der Schulzeit in Luckenwalde, dem Studium in Leipzig, Berlin und Merseburg - und schließlich vom Berufsalltag, der zunächst in der DDR und später im vereinigten Deutschland von mehreren überraschenden Entwicklungen geprägt war. Wie es der parteilose Angestellte in einem Institut der Akademie der Wissenschaften zum "Reisekader für das kapitalistische Ausland" schaffte, und wie es ihm nach der "Wende" gelang, sein Arbeitsgebiet beizubehalten und viele erfolgreiche Projekte zu realisieren, wird an Beispielen spannend geschildert.
Herausragend sind das 1983 geschriebene Tagebuch einer sechswöchigen Englandreise oder das Kapitel über die in den neunziger Jahren bewältigte Rettung der vom Zerfall bedrohten Goldemail-Pretiosen aus der Zeit Augusts des Starken. Die kostbaren Kunstwerke stehen heute wieder restauriert und gegen Korrosion geschützt im Grünen Gewölbe in Dresden. Obwohl sich das eine oder andere Fachwort in den Erinnerungen nicht vermeiden ließ, muss der Leser weder fachliche Eintönigkeit noch Überforderung befürchten. Alles bleibt allgemein verständlich. Denn nicht die materialtechnischen Prozesse sondern die zwischenmenschlichen Beziehungen sind Gegenstand der Handlung. Dass sich auch in diesem Bereich interessante Wechsel vollziehen können, wenn sich die Gesellschaftsordnung radikal ändert, lässt sich ja denken.
Doch nicht nur die beruflichen Highlights bestimmen den Werdegang des Autors, auch das private Leben in der Familie kam nie zu kurz - es ist daher gleichberechtigter Bestandteil des Buches. Nicht zuletzt nimmt Wolfgang Müller immer wieder Bezug auf das gesellschaftspolitische Geschehen, dabei erörtert er seine humanistischen, religiösen und philosophischen Ansichten. Der zu erwartende Leserkreis ist jedoch in keiner Weise eingeschränkt, lediglich die Anhänger von Kriminal-, Horror- und Utopiegeschichten könnten vielleicht enttäuscht sein. Der Lebensbericht ist das Gegenteil solcher Phantasien - ein Tatsachenroman.
Aktualisiert: 2023-07-01
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Dass man sein privates und berufliches Leben in ebenso besinnlicher wie humorvoller Weise beschreiben kann, beweist der Autor mit seinem "Lebensbericht". Der Titel kann nur ironisch gemeint sein, denn einen nüchternen Bericht hat Wolfgang Müller durchaus nicht verfasst. Die Episoden erzählen von der dörflichen Kindheit in der Nazizeit, von Nachkriegserlebnissen, der Schulzeit in Luckenwalde, dem Studium in Leipzig, Berlin und Merseburg - und schließlich vom Berufsalltag, der zunächst in der DDR und später im vereinigten Deutschland von mehreren überraschenden Entwicklungen geprägt war. Wie es der parteilose Angestellte in einem Institut der Akademie der Wissenschaften zum "Reisekader für das kapitalistische Ausland" schaffte, und wie es ihm nach der "Wende" gelang, sein Arbeitsgebiet beizubehalten und viele erfolgreiche Projekte zu realisieren, wird an Beispielen spannend geschildert.
Herausragend sind das 1983 geschriebene Tagebuch einer sechswöchigen Englandreise oder das Kapitel über die in den neunziger Jahren bewältigte Rettung der vom Zerfall bedrohten Goldemail-Pretiosen aus der Zeit Augusts des Starken. Die kostbaren Kunstwerke stehen heute wieder restauriert und gegen Korrosion geschützt im Grünen Gewölbe in Dresden. Obwohl sich das eine oder andere Fachwort in den Erinnerungen nicht vermeiden ließ, muss der Leser weder fachliche Eintönigkeit noch Überforderung befürchten. Alles bleibt allgemein verständlich. Denn nicht die materialtechnischen Prozesse sondern die zwischenmenschlichen Beziehungen sind Gegenstand der Handlung. Dass sich auch in diesem Bereich interessante Wechsel vollziehen können, wenn sich die Gesellschaftsordnung radikal ändert, lässt sich ja denken.
Doch nicht nur die beruflichen Highlights bestimmen den Werdegang des Autors, auch das private Leben in der Familie kam nie zu kurz - es ist daher gleichberechtigter Bestandteil des Buches. Nicht zuletzt nimmt Wolfgang Müller immer wieder Bezug auf das gesellschaftspolitische Geschehen, dabei erörtert er seine humanistischen, religiösen und philosophischen Ansichten. Der zu erwartende Leserkreis ist jedoch in keiner Weise eingeschränkt, lediglich die Anhänger von Kriminal-, Horror- und Utopiegeschichten könnten vielleicht enttäuscht sein. Der Lebensbericht ist das Gegenteil solcher Phantasien - ein Tatsachenroman.
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Dass man sein privates und berufliches Leben in ebenso besinnlicher wie humorvoller Weise beschreiben kann, beweist der Autor mit seinem "Lebensbericht". Der Titel kann nur ironisch gemeint sein, denn einen nüchternen Bericht hat Wolfgang Müller durchaus nicht verfasst. Die Episoden erzählen von der dörflichen Kindheit in der Nazizeit, von Nachkriegserlebnissen, der Schulzeit in Luckenwalde, dem Studium in Leipzig, Berlin und Merseburg - und schließlich vom Berufsalltag, der zunächst in der DDR und später im vereinigten Deutschland von mehreren überraschenden Entwicklungen geprägt war. Wie es der parteilose Angestellte in einem Institut der Akademie der Wissenschaften zum "Reisekader für das kapitalistische Ausland" schaffte, und wie es ihm nach der "Wende" gelang, sein Arbeitsgebiet beizubehalten und viele erfolgreiche Projekte zu realisieren, wird an Beispielen spannend geschildert.
Herausragend sind das 1983 geschriebene Tagebuch einer sechswöchigen Englandreise oder das Kapitel über die in den neunziger Jahren bewältigte Rettung der vom Zerfall bedrohten Goldemail-Pretiosen aus der Zeit Augusts des Starken. Die kostbaren Kunstwerke stehen heute wieder restauriert und gegen Korrosion geschützt im Grünen Gewölbe in Dresden. Obwohl sich das eine oder andere Fachwort in den Erinnerungen nicht vermeiden ließ, muss der Leser weder fachliche Eintönigkeit noch Überforderung befürchten. Alles bleibt allgemein verständlich. Denn nicht die materialtechnischen Prozesse sondern die zwischenmenschlichen Beziehungen sind Gegenstand der Handlung. Dass sich auch in diesem Bereich interessante Wechsel vollziehen können, wenn sich die Gesellschaftsordnung radikal ändert, lässt sich ja denken.
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