Mit 231 Millionen Tonnen bilden Bau- und Abbruchabfälle rund 55 Prozent des inländischen Gesamtabfallaufkommens - Tendenz steigend. Die Anzahl an Deponien für derartige Abfälle wird jedoch kontinuierlich reduziert. Droht nun der Entsorgungsnotstand für Bauschutt und Erdaushub?
Neben der Untersuchung ökologischer und ökonomischer Auswirkungen beleuchtet der Autor in seinem Werk ein bisher unterschätztes Problem und formuliert die Dringlichkeit einer Lösungsfindung für Umwelt und Gesellschaft.
Aktualisiert: 2023-06-01
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Mit 231 Millionen Tonnen bilden Bau- und Abbruchabfälle rund 55 Prozent des inländischen Gesamtabfallaufkommens - Tendenz steigend. Die Anzahl an Deponien für derartige Abfälle wird jedoch kontinuierlich reduziert. Droht nun der Entsorgungsnotstand für Bauschutt und Erdaushub?
Neben der Untersuchung ökologischer und ökonomischer Auswirkungen beleuchtet der Autor in seinem Werk ein bisher unterschätztes Problem und formuliert die Dringlichkeit einer Lösungsfindung für Umwelt und Gesellschaft.
Aktualisiert: 2023-03-31
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Obwohl meine erste Jugend damals bereits vorüber war, war ich in gewisser Hinsicht ein kindischer Mensch geblieben.
Ich hatte die russische Literatur mit großer Hingabe gelesen und zwar nicht nur Dostojewski und Tolstoi und Puschkin und Gogol, sondern auch Leskow und Turgenjew und selbstverständlich auch Bulgakow und Andrejew und sogar Saltykow-Schtschedrin.
Am meisten beeindruckt aber hatten mich Anton Tschechow und Iwan Bunin, und somit hörte ich eines Tages auf, mich regelmäßig zu rasieren und begann mein russisches Leben.
Natürlich nicht in Moskau oder Petersburg, dazu fehlte mir bei mir zu Hause im nördlichen Burgenland die urbane Umgebung, sondern irgendwo im flachen Russland, in einem der abgelegeneren, provinzielleren Gouvernements, wie zum Beispiel Omsk oder Orenburg oder Twer. Ich legte mich da nicht richtig fest, ebenso wenig wie auf die Zeit, die ich unsicher und schwankend ließ. Meistens bevorzugte ich die Tschechow-Zeit, musste aber doch immer wieder, schon alleine auf Grund des technischen Fortschritts, in die Gegenwart ausweichen.
Die durch mein russisches Leben hervorgerufenen äußeren Erscheinungen fielen übrigens nicht sonderlich ins Gewicht, eine leichte Änderung der nachlässigen Kleidung, Wodka zum Hering; eine Vorliebe für Kohl-, Kraut- und Rübensuppen hatte ich schon vorher. Auch erzählte ich ja niemandem, dass ich jetzt Russe sei, sondern nannte mich nur im vertrauten Umgang mit mir selbst Jakov Michailowitsch (obwohl in meinem Falle Jakov Jakovlewitsch korrekt gewesen wäre).
Meine Freunde aber kamen mir unwissentlich sehr entgegen.
Die meisten von ihnen waren in unglückliche Liebeshändel verstrickt, und keiner von ihnen hatte etwas dagegen, fast allnächtlich vernachlässigte Schenken und heruntergewirtschaftete Kaffeehäuser aufzusuchen, um dort schwermütige Gespräche zu führen und nach der Sperrstunde sentimentale Lieder zu singen.
Das passte alles sehr gut, auch wenn die Lieder natürlich keine russischen Lieder waren, aber für mein Leben als Russe war eigentlich die Tatsache, dass sie gesungen wurden, bereits ausreichend.
Vorteilhaft war auch meine berufliche Tätigkeit. Ich war damals bei einer Bezirksbehörde beschäftigt, also praktisch im Zemstvo.
Die Arbeit dort war zwar nicht sonderlich anspruchsvoll, allerdings trug mein damaliger Vorgesetzter, dem ich mich freundschaftlich verbunden fühlte und mit dem stundenlange Gespräche über Politik führen konnte, ständig eine schwarze Schirmmütze und hatte dazu noch einen Vollbart. Außerdem gelang es mir durchzusetzen, dass meine Kollegen und ich uns gegenseitig mit »Onkelchen« ansprachen.
Waren solche Details auch nicht unbedingt vonnöten, so war es doch erfreulich, wenn es sie gab.
Die Frauen, die ich damals liebte, nannte ich Täubchen, Seelchen, Augäpfelchen oder sogar Mittelhandknöchelchen. Das kam zum Teil ganz gut.
Natürlich fehlten manche Aspekte, so hat sich etwa die ganze Zeit über niemand aus meinem Bekanntenkreis erschossen; aber immerhin spielten wir um hohe Beträge Karten, und etwas annähernd Ähnliches wie Duellforderungen gab es ab und zu auch.
Wenn ich also spät in einer Winternacht, wenn wir vielleicht noch kurz vorher irgendwo auf dem Tisch getanzt hatten, fröhlich und traurig zugleich durch verschneite Gassen nach Hause ging und mir der Schneewind die Tränen in die Augen trieb, dann war ich als Russe perfekt.
Auch wenn ich noch so spät nach Hause kam, hörte ich mir immer noch mindestens eine Tschaikowsky-Symphonie oder ein Rachmaninow-Klavierkonzert an. Meistens jedoch die »Polowzer-Tänze« von Borodin (aus »Fürst Igor«), wobei ich Zigaretten rauchte und in den Mond blickte.
Im Winter war das russische Leben überhaupt leicht, aber auch im Frühjahr, wenn man auf schlammigen Wegen über die Felder gehen und die Unwürdigkeit des Daseins beklagen konnte.
Schwieriger fiel es im Sommer, wo ich es oft tagelang unterbrechen musste, aber grundsätzlich ging es auch. Schön zum Beispiel waren die mitternächtlichen Imbisse, wenn mit der Nachtkühle der Appetit wiederkam, auf der Holzveranda der Datscha, oder die grauviolette Gewitterkulisse über der Tatarensteppe. Die langen Schatten der Hochspannungsmasten auf den Stoppelfeldern hatten außerdem wirklich etwas Nischnij-Nowgorodeskes. Auch gab es mitunter Ausflüge in das Vorgebirge des Kaukasus, zum Beispiel nach Pajabak-Rajkonow und nach Murez-Suslak (wohinter man mit Leichtigkeit Payerbach-Reichenau und Mürzzuschlag erkennt).
Insgesamt dauerte mein Leben als Russe ungefähr drei Jahre, dann kam ich in andere Fahrwässer.
Jahre später entdeckte ich die italienische Literatur für mich und wollte daraufhin ein italienisches Leben versuchen, was mir aber nicht annähernd so gut glückte wie das russische.
Das lag wahrscheinlich daran, dass ich in der Wirklichkeit nie in Russland gewesen bin, in Italien hingegen schon öfters.
Aktualisiert: 2022-12-28
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