Ziel dieser Arbeit ist die Untersuchung und Bewertung der grundsätzlichen Eignung des Zwei-Rollen-Bandgießprozesses als Herstellverfahren für aluminiumlegierte, hochmanganhaltige Stähle. Diese Stähle weisen eine besondere Kombination der mechanischen Eigenschaften auf, in der sehr hohe Festigkeit und gleichzeitig außergewöhnlich hohe Duktilität vereint werden. Bei Herstellung dieser Stahlgüte über die konventionelle Produktionsroute für Flachstahl werden zahlreiche
Herausforderungen an die Prozesstechnik gestellt. Bandgießen weist durch einige Verfahrensbesonderheiten das Potenzial auf, einigen dieser Herausforderungen zu begegnen oder zumindest bestimmte Restriktionen abzumildern. Zur Überprüfung des Potenzials wurden Gießversuche an einer Zwei-Rollen-Bandgießanlage industrieller Größenordnung durchgeführt und im Anschluss sowohl Prozessverhalten, als auch Bandqualität bewertet. Dabei wurden Stahlbänder in verschiedenen Abmessungen und Gewichten erzeugt, wodurch gezeigt werden konnte, dass eine Vergießbarkeit grundsätzlich gegeben ist. Durch die Versuchserzeugungen konnten für die aluminiumlegierten, hochmanganhaltigen Stähle die wesentlichen Herausforderungen an die Prozesstechnik des Bandgießens identifiziert werden. Insbesondere wurden unter Standarderzeugungsbedingungen Risse in Zusammenhang mit Belegungen auf der Gussbandoberfläche festgestellt, die spezifisch für dieses Material waren. Durch diese Materialfehler war eine Weiterverarbeitung des Gussbandes zunächst nicht möglich. Zur Klärung der Fehlerursache wurde ein Modell entwickelt. Eine umfangreiche Analyse durch Licht und Elektronenmikroskopie, sowie durch Vermessung der Oberflächentopografie lieferte die Grundlagen zur Erarbeitung des Modells. Dieses Modell basiert auf der Hypothese, dass die Risse auf eine unerwünschte Reaktion zwischen verwendetem Prozessgas und Schmelze während des Gießprozesses zurückzuführen sind. Reaktionsprodukte bilden sich auf der Schmelzenpooloberfläche und werden im Meniskusbereich über die sich drehenden Rollenoberflächen eingezogen. Sie lagern sich auf der Bandoberfläche ab und sind dort später als Belegungen zu finden. Während der Erstarrung des Bandes führen die Reaktionsprodukte zu einem gestörten Wärmeübergang zwischen Schmelze bzw. erstarrender Bandschale und Gießrollenoberfläche und beeinflussen damit das lokale Erstarrungsverhalten, was als primäre Rissursache angesehen werden kann. Durch das Verständnis des Mechanismus der Fehlerentstehung konnten prozesstechnische Gegenmaßnahmen abgeleitet und dann bei weiteren Gießversuchen umgesetzt werden. Zwei unterschiedliche, unabhängig voneinander verfolgte Ansätze schienen zunächst zielführend, da
sie die Herstellung von Gussband ermöglichten, das für die Weiterverarbeitung geeignet war. Der Einsatz von Barrieren im Bereich des Schmelzenpools hatte zum Ziel das Einziehen der Reaktionsprodukte im Bereich des Meniskus und damit deren Einlagerung auf der Bandoberfläche zu verhindern. Schwierigkeiten ergaben sich jedoch beim Einsatz der Barrieren über einen längeren Zeitraum. Daher war das Ziel des zweiten Ansatzes durch die Verwendung eines alternativen Prozessgases die Bildung der Reaktionsprodukte zu vermeiden. Durch zusätzliche Modifikation der Gießrollenoberflächenstruktur konnten bei diesem Ansatz weitgehend fehlerfreie Gussbänder erzeugt werden. Ausgewähltes Material aus Gießversuchen, in denen jeweils einer der beiden prozesstechnischen Ansätze zur Fehlervermeidung umgesetzt war, wurde über die Prozessstufen Warmwalzen, Warmbandglühen, Kaltwalzen, Schlussglühen und Dressieren auf betrieblichen Aggregaten weiterverarbeitet. Abschließend wurden Halbzeuge aus einzelnen Materialvarianten zu Demonstratorbauteilen abgepresst. Nach jedem Prozessschritt erfolgte eine Charakterisierung relevanter Materialeigenschaften. Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigten, dass noch im schlussgeglühten und dressierten Kaltband Strukturen im Gefüge erkennbar waren, die sich auf den Gießprozess zurückführen ließen. Im einachsigen Zugversuch wies dieses Material zwar mechanische Kennwerte auf, die
vergleichbar sind mit denen von Fertigmaterial, das der konventionellen Erzeugungsroute entstammt. Das Gefüge des ursprünglich bandgegossenen Materials ist im Vergleich jedoch inhomogener. Bei komplexen Umformbeanspruchungen wie der Herstellung von Bauteilen traten untypische Risse auf, die sich auf den Gießprozess zurückführen ließen. Somit waren die prozesstechnischen Gegenmaßnahmen zur Rissvermeidung im Gussband letztlich nicht erfolgreich. Untersuchungen zur Entstehung der untypischen Risse bei der Bauteilherstellung belegen die Notwendigkeit einer genauen Kontrolle des Gießprozesses.
Im Verlauf der Untersuchungen sind deutliche Fortschritte bei der Erzeugung aluminiumlegierter, hochmanganhaltiger Stähle über das Zwei-Rollen-Bandgießverfahren erzielt worden. Trotz Ableitung verschiedener Maßnahmen, die zur Verbesserung der Qualität des Materials beitrugen, gelang es jedoch letztlich nicht, fehlerfreies Band herzustellen, das in seinen Eigenschaften vergleichbar zu konventionell erzeugtem Material ist. Aufbauend auf dem in der Arbeit entwickelten Verständnis für die Fehlerentstehung, sollten sich zukünftige Aktivitäten daher auf Weiterentwicklungen des Gießprozesses fokussieren. Weitere Versuche, in denen die Verwendung eines alternativen Prozessgases mit dem Einsatz einer makroskopischen Gießrollenoberflächenstruktur kombiniert wird, scheinen vielversprechend, um ein fehlerfreies Vergießen von aluminiumlegierten, hochmanganhaltigen Stählen über das Zwei-Rollen-Bandgießverfahren
zu ermöglichen.
Aktualisiert: 2022-10-17
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