Im vorliegenden Sammelband Die bittere Not begreifen publizieren wir 30 Dokumente der Jüdischen Gemeinde Kreuzlingen (Thurgau/Schweiz) und des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, vor allem aber Briefe und Postkarten (insgesamt ca. 190) aus dem Camp de Gurs (110), aus Noé (23), Pontacq (17), Récébédou (14), Rivesaltes (7), Les Milles (5) und aus sonstigen Orten (14) an die Jüdische Gemeinde Kreuzlingen
Eine Besonderheit sind die 47 Briefe von Rosa Schriesheimer an ihren Sohn Hugo Schriesheimer, der im Oktober 1942 in die Schweiz gelangen konnte. Diese Sammlung ist nicht vollständig, weil nach meiner ersten Verarbeitung von Deportiertenpost in Oktoberdeportation 1940 ein Teil der Sammlung der Jüdischen Gemeinde Kreuzlingen vermutlich nach Yad Vashem (Jerusalem) gegeben wurde. Aber auch die hier abgedruckte Post sagt genug über den grausamen Leidensweg der Menschen von Konstanz nach und durch Gurs und andere Deportiertenlager und für viele weiter nach Auschwitz.
Die Briefe geben einen Einblick in die Notlage der Deportierten, zeugen aber auch von ihrer Dankbarkeit für materiellen und seelischen Beistand seitens der Jüdischen Gemeinde Kreuzlingen.
Die erstaunlich schnell angelaufene und mehr als vier Jahre durchgehaltene Hilfsaktion der Jüdischen Gemeinde Kreuzlingen in Verbindung mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund in Form von Lebensmitteln und Geldspenden – zumal unter den damaligen schwierigen politischen und wirtschaftlichen Bedingungen in der Schweiz wie in ganz Europa – erwuchs nicht nur aus guter alter jüdischer Tradition, sondern hing auch damit zusammen, dass jüdische Familien in Kreuzlingen bis ca. 1938 Mitglieder der Israelitischen Gemeinde Konstanz waren, und überdies gab es enge verwandtschaftliche Verbindungen. Die Jüdische Gemeinde Kreuzlingen wurde nach der Zerstörung der Konstanzer Synagoge am 9./10. November 1938 anno 1939 gegründet, der jüdische Friedhof der Gemeinde in Kreuzlingen-Bernrain war bereits 1937 bezugsfertig, da keine Schweizer Juden mehr auf dem jüdischen Friedhof in Konstanz beerdigt werden wollten. Nachdem sich die Jüdische Gemeinde Kreuzlingen nach dem biologischen Lauf der Dinge aus Mitgliedermangel 2016 auflöste, bleiben (neben einigen Erinnerungsstücken im Jüdischen Museum Gailingen am Hochrhein) der jüdische Friedhof Bernrain und unsere Publikationen als Denkmale für ihre 77-jährige Existenz in schweren wie in guten Zeiten.
Aktualisiert: 2020-07-09
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Aus dem Vorwort des Herausgebers:
Die Jüdischen Rückblicke bestehen aus 18 teils längeren, teils kürzeren Tonband-Gesprächen und bilden ein ebenso interessantes wie vielfältiges Erinnerungs-Mosaik zum jüdischen Leben und Leiden in der deutsch-schweizerischen Grenzregion am Bodensee von ca. 1900 bis 1985 bzw. 1987, was durch folgende Daten verdeutlicht wird: Leo Picard, geboren 1900 in Wangen am Untersee, in Konstanz seit 1910, nach Israel ausgewandert 1924; Hanna Bindel, ausgewandert 1928; Zeev (Wolf) Meinrath, geboren in Konstanz 1912, emigriert 1931; Tuvia (Theo) Chone, geboren 1912, emigriert 1936; Rosel Adni, emigriert 1936; Robert Wieler, geboren in Kreuzlingen 1912, nach Israel übersiedelt 1979. Neben den Rückblicken auf Konstanz, die Bodenseeregion und Deutschland gibt es natürlich auch Seitenblicke auf Israel, insbesondere auf Eretz Israel, das vor-israelische Land Israel, das britisch beherrschte Palästina damals. So konnte Dr. Erich Bloch (1897–1994) nach dem Reichspogrom 1938 nach Palästina emigrieren, Annelies und Friedel Haymann nach England. Hugo Schriesheimer wurde im Oktober 1940 nach Gurs deportiert, konnte in die Schweiz entkommen, ging 1947 in die USA und kam 1971 nach Kreuzlingen, während Erna Veit und Alice Guggenheim ebenso wie Herbert Dreifuss und Sigi Gideon als Schweizerinnen und Schweizer immer in Kreuzlingen bzw. Weinfelden/Thurgau ansässig waren. Liesel Mayer war vor und nach dem Zweiten Weltkrieg nur kurz in Kreuzlingen.
Eine Hommage: Robert Wieler kannte ich schon seit den 1960er Jahren und stand bis zuletzt mit ihm in freundschaftlicher Verbindung, er ist im 100. Lebensjahr am 8. April 2012 in Jerusalem verstorben. Professor Dr. Leo Picard kannte ich seit 1985 persönlich und pflegte mit ihm seit Anfang der 1990er Jahre eine produktive Editionsarbeit und Freundschaft, seine 1996 in meiner Edition im Hartung-Gorre Verlag Konstanz erschienenen Memoiren habe ich ihm noch persönlich überreichen können, bevor er 1997 verstarb. Er ist sicherlich der international bekannteste Gesprächspartner (und am 24.05.2012 bei Google mit einer extremen Anzahl von Einträgen vertreten!). Trudy Rothschild und Fritz Ottenheimer hatte ich während der ersten Einladung ehemaliger Konstanzer seitens der Stadt Konstanz und durch den damaligen Oberbürgermeister Dr. Horst Eickmeyer im Herbst 1986 kennen gelernt. Mit Dr. Erich Bloch, Herbert Dreifuss, Sigi Gideon, Liesel Mayer und Hugo Schriesheimer war ich über viele Jahre gut bekannt.
Aktualisiert: 2020-03-18
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