Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs greifen gewisse Beweisverwertungsverbote im Strafprozess nur dann ein, wenn im Verfahren zu einem bestimmten Zeitpunkt auf bestimmte Art und Weise durch den Angeklagten Widerspruch gegen die Beweisverwertung erhoben wird. Diese durch den BGH im Jahr 1992 in ihrer heutigen Form eingeführte "Widerspruchslösung" gehört seit Jahrzehnten zu den am meisten diskutierten Problemfeldern des Strafprozessrechts. Und das zu Recht, greift das Konstrukt des Widerspruchserfordernisses doch in höchstem Maße in Rechte des Angeklagten ein, entbehrt dabei jedoch einer gesetzlichen Grundlage sowie einer eindeutigen dogmatischen Fundamentierung durch den Bundesgerichtshof. Zahlreiche Autoren haben sich im Laufe der Jahre zu der Thematik - ganz überwiegend kritisch - geäußert. Jene Kritik aus dem Schrifttum, unerheblich wie deutlich sie geäußert wird, lässt den BGH (und mit ihm die Mehrheit der übrigen Gerichte) jedoch bisher vollkommen unberührt. Ohne sich mit ihr je vertieft auseinandergesetzt zu haben, wird nach wie vor die Erhebung eines Widerspruchs als Voraussetzung des Wirkens bestimmter Beweisverwertungsverbote angesehen. Tragendes Argument der Rechtsprechung für das Widerspruchserfordernis ist, dass dieses dem Angeklagten ein neues Recht verschaffe - namentlich jenes, durch den Widerspruch über das Eingreifen oder das Nichteingreifen des Beweisverwertungsverbots zu entscheiden. Ob dies tatsächlich zutrifft, wird im Rahmen dieser Studie ebenso untersucht, wie die Berechtigung oder Nichtberechtigung der im bisherigen Schrifttum geäußerten Kritik. Der Verfasser stellt hierzu die diese beiden Themenkreise verknüpfende Frage: Ist das Widerspruchserfordernis des BGH bei Beweisverwertungsverboten eine beschuldigtenfreundliche "Lösung" oder aber eine Problemquelle, die evtl. sogar gänzlich überflüssig ist? Zur Klärung dieser Ausgangsfrage stellt der Autor zunächst umfassend die "Widerspruchslösung" in ihrer heutigen Form dar. Sodann untersucht er mit Blick auf die Rechtsprechung der letzten Jahrzehnte, ob und wie sich diese dogmatisch untermauern lässt. Im Anschluss wird ausführlich sämtlichen Kritikpunkten an dem Widerspruchserfordernis nachgegangen. Zudem wird nach Möglichkeiten gesucht, mit denen für berechtigt befundene Schwierigkeiten durch eine Modifikation der "Widerspruchslösung" künftig vermieden werden könnten. Jedoch sind, dies wird im Verlauf dieser Abhandlung deutlich, bei Weitem nicht alle mit dem Widerspruchserfordernis einhergehenden Problemkreise durch Anpassungen des Konstrukts aufzulösen. An dieses Ergebnis anknüpfend, setzt sich der Verfasser mit dem letzten Teil der Ausgangsfrage intensiv auseinander: Ist die Widerspruchslösung aufgrund überragender Vorteile insbesondere für den Angeklagten (von denen die Rechtsprechung ausgeht) trotz der mit ihr verbundenen rechtlichen Schwierigkeiten aufrecht zu erhalten? Oder ist sie eventuell sogar gänzlich überflüssig, da sie tatsächlich überhaupt keine derart schwerwiegenden Vorteile mit sich bringt? Auf Basis der in dem Werk erläuterten "Mühlenteichtheorie" von Roxin, Schäfer und Widmaier, wird dieser Frage umfassend nachgegangen. Letztlich kommt der Autor zu dem Schluss, dass es tatsächlich das Grundgesetz ist, welches über das Wirken eine Beweisverwertungsverbots entscheidet, in keinem denkbaren Fall aber ein Prozessbeteiligter. Die "Widerspruchslösung" schafft somit aus Sicht des Verfassers gerade kein "neues Recht" des Angeklagten. Im Anschluss an diese Feststellung wird herausgearbeitet, dass das Konstrukt auch keine sonstigen "überragenden" Vorteile mit sich bringt. Das Fazit des Verfassers fällt infolgedessen eindeutig aus: Das Widerspruchserfordernis des BGH ist seiner Auffassung nach eine überflüssige Problemquelle.
Aktualisiert: 2021-12-03
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