Das Lob für einen in den Zeitläuften fast Vergessenen war groß: als Autor des „einzigen politischen Romans der Deutschen, bester 1848er Jahrgang, eine >Eiserne Lerche< 1. Größenklasse“, so charakterisierte Arno Schmidt Leben und Werk des Schriftstellers, Publizisten, Juristen und vormärzliberalen Abgeordneten Heinrich Albert Oppermann (1812-1870). Und so widmet sich denn auch der erste Beitrag der neuen Oppermann-Studien einer von Schmidt verworfenen Einleitung zu einem Oppermann-Essay. Robert Eugen Formanek zeigt, welche Funktion diese erst kürzlich edierte Einleitung im Schmidtschen Literaturprogramm erfüllte und warum er sie verwarf.
Vier Beiträge von Gerhard Friesen aus bisher unpublizierten Quellen belegen Oppermanns publizistische Leistungen im alten und neuen Kontinent vor und während der 1848er Revolution, und sie geben Hinweise auf das politische sowie zivil- und bürgerschaftliche Engagement Oppermanns, mit dem er zur Entwicklung hin zu einem Verfassungsstaat mit Demokratie und Menschenrechten beitrug. Die von Gerhard Friesen kommentierten Quellen zeigen auch, dass der politische Ideentransfer eines modernen, pluralistisch verfassten Gesellschaftsmodells bereits im 19. Jahrhundert von den USA nach Deutschland ausstrahlte, die USA mithin als Faszinationstopos und Projektionsfläche für anzuvisierende politische Ziele in Deutschland galten. Dieser Transfer kann als Teil der deutschen Parlamentarismus¬geschichte angesehen werden. An Oppermanns hier erstmals parallel publizierten Wahlprogrammen an die Urwähler und Wahlmänner, an seiner publizistischen Wahlwerbung und anhand der Darlegung der Wahlabläufe 1847 zur Zweiten Hannoverschen Kammer und 1848 zur Frankfurter Nationalversammlung wird ein Einblick in die Abläufe und Schwierigkeiten des Wahlverfahrens gegeben, womit eine Quelle der frühen Parlamentarismusgeschichte Deutschlands aufgezeigt wird.
Welche Gefahren moderne, pluralistisch gestaltete Verfassungsstaaten in Zeiten internationalen Terrors drohen, wird in einer sozialwissenschaftlichen Analyse von Jan Philipp Reemtsma dargestellt, der belegt, warum diesen Tätern kein Motiv zu konzedieren sei, und dass bisherige Modelle der Gewaltbeschreibung nicht mehr ausreichen.
Aktualisiert: 2022-06-14
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Europäische Literaturen hatten in der deutschen Frühromantik einen maßgeblichen Einfluss auf die Ausbildung eines europäisch-weltbürgerlichen Bewusstseins. Silvio Vietta untersucht diesen Prozess an Beispielen ausgewählter Schriftsteller und zeigt, wie die Begründung eines geistigen Vorherrschaftsanspruchs Deutschlands in Europa entstehen konnte.
Gerhard Friesen präsentiert eine exemplarische Quellenstudie über das Schicksal eines aus mehreren deutschen Staaten ausgewiesenen Juden, der ab den 1820er Jahren in die Mühlen der Bürokratie und Diplomatie zwischen verschiedenen deutschen Staaten geriet. Vom gleichen Autor wird seine 1968 von der Johns Hopkins University angenommene Dissertation zum Werk Heinrich Albert Oppermanns erstmals in deutsch und mit aktuellen Hinweisen versehen vorgestellt, die den Beginn der germanistischen Oppermann-Forschung darstellt.
In einer detailreichen Quellenstudie untersucht Boris Erchenbercher die Behandlung von Sinti und Roma im Königreich und der Provinz Hannover im 19. Jahrhundert seitens staatlicher Verwaltungen.
Wilhelm Solms zeigt an ausgewählten Textbeispielen die Reflexion der Verfolgung und Vernichtung der Sinti und Roma in der Zeit der NS-Diktatur in den Dichtungen der deutschen Literatur nach 1945.
Andreas Frewer untersucht in einem historischen Längsschnitt vom Altertum bis in die Gegenwart die Geschichte und Ethik des „Guten Todes“ und inwieweit dieses Konzept für eine „Euthanasie“ im NS-Staat genutzt und missbraucht wurde.
Ernst Gottfried Mahrenholz geht der aktuellen Frage nach, inwieweit religiöse Toleranz eine Herausforderung an den säkularen Staat darstellt, wobei er den Schwerpunkt seiner Betrachtungen auf die islamisch-gläubige Bevölkerungsgruppe in Deutschland legt.
Günther Flemming beschreibt den Erwerb des Handexemplars von Oppermanns literarischem Hauptwerk, dem Roman Hundert Jahre (Brockhaus 1870), und die Rückführung der Bände nach Nienburg/Weser.
Aktualisiert: 2022-06-14
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