Leben und Werk von Walter Benjamin (1892–1940) stellen auch mehr als zwei Generationen nach seinem Tod ein außerordentliches Faszinosum dar. War Benjamin zu Lebzeiten durch zwei akademische Bücher und einen schmalen Band literarischphilosophischer ‹Denkbilder› nur Insidern bekannt, so entwickelte er sich ab den 1960er Jahren zu einer zentralen Anregerfigur der intellektuellen Diskurse innerhalb und außerhalb der Geisteswissenschaften. Dies ist umso erstaunlicher, als der überwiegende Teil seines Werks aus Kritiken und Aufsätzen in Zeitschriften besteht, während sein Opus magnum – das «Passagen-Werk» – Fragment blieb. Dies war vor allem den Umständen des Exils geschuldet, das von permanenter Ungewissheit geprägt war: den eingeschränkten Publikations- und Verdienstmöglichkeiten sowie den veränderten Bedingungen des geistigen Austausches, da viele von Benjamins bisherigen Diskussionspartnern ebenfalls emigriert und in alle Welt verstreut waren. Desto begieriger nutzte er jeden Kontakt, der Anregungen, nützliche Verbindungen und Hilfe versprach. Seit je gewohnt, alles Wichtige mit graziler Schrift auf engstem Raum festzuhalten, entwickelte sich sein Adressbuch nun zum zentralen «Datenspeicher». Benjamins gesamte Lebensumstände bilden sich hier in verdichteter und verkürzter Weise ab, wobei die Notate fast ebenso viele Rätsel aufgeben, wie sie Angaben enthalten. Verzeichnet sind fast 300 Personen, mit denen Benjamin in den siebeneinhalb Jahren seines Exils in Verbindung stand (wobei noch einige Adressen berücksichtigt sind, die er an anderer Stelle notierte). Dass er während dieser Zeit «vereinsamt» und «isoliert» gewesen sei, wie es bisherige Biographien darstellen, ist ein Mythos, der durch das Adressbuch widerlegt wird.
Nachdem 2006 bereits ein unzulänglicher Versuch gemacht worden war, das Material zu erschließen, hat sich Georg Wiesing-Brandes die Aufgabe gestellt, allen Informationen des Adressbuchs bis ins Detail nachzugehen und nicht eher zu ruhen, bis die Angaben ihren Hintergrund preis gaben. Die Ergebnisse seiner zehn Jahre dauernden Recherche verdienen, als sensationell bezeichnet zu werden. Nicht nur die zahlreichen Personen, die plötzlich in Benjamins Umfeld auftauchen und kenntlich werden, ergeben ein neues, umfassendes Bild seiner Exiljahre; Wiesing-Brandes hat auch unbekannte Briefe und Dokumente aufgespürt oder konnte den Weg rekonstruieren, den verschollene Manuskripte gegangen sein müssen. So grundlegend seine neuen Erkenntnisse für die Fachwelt sind, so klar und erzählerisch fesselnd sind sie dargestellt. Eine Fundgrube und unverzichtbare Quelle für alle, die sich mit Walter Benjamins Biographie beschäftigen wollen.
Aktualisiert: 2023-05-25
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Das Passagen-Werk hatte Benjamin als große Enzyklopädie oder Archäologie
der untergegangenen Epoche konzipiert, jenes 19. Jahrhunderts,
aus dem die Moderne entstanden ist; zugleich ist das Passagen-
Werk trotz seiner Unvollständigkeit als Summe von Benjamins Denken
aufzufassen. Selbst das Motiv der Unabgeschlossenheit wird hier aus
verschiedenen Gesichtspunkten reflektiert: Als Unabgeschlossenheit
der Geschichte etwa oder in der Form der Zerstückelung, die typisch
für die Allegorie ist. Die Selbstreflexion gehört zu den wichtigsten Zügen
dieses faszinierenden Lebenswerks, das den eigenen Gegenstand
der untergegangenen Epoche selbst in der eigenen Struktur widerspiegelt.
Da Benjamin sowohl als Literatur- und Kulturkritiker und
auch als literarischer Autor tätig war, ist es angebracht, eine doppelte
Perspektive in der Analyse dieser Summe gelten zu lassen und das Passagen-
Werk als eine literatur- und kulturkritische Arbeit zu betrachten,
die selbst als unvollendetes Kunstwerk aufzufassen ist. In diesem
letzten Lebenswerk ist Benjamin tatsächlich zum Thema der unendlichen
Kunstreflexion zurückgekehrt, dem er schon eine wichtige Studie
über die Frühromantik gewidmet hatte. Allegorie und Ausdrucksthema
werden in immer neuen Konstellationen kombiniert und bilden
die Physiognomie einer unheimlichen Moderne, aus deren Zügen das
Porträt einer post-humanen Epoche zu erkennen ist.
Aktualisiert: 2022-11-08
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Leben und Werk von Walter Benjamin (1892–1940) stellen auch mehr als zwei Generationen nach seinem Tod ein außerordentliches Faszinosum dar. War Benjamin zu Lebzeiten durch zwei akademische Bücher und einen schmalen Band literarischphilosophischer ‹Denkbilder› nur Insidern bekannt, so entwickelte er sich ab den 1960er Jahren zu einer zentralen Anregerfigur der intellektuellen Diskurse innerhalb und außerhalb der Geisteswissenschaften. Dies ist umso erstaunlicher, als der überwiegende Teil seines Werks aus Kritiken und Aufsätzen in Zeitschriften besteht, während sein Opus magnum – das «Passagen-Werk» – Fragment blieb. Dies war vor allem den Umständen des Exils geschuldet, das von permanenter Ungewissheit geprägt war: den eingeschränkten Publikations- und Verdienstmöglichkeiten sowie den veränderten Bedingungen des geistigen Austausches, da viele von Benjamins bisherigen Diskussionspartnern ebenfalls emigriert und in alle Welt verstreut waren. Desto begieriger nutzte er jeden Kontakt, der Anregungen, nützliche Verbindungen und Hilfe versprach. Seit je gewohnt, alles Wichtige mit graziler Schrift auf engstem Raum festzuhalten, entwickelte sich sein Adressbuch nun zum zentralen «Datenspeicher». Benjamins gesamte Lebensumstände bilden sich hier in verdichteter und verkürzter Weise ab, wobei die Notate fast ebenso viele Rätsel aufgeben, wie sie Angaben enthalten. Verzeichnet sind fast 300 Personen, mit denen Benjamin in den siebeneinhalb Jahren seines Exils in Verbindung stand (wobei noch einige Adressen berücksichtigt sind, die er an anderer Stelle notierte). Dass er während dieser Zeit «vereinsamt» und «isoliert» gewesen sei, wie es bisherige Biographien darstellen, ist ein Mythos, der durch das Adressbuch widerlegt wird.
Nachdem 2006 bereits ein unzulänglicher Versuch gemacht worden war, das Material zu erschließen, hat sich Georg Wiesing-Brandes die Aufgabe gestellt, allen Informationen des Adressbuchs bis ins Detail nachzugehen und nicht eher zu ruhen, bis die Angaben ihren Hintergrund preis gaben. Die Ergebnisse seiner zehn Jahre dauernden Recherche verdienen, als sensationell bezeichnet zu werden. Nicht nur die zahlreichen Personen, die plötzlich in Benjamins Umfeld auftauchen und kenntlich werden, ergeben ein neues, umfassendes Bild seiner Exiljahre; Wiesing-Brandes hat auch unbekannte Briefe und Dokumente aufgespürt oder konnte den Weg rekonstruieren, den verschollene Manuskripte gegangen sein müssen. So grundlegend seine neuen Erkenntnisse für die Fachwelt sind, so klar und erzählerisch fesselnd sind sie dargestellt. Eine Fundgrube und unverzichtbare Quelle für alle, die sich mit Walter Benjamins Biographie beschäftigen wollen.
Aktualisiert: 2023-03-08
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Walter Benjamin beschäftigte sich für seine Passagenarbeit (1927–1940) auch ausgiebig mit Druckgrafiken, Gemälden und Fotografien des 19. Jahrhunderts. Diese Bilder werden hier erstmals identifiziert, in einem umfassenden Katalog dokumentiert und in ihrem Stellenwert für sein Werk erläutert. Die Untersuchung widmet sich insbesondere den Recherchen, die Benjamin 1935/36 im Cabinet des Estampes, der Grafiksammlung der Bibliothèque nationale, in Paris durchführte. Seine rund 90 Notizen zu den Bildern wurden zwar im Passagen-Werk (1982) abgedruckt, doch blieben die Werke selbst überwiegend unbekannt. Sie stammen von Künstlern wie Grandville, Meryon oder Daumier, aber auch von anonymen Zeichnern. Die Studie rekonstruiert Benjamins Recherchen und erläutert die Bedeutung der Bilder in den thematischen Zusammenhängen des Passagen-Projekts. Der Vergleich mit der Theorie im Kunstwerk-Aufsatz zeigt, dass Benjamin auch den Medienwandel in der frühen Moderne im Blick hatte. Das Buch macht deutlich, dass Benjamins Überlegungen im Passagen-Projekt auf konkrete Bilder bezogen waren.
Aktualisiert: 2023-04-24
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Aktualisiert: 2023-04-05
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Aktualisiert: 2023-04-15
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Walter Benjamin beschäftigte sich für seine Passagenarbeit (1927–1940) auch ausgiebig mit Druckgrafiken, Gemälden und Fotografien des 19. Jahrhunderts. Diese Bilder werden hier erstmals identifiziert, in einem umfassenden Katalog dokumentiert und in ihrem Stellenwert für sein Werk erläutert. Die Untersuchung widmet sich insbesondere den Recherchen, die Benjamin 1935/36 im Cabinet des Estampes, der Grafiksammlung der Bibliothèque nationale, in Paris durchführte. Seine rund 90 Notizen zu den Bildern wurden zwar im Passagen-Werk (1982) abgedruckt, doch blieben die Werke selbst überwiegend unbekannt. Sie stammen von Künstlern wie Grandville, Meryon oder Daumier, aber auch von anonymen Zeichnern. Die Studie rekonstruiert Benjamins Recherchen und erläutert die Bedeutung der Bilder in den thematischen Zusammenhängen des Passagen-Projekts. Der Vergleich mit der Theorie im Kunstwerk-Aufsatz zeigt, dass Benjamin auch den Medienwandel in der frühen Moderne im Blick hatte. Das Buch macht deutlich, dass Benjamins Überlegungen im Passagen-Projekt auf konkrete Bilder bezogen waren.
Aktualisiert: 2023-04-24
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Für Walter Benjamin war Paris eine Schicksalsstadt: Sie war der Ort
seines Exils nach 1933; sie war für ihn die "Hauptstadt des 19. Jahrhunderts
" und Ausgangspunkt seines wichtigsten, aber unvollendeten
Werks: Das Passagen-Werk ist Monolith und Riesenfragment deutscher
Geistesgeschichte, ein schwer zugängliches Labyrinth, ein hochproduktives
Monster der Germanistik und Philosophie.
Doch das Monster kann tanzen. Viele Teile der Passagen - z. B. das
Flaneur-Kapitel - sind so lyrisch, so sinnlich, dass die Grenze zwischen
Philosophie und Literatur verwischt. Diese Passagen zeigen den Intellektuellen
als Träumer, spiegeln ein rauschhaftes Denken, eine "Welt von
besonderen geheimen Affinitäten".
Das Passagen-Werk möchte laut Benjamin "in der Analyse des
Moments
den Kristall des Totalgeschehens entdecken". Passagen,
Kristalle entdeckt in einer radikal subjektiven Auswahl einige der Kristalle,
die in Benjamins Jahrhundert-Werk funkeln.
Dieses Buch macht Lust auf Benjamin, indem es ihn als literarischen
Aphoristiker und Flaneur zeigt und seine Prosa-Kristalle in großzügiger
Typographie zum Blitzen bringt.
Aktualisiert: 2018-07-10
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