Max Schwimmer

Max Schwimmer von Schanze,  Jörg
Frühe Blätter von Max Schwimmer wiederentdeckt Im August 1919 findet in Düsseldorf eine Ausstellung mit dem Titel „Leipziger Expressionisten: Rüdiger Berlit, Max Schwimmer“ statt, eine Ausstellung, die in den Düsseldorfer Nachrichten vom 7.8. wie folgt angekündigt wird: „Die Ausstellung führt zum ersten Male Vertreter des Leipziger Expressionismus vor, nämlich den als Koloristen ausgezeichneten Rüdiger Berlit und den nicht immer leichtverständlichen, gelegentlich an Paul Klee erinnernden Max Schwimmer.“Gezeigt wird die Ausstellung im sogenannten „Graphischen Kabinett“, welches der Arzt und Kunstsammler Dr. Hans Koch in Düsseldorf in der Blumenstraße 11 betreibt. Hans Koch hat dieses Kabinett 1918 gegründet zum Zwecke von Ausstellung und Verkauf von Graphik vornehmlich junger expressionistischer Kunst. Dabei versucht er seine Ausstellungen nach regionalen Gesichtspunkten zu sortieren. So hat er rheinische Künstler gezeigt (Otto Pankok, Walter Ophey), Münchener Künstler (Georg Birnbacher, Fritz Schaefler, Max Unhold), Stuttgarter (Gottfried Graf, Ida Kerkovius), und Dresdner werden folgen (Conrad Felixmüller). Dabei vergißt er nicht, auf die Klassiker der Expressionismus hinzuweisen; Hans Koch hat in seinem Graphischen Kabinett August Macke und Emil Nolde, Karl Schmidt-Rottluff und Käthe Kollwitz gezeigt. „Graphik“ bedeutet dabei Arbeiten auf Papier, also Aquarelle, Zeichnungen und Druckgraphik. Hans Koch betreibt das Kabinett zusammen mit seiner Frau Martha, die 1923 den Maler Otto Dix heiraten wird. 1921 hatte Koch sich von Dix porträtieren lassen und wurde zum ersten Mäzen des Künstlers. Hans Kochs Leipziger-Expressionisten-Schau vom August 1919 ist der Ausgangpunkt unserer Ausstellung, zumindest was die Werke von Max Schwimmer betrifft. Denn alle Arbeiten unserer Schwimmer-Schau entstammen der Sammlung von Dr. Hans Koch, sie wurden im Nachlaß des Düsseldorfer Arztes gehütet und über die Jahre und Jahrzehnte verschlossen gehalten, seit 1919, also seit über 90 Jahren. Es ist anzunehmen, daß die Blätter unserer Ausstellung Teil der Koch-Ausstellung vom August 1919 sind. Hans Koch, der mehr Sammler als Kunsthändler war, der auch der beste Kunde seines Graphischen Kabinetts war, hat das Konvolut unserer jetzigen Ausstellung sicherlich aus seiner 1919er Ausstellung erworben, säuberlich verpackt und verschnürt, wie es seine Art war (diese Art kennen wir aus der Aufbewahrung seines Briefwechsels) – und wohl vergessen! Auch dies scheint seine Art gewesen zu sein. Und seine Erben bewahrten und hüteten das sorgsam verpackte Konvolut, ohne den Inhalt in Augenschein zu nehmen. Die Wiederentdeckung des Schwimmer-Konvoluts unserer Ausstellung ist Herbert Remmert zu verdanken, der über Jahre den Kontakt zum Koch-Nachlaß pflegte, zu der Tochter von Hans Koch und der Enkelin. Die Bedeutung dieser Wiederentdeckung, die Tatsache, daß unsere über 40 Blätter seit 1919 nicht mehr zu sehen waren, bis heute also unbekannt geblieben sind, kann man mit einem Blick auf die Schwimmer-Literatur ermessen: Weder das große Standardwerk „Max Schwimmer – Leben und Werk“ von Magdalena George aus dem Jahr 1981 noch die neueste Publikation „Max Schwimmer – Eine Biographie“ von Inge Stuhr von 2010 kennen die Blätter unserer Präsentation. Dabei haben einzelne Werke unserer Ausstellung schon im Juni 1919 Erwähnung gefunden, in der Leipziger Allgemeinen Zeitung nämlich, anläßlich einer Ausstellung des Leipziger Künstlerbundes. Eckhart von Sydow widmet sich in seiner Besprechung der „modernen expressionistische Gruppe“ der Leipziger Kunst, zu der er die Künstler Rüdiger Berlit, Arnold Schmidt-Niechciol und Max Schwimmer zählt. Von Max Schwimmer erwähnt von Sydow Titel wie „Landschaft mit grüner Sonne“, „Japanischer Garten“, „Häuser bei Mondschein“, die „Marienberger Bilder“ und andere, die sich in unserer Ausstellung wiederfinden.3 Das heißt, Blätter aus der Leipziger Ausstellung vom Juni sind im August bei Hans Koch in Düsseldorf zu sehen. Von Sydow beschreibt zunächst das „dünne, zickzack-strahlige Gespinst“ der Federzeichnungen von 1918, die ihn „da und dort an Klee, Kubin und Kokoschka“ erinnern, und spricht dann von der „leuchtenden Farbigkeit“ der Aquarelle von 1919, deren „furiose Kraft“ er hervorhebt. Als ob von Sydow unsere Ausstellung beschriebe. 1919 ist ein bedeutendes Jahr für Max Schwimmer. Die Ausstellung bei Hans Koch hebt die Kunst des weitgehend unbekannten jungen Leipzigers – Schwimmer ist 25 Jahre alt – auf ein beachtliches überregionales Niveau. Zudem ist Schwimmer in diesem Jahr auf gleich mehreren Ausstellungen in seiner Heimatstadt Leipzig vertreten. 1919 ist aber auch ein Jahr politischer Ereignisse, es ist das Jahr der Revolution. Der Sturm der meuternden Matrosen, die Rebellion der betrogenen Soldaten und die Demonstrationen der streikenden Arbeiter fegen in der November- revolution von 1918 über Deutschland hinweg und machen auch vor Leipzig nicht halt. Max Schwimmer begeistert sich für die Ideen der neuen Zeit, er steht dem Leipziger Soldaten- und Arbeiterrat nahe und betätigt sich innerhalb der „sozialistischen Arbeitsgemeinschaft“ der Künstler und Intellektuellen. Am 7. Mai wird Schwimmer – der als Schulmeister sein Geld verdient und gerade vor seiner Klasse steht – verhaftet. Der Vorwurf lautet: politische Umtriebe. In seinem Hafttagebuch rechtfertigt Schwimmer seine „kommunistische“ Gesinnung und führt sie auf seine christliche Denkungsart zurück. Max Schwimmers Expressionismus, d.h. Schwimmers expressionistische Werkphase, die in etwa von 1917 bis 1923 zu datieren ist, ist ohne die Revolution, d.h. ohne die revolutionären geistesgeschichtlichen Ideen, die nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs die Hoffnungen und Wünsche der Menschen beflügeln, nicht zu denken. 1917 als Lehrer in erzgebirgischen Marienberg bestellte sich Schwimmer die ersten Hefte von Herwarth Waldens expressionistischer Zeitschrift „Der Sturm“. Bald darauf folgte Franz Pfemferts „Die Aktion“, ein weit radikaleres Blatt, für das Schwimmer alsbald Zeichnungen und Holzschnitte liefert. Schwimmers Hinwendung zum Expressionismus geht einher mit einer Radikalisierung seiner politischen Ansichten. Derweil demonstrieren in Leipzig 1917 die Arbeiter für billigere Lebensmittel. Und Schwimmer schreibt kurz vor der Novemberrevolution 1918 an einen Freund: „Das Weltgericht wacht auf, es nahet schon der Tag.“ Anders als der genuine Expressionismus der Künstler der „Brücke“ und des „Blauen Reiters“ vor dem Krieg, ist der Nachkriegsexpressionismus eines Max Schwimmer eine politisch unterfütterte Kunst, die sowohl die Zerrissenheit der Welt im und nach dem Krieg spiegelt als auch die Hoffnung auf eine befriedete Gesellschaft in sich trägt. Will man es gar stilistisch bedenken: Schwimmers „zick-zack strahlige Gespinste“ in der Zeichenkunst sind ebenso ein charakteristischer Ausdruck der wirren Nachkriegszeit wie die flammenden Farben seiner Aquarellkunst, die die Sehnsucht nach einer neuen Welt zum Ausdruck bringen. P.B.
Aktualisiert: 2022-01-08
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