Staatliche Kontrolle über die Treuhandanstalt

Staatliche Kontrolle über die Treuhandanstalt von Maizière,  Lothar de, Unger,  Jobst-Friedrich von
Das Buch befaßt sich mit der Treuhandanstalt als zentralem Kapitel der deutschen Vereinigung aus rechts-, wirtschafts- und zeitgeschichtlicher Sicht und behandelt damit eine der spannendsten Erscheinungen der jüngsten deutschen Geschichte. Im Übergang von der sozialistischen Zentralplanwirtschaft zur Sozialen Marktwirtschaft wurde sie als zentraler staatlicher Akteur zur wichtigsten Brücke bei der wirtschaftlichen Ausgestaltung der deutschen Einheit mit der Verantwortung für den größten Teil der Unternehmen in den neuen Bundesländern. Angesichts der enormen wirtschaftlichen Bedeutung kam ihrer Tätigkeit von Anfang an ein hoher politischer Stellenwert zu. Dabei agierte die Treuhandanstalt in einem sich ebenso rasant wie grundlegend verändernden staatlichen Umfeld. Noch von der Regierung Modrow im März 1990 gegründet, begleitete sie den Systemwechsel bis zum 3. Oktober 1990 und blieb auch darüber hinaus bis Ende der 90er Jahre aktiv. Sie zählt damit zu den wenigen Einrichtungen der zentralistisch organisierten DDR, die in der Bundesrepublik Deutschland fortbestanden. Der Autor untersucht die Einbettung der Treuhandanstalt in das sie jeweils umgebende staatliche Umfeld anhand der Frage ihrer Kontrolle insbesondere durch Regierungen und Parlamente während des Zeitraumes von 1990 bis 2000. Er lotet hierzu die Verbindungen zwischen der politisch-rechtlichen Umfeldentwicklung und der konkreten Ausgestaltung der staatlichen Kontrolle über die Treuhandanstalt aus. Dabei beschränkt sich die Untersuchung nicht auf die Darstellung der gesetzlich vorgesehenen Kontrollinstrumente, sondern bezieht unter Berücksichtigung einer Fülle von Details auch das tatsächliche, häufig informelle Handeln der Akteure ein. Das Buch liefert eine rechts-, wirtschafts- und zeitgeschichtliche Darstellung der Treuhandanstalt und faßt damit ein zentrales Kapitel der deutschen Vereinigung zusammen. Zur Einführung: Jobst-Friedrich von Unger hat mit dem Buch „Staatliche Kontrolle über die Treuhandanstalt“ ein Werk vorgelegt, das einen zeitgeschichtlichen Abriss über eine der entscheidungsreichsten Perioden der neueren deutschen Geschichte bietet. Als ich im April 1990 zum Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik gewählt wurde, standen ungeheuere Aufgaben vor meiner Regierung. Die drängendste lautete, die Menschen zu überzeugen, unser Land nicht mehr zu verlassen. Das hieß: die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion. Die Menschen in der DDR wollten die Einheit in Freiheit und sie wollten aufrecht in diese Einheit gehen. Deshalb war ein Wechselkurs von 1:1 bei Löhnen und Gehältern und einem erheblichen Teil der Ersparnisse so wichtig. Dieser Kurs war ein politischer, kein ökonomischer – ein notwendiges Signal der Hoffnung, um die Menschen zum Bleiben zu ermutigen. Mit der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion am 1. Juli 1990 betraten wir vollkommen unbekanntes Neuland. Wir hatten in der DDR Hunderte von Lehrbüchern, mit denen wir lernen sollten, wie man von der Marktwirtschaft zur Planwirtschaft gelangt. Aber es gab leider kein einziges für den Rückweg. Allerdings wussten wir: Ökonomisch lag die DDR am Boden, 40 Jahre sozialistischer Planwirtschaft hatten tiefe Spuren hinterlassen. Mit der Einführung der D-Mark werden wir drei Gruppen von Betrieben haben. Ein Drittel wird sofort Konkurs anmelden müssen, ein Drittel wird sich einigermaßen am Markt bewähren können und ein Drittel kann mit Umstrukturierungen wieder handlungsfähig gemacht werden. Insgesamt befürchteten wir eine Halbierung der Beschäftigung. In diesem Prozess sollte die Treuhandanstalt die Verantwortung für die so genannten volkseigenen Unternehmen der DDR übernehmen. Der Ruf, den diese Anstalt bis heute bei vielen meiner Landsleute hat, wird ihrer historischen Leistung aber nicht gerecht. Zu Unrecht wird ihr der Vorwurf gemacht, es habe sich unter ihrer Verantwortung die größte Vernichtung von Produktivvermögen und Arbeitsplätzen in Friedenszeiten und die Verschleuderung von Volksvermögen ereignet. Allerdings ist so die Treuhandanstalt Ziel der Kritik geworden und hat die Politik damit entlastet. Die Treuhandanstalt sollte Unternehmen in den Maßen privatisieren und umstrukturieren, die sie wettbewerbsfähig machten. Die unvermeidliche Abwicklung einzelner Betriebsteile und ganzer Unternehmen war in jedem einzelnen Fall ungeheuer schmerzhaft, da sie immer mit Eingriffen in die Biographien und in die Lebensleistungen der DDR-Deutschen verbunden war. Doch ökonomisch kann man einen Betrieb nur nach seinem Ertrag beurteilen. Beim Trabant-Werk in Zwickau (seit Horch bedeutender Standort deutschen Automobilbaus) zum Beispiel musste man sagen, es war eine Immobilie mit Maschinen und es produzierte Autos, die niemand mehr kaufte. Also war das Trabant-Werk null Mark wert. Jemanden zu finden, der ein solches Werk für eine Mark kauft und sich verpflichtet, hunderte Arbeitsplätze zu erhalten, ist außergewöhnliches Glück. Die Treuhandanstalt hat tausende von Privatisierungen vorgenommen – rund 80 Prozent davon an mittelständische Erwerber – und damit den Grundstein für eine inzwischen solide Wirtschaftsstruktur in den heutigen neuen Bundesländern gelegt. Ostdeutsche Unternehmen haben sich in den Krisen der jüngsten Zeit besser behaupten können als manches Unternehmen in den alten Bundesländern. Es hat sich gezeigt, dass die Ostdeutschen transformationserprobter sind als viele westdeutsche Landsleute. Immer wieder wird behauptet, die Treuhandanstalt habe ihre Tätigkeit vorbei an demokratisch gewählten Parlamenten entfaltet. Es ist deshalb zu begrüßen, dass mit der vorliegenden Arbeit eine gründliche Untersuchung der politischen Kontrolle der Treuhandanstalt – über ein ganzes Jahrzehnt hinweg von ihrer Gründung im Jahre 1990 bis zum Ende der 90er Jahre – vorgelegt wird. Jobst-Friedrich von Unger hat sich der Mühe unterzogen, die staatsrechtlichen Aspekte der Kontrolle über die Treuhandanstalt detailliert, klar und aus der Historie verständlich darzustellen. Ich freue mich, dass das vorliegende Buch zur Vereinigungsgeschichte nun in zweiter Auflage erscheint und wünsche ihm weiterhin gute Verbreitung. Dr. h. c. Lothar de Maizière Ministerpräsident a. D., Bundesminister a. D.
Aktualisiert: 2019-12-30
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