Die Figuren in Iris Junkers kurzen Erzählungen sind dünnhäutig – aber wo immer sie aufeinander treffen, verschanzen sie sich als Dickhäuter in sturstem Beharrungsvermögen: Die Begegnung mit den Figuren von Iris Junker hinterläßt ein Frösteln, so präzise, so unnachgiebig erzählt sie das Klaffen zwischen den Sehnsüchten, die in winzigsten Gesten und Eindrücken präsent sind, und den Distanzen zwischen diesen Menschen-Modellen. Paare sprechen hier miteinander, um ihre Tiefen zu verbergen hinter Wortwällen. Eltern und Kinder flüchten voreinander ins Vorführen ihrer Verlorenheiten. Freunde retten sich aus Ein- bis Zweisamkeiten in die dürftigen Einigkeiten von Partys. – – Sie entzieht ihm die Hand wie ein Gedanke, der nicht festgehalten werden will, und setzt sich an den Tisch, irgendein alter Tisch und nicht mal sauber gewischt, Teller und Tassen stehen noch da, und nichts passt zusammen … – – Iris Junker ist in grundlegendem Sinne das, was man einst allwissenden Erzähler nannte – sie kennt die unausweichlichen Sackgassen des Zwischenmenschlichen und führt sie vor. So sehr diese zu entdeckende Autorin ihre Ensembles in der Kühle kruder Distanziertheiten aufzeigt, so nahe tritt sie als Erzählerin den Außenstehenden, nämlich uns Lesern: weil wir all das wiedererkennen müssen und alles absehen, was da geschieht, erträumt und befürchtet wird – und nie herausfinden aus dem Sog des großen 'Das ist so': Irene lauscht ihrem Mangel und hört die ruhigen Atemzüge Igors, die Atemzüge seiner Wahrheiten und seiner Autonomie, immerhin ist sie seine Frau, aber er braucht sie nicht, aber sie braucht ihn, und das ist eine Demütigung, aber warum, sie hat nicht geheiratet, um sich Autarkie zu beweisen, das ist nicht Autonomie, belehrt Igor sie und kennt keinen Makel und kein Ungenügen an sich selbst und muss nie einen Beweis führen, er ist, der er ist, so, in seine Decke gehüllt, in sich gehüllt, in seine Gedanken und Gefühle gehüllt, die ihn zu dem machen, der er ist, der sich selbst genügt, und das genügt ihm, aber ihr genügt das nicht, nicht die Wissenschaft, nicht die Kunst, nicht die Kultur, nicht der Sport, die Freunde nicht, nichts genügt ihr, sie selbst genügt sich nicht, das alles, sie selbst, nur Lückenbüßer für das Gefühl von Nichtdazugehörigkeit und Ungenügen, dass sie eine andere ist als die anderen und keine von ihnen sein kann. – – Iris Junker ist 1961 geboren, sie lebt und arbeitet in Frankfurt am Main, wo sie aufgewachsen ist. Nach 'Männer im Abseits' in Wolfgang Rügers legendärer Reihe Bitter Lemon ist der Erzählband 'Das ist so' ihre erste größere Publikation.
Aktualisiert: 2020-05-19
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Die Figuren in Iris Junkers kurzen Erzählungen sind dünnhäutig – aber wo immer sie aufeinander treffen, verschanzen sie sich als Dickhäuter in sturstem Beharrungsvermögen: Die Begegnung mit den Figuren von Iris Junker hinterläßt ein Frösteln, so präzise, so unnachgiebig erzählt sie das Klaffen zwischen den Sehnsüchten, die in winzigsten Gesten und Eindrücken präsent sind, und den Distanzen zwischen diesen Menschen-Modellen. Paare sprechen hier miteinander, um ihre Tiefen zu verbergen hinter Wortwällen. Eltern und Kinder flüchten voreinander ins Vorführen ihrer Verlorenheiten. Freunde retten sich aus Ein- bis Zweisamkeiten in die dürftigen Einigkeiten von Partys. – – Sie entzieht ihm die Hand wie ein Gedanke, der nicht festgehalten werden will, und setzt sich an den Tisch, irgendein alter Tisch und nicht mal sauber gewischt, Teller und Tassen stehen noch da, und nichts passt zusammen … – – Iris Junker ist in grundlegendem Sinne das, was man einst allwissenden Erzähler nannte – sie kennt die unausweichlichen Sackgassen des Zwischenmenschlichen und führt sie vor. So sehr diese zu entdeckende Autorin ihre Ensembles in der Kühle kruder Distanziertheiten aufzeigt, so nahe tritt sie als Erzählerin den Außenstehenden, nämlich uns Lesern: weil wir all das wiedererkennen müssen und alles absehen, was da geschieht, erträumt und befürchtet wird – und nie herausfinden aus dem Sog des großen 'Das ist so': Irene lauscht ihrem Mangel und hört die ruhigen Atemzüge Igors, die Atemzüge seiner Wahrheiten und seiner Autonomie, immerhin ist sie seine Frau, aber er braucht sie nicht, aber sie braucht ihn, und das ist eine Demütigung, aber warum, sie hat nicht geheiratet, um sich Autarkie zu beweisen, das ist nicht Autonomie, belehrt Igor sie und kennt keinen Makel und kein Ungenügen an sich selbst und muss nie einen Beweis führen, er ist, der er ist, so, in seine Decke gehüllt, in sich gehüllt, in seine Gedanken und Gefühle gehüllt, die ihn zu dem machen, der er ist, der sich selbst genügt, und das genügt ihm, aber ihr genügt das nicht, nicht die Wissenschaft, nicht die Kunst, nicht die Kultur, nicht der Sport, die Freunde nicht, nichts genügt ihr, sie selbst genügt sich nicht, das alles, sie selbst, nur Lückenbüßer für das Gefühl von Nichtdazugehörigkeit und Ungenügen, dass sie eine andere ist als die anderen und keine von ihnen sein kann. – – Iris Junker ist 1961 geboren, sie lebt und arbeitet in Frankfurt am Main, wo sie aufgewachsen ist. Nach 'Männer im Abseits' in Wolfgang Rügers legendärer Reihe Bitter Lemon ist der Erzählband 'Das ist so' ihre erste größere Publikation.
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