Frontmann von „Inge & Heinz“ veröffentlicht Autobiografie
Der Bandleader von „Inge & Heinz“ hat seine Biographie veröffentlicht und nach der Schreibmaschine benannt, mit der er sie gar nicht geschrieben hat. Ein Buch zum Ablachen und (sich) Wegwerfen.
Inge und Heinz sind kein Schlagerpärchen mit Schmalzlocke und Föhnfrisur, sondern eher das Gegenteil: eine „Brutal Hard Schlager“-Band, die selbst hartgesottene Metal-Freaks mit ihren Auftritten zunächst irritiert. Und Erika ist zwar der Name einer Schreibmaschine, mit der das hier vorzustellende Buch aber gar nicht geschrieben wurde, sondern nur für ein Foto auf der Rückseite einfach so getan wurde als ob.
Alles klar? Nein? Kein Wunder! Aber auch kein Grund zur Aufregung oder zum Selbstzweifel. „Inge & Heinz“ ist einfach eine urkomische und völlig abgefahrene Band mit Musikern aus Luckenwalde, Jüterbog und Umgebung, deren musikalische Orientierung in alle erdenklichen Richtungen weist. Und „Erika“ ist der Titel eines Buches, das der Bandleader und Bassist Daniel Andrich nun geschrieben und herausgegeben hat, das vielleicht etwas Licht in die Düsternis dieser nicht mehr ganz so jugendlichen Musikerszene bringt.
Melodien, Hüte und Meer
Und wie nicht anders zu erwarten, versprüht auch dieses Buch mit dem Untertitel „Melodien, Hüte und Meer“ jede Menge Gags über die Gigs (Auftritte) nicht nur dieser Band, sondern auch ihrer Vorgänger, bei denen der Autor mitgespielt hat – zunächst am Schlagzeug bei „Stillbirth“ (1995-1998) und dann bei der „Krachkapelle meines Bruders“, den „Maledictive Pigs“ (1998-2005), gefolgt von „Inkompetent“ (2004-2011), bei deren Namensuche man sich an seinen musikalischen Qualitäten orientiert hat, wie Andrich in sympathisch-selbstironischer Art berichtet und sagt: „Wir machten unserem Namen alle Ehre“, bis schließlich Inge & Heinz 2012 das Ruder übernahmen und bis heute die Bühnen in Nah und Fern rocken.
Paradiesvögel mit Instrumenten
Die Band ist inzwischen Kult, den sie nicht nur mit Konzerten und eigenen CDs pflegt, sondern auch mit Videos im Internet. Auffällig sind die unpassenden Kostüme von der schwarzen Gesichtsmaske bis zur üppig-bunten Drag Queen. Paradiesvögel mit Musikinstrumenten eben, bei denen es laut Andrich weniger um Musik als mehr um Geräusche geht, „und was da so an Worten manchmal aus meinem Hirn sprudelt“, schreibt Andrich, „ist ja nicht immer hohe Lyrik“.
Wenig Message dafür viel Klamauk
Die Texte hätten selten eine Message, räumt Daniel Andrich ein. „Hauptsächlich geht es um Essen, Trinken, gesunde Ernährung, Liebe und alles, was dazugehört und immer mit einer Prise Humor versehen.“ Was an Aussage oder tieferem Sinn fehlt, wird kompensiert durch Klamauk, denn: „Ich will die Leute gern unterhalten.“ Dazu gehören auch seine verrückten Hutkreationen, ohne die Andrich selten die Bühne betritt.
Abstinenter Familienmensch
Dass das alles zwar Spaß macht, aber auch Stress bedeutet, wird in dem Buch sehr deutlich. „Rock `n`Roll ist eben kein Zierfischangeln“, schreibt Andrich, und beschreibt den sich stets wiederholenden Ablauf der Gigs beziehungsweise Auftritte: „Ankommen, aufbauen, warten, Soundcheck, warten, spielen, abbauen, einladen, losfahren und zwischendurch Bier trinken.“ Dabei gehört er wohl zu den wenigen seiner Zunft, die weder rauchen noch trinken. Auch im Privatleben ist der gelernte Heizungs-Lüftungs-Bauer und nach dem Zivildienst in einem Jüterboger Kinderheim umgelernte Erzieher eher bodenständig, nämlich verheiratet und Vater zweier kleiner Töchter. Angestellt ist er bei der Awo als ambulanter Familienhelfer.
Rummelkind zwischen Rügen und Luckenwalde
Selber stammt er aus einer Luckenwalder Schaustellerfamilie, die vom Frühjahr bis zum Herbst meistens in Göhren auf Rügen einen Rummel betrieb. Über diese Zeit am Meer zwischen Kinderkarussell, Schießbude und Wohnwagen weiß Andrich im dritten Teil ebenso amüsant zu berichten wie im zweiten Teil über seine skurrilen Erlebnisse bei seiner Klempner-Ausbildung.
Das Buch „Erika – Melodien, Hüte und Meer“ vermittelt die Erkenntnis, dass Andrichs Melodien in erster Linie laut und seine Hüte im Alltag eher untragbar sind, aber seine Kindheit am Meer eine schöne Abwechslung von den Wintern in Luckenwalde war.
Aktualisiert: 2022-03-03
> findR *
Ein Buch (namens Erika)?
Der Alte aka Daniel Andrich ist ja eher für alberne Hüte als für Bücher bekannt. Und mit einer eigentlich mir attestierten Gabe gesegnet - der Fähigkeit, nicht nicht reden zu können. Zumindest auf der Bühne lernten daher viele Daniel als umtriebigen und kommunikativen Musiker kennen, der nicht selten von seinen Mitmusikern gebremst werden muss.
Spätestens als er die Sticks an den Nagel hängte und irgendjemand auf die Idee kam, ihm ein Mikrofon in die Hand zu drücken, gesellte sich die unfehlbare Luckenwalder Mundart auch auf der Bühne dazu.
Für alle Zuschauer, welche ihn bisher nur in der Rhythmusfraktion kannten, ein Genuss der besonderen Art.
Dachte ich bei den Konzerten noch, das gehöre zum Konzept, wurde ich Backstage eines besseren belehrt ... ja, der redet wirklich so. Ich empfehle daher jedem, der dieses Buch liest, Daniels Stimme im Hinterkopf zu haben und/oder auf die Hörbuchfassung zu warten.
Apropos Warten: was erwartet die geneigte Leserschaft auf den folgenden Seiten? Trotz vieler Treffen in über 15 Jahren, durch die mir schon einige Anekdoten bekannt waren, beantwortet dieses Erstlingswerk viele Fragen (ebenso die nicht gestellten) und hält Ereignisse und Erfahrungen für die Nachwelt fest. Wirft aber mindestens genauso viele neue Fragen auf - spätestens beim Betrachten der Bilder.
Zwei Erkenntnisse möchte ich ohne zu spoilern vorwegnehmen, die ich persönlich nach der Lektüre mitgenommen habe: man kann mit seiner Familie, langjährigen Freunden, der Liebe zur Musik, bunten Hüten und dem Meer jede Menge Glück und Spaß im Leben haben, wenn man sich 1.) an den richtigen Stellen treu bleibt und 2.) vor allem auch über sich selbst lachen kann. Und mit diesem Vorabfazit beende ich das Vorwort und schließe effektvoll ab ... natürlich mit dem *Bühnenknall groß*.
Aktualisiert: 2020-10-15
> findR *
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