Wieviel Wunder braucht der Glaube?
Eulenfisch 2_2008
Wunder werden gewirkt. Was aber ist die Wirklichkeit der Wunder? Wenn die Wirklichkeit das Bewirkte ist, dann ist die Frage nach dem Wunder die Frage nach dem Umfang unserer Wirklichkeit. Die Wirklichkeit Gottes ist die Wirklichkeit dessen, der die Welt bewirkt, d.h. geschaffen hat. Er ist der Hintergrund von allem, Ursache und Gegenüber der Welt zugleich. Aber was für eine Welt! Eine Welt in Wehen, in Krisen, aus den Fugen, eine Welt, die nicht bleiben kann, wie sie ist. Weil wir uns von dem, was ist, abstoßen und uns ausstrecken nach einer anderen Wirklichkeit, die, wenn sie wirklich wirklich sein soll, nicht bloß Wunsch bleiben kann, deshalb muss es Wunder geben.
Viele von uns schüttelten den Kopf, wie plötzlich die Evolutionsdebatte des 19. Jahrhunderts, für Aufregung sorgte. Die Giordano Bruno-Stiftung, der neue Kampfverband gegen alle Religion, vertreten durch Aktivisten wie Schmidt-Salomon, haben in den fundamentalistischen Christen den Feind des Fortschritts und Weltfriedens ausgemacht. Auch die Polemiken von Richard Dawkins haben hohe Auflagen erzielt. Gibt es tatsächlich in der Bundesrepublik Deutschland nennenswerte geistige Kräfte, die auf wissenschaftliche Exegese verzichtend zu einem naiv-empiristischen Verständnis der Bibel anleiten? Es mag sie wohl hier und da durchaus geben, man muss sie aber suchen. Die großen Kirchen haben jedenfalls damit kaum etwas zu tun. Das mag in Amerika anders sein, rechtfertigt aber nicht den Import eines Kulturkampfs, dessen Feindbild hier zuerst einmal künstlich erzeugt werden muss. Nichts gegen eine faire und argumentative Auseinandersetzung mit Kritikern des Glaubens. Sie zwingen uns dazu, unsere Argumente zuschärfen und zu differenzieren.