Auf neuen Gleisen

Auf neuen Gleisen von Scherz,  Wolfgang
Die Deutsche Reichsbahn war der größte Arbeitgeber in der DDR. 1990 wurde auch sie zum Sanierungsfall. Wolfgang Scherz, damals in der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn in Frankfurt am Main tätig, kam im Frühjahr 1990 nach Berlin-Lichtenberg. Sein Auftrag: die Bahnbetriebe der der beiden deutschen Staaten zusammenzuführen. Die Problematik dabei: die Deutsche Bundesbahn ist zu diesem Zeitpunkt ein schwer defizitäres Unternehmen. Fachlich gewappnet, aufgeschlossen und vorurteilsfrei dem ehemaligen Staatsbetrieb gegenüber, leitete er in den nächsten vier Jahren diese Fusion, die 1994 in die Gründung der Deutschen Bahn AG mündete. Er lernte »Reichsbahner« kennen, die gleichermaßen qualifiziert wie engagiert waren. Scherz nimmt den geschichts- wie eisenbahninteressierten Leser mit in ein spannendes Kapitel der deutschen Wiedervereinigung und berichtet als exklusiver Zeitzeuge.
Aktualisiert: 2023-06-15
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Bankrott

Bankrott von Florian,  Havemann
Der Autor im Selbstgespräch Das ist ja nun ein ganz anderes Buch als SPEEDY, karger, weniger opulent, und kein historischer Roman. Ein Gegenwartsroman, wenn auch ein Bisschen weiter aufgefasst: die im Buch geschilderte Gegen-wart ist die der Zeit, bevor der Osten im wiedervereinigten Deutschland noch einmal in Bewegung kam, bevor die Menschen, die sich zu wehren begannen, in die Fänge der AfD gerieten. Man denkt beim Lesen: gleich kommt da jemand von der AfD um die Ecke. Der Roman ist geschrieben, bevor es diese Partei gab – aber es gab diese Leute schon vorher, die dann von der AfD eingesammelt werden konnten. Um die Hauptfigur im Bankrott, der sich in den Medien dagegen wehrt, was ihm widerfahren ist, sammeln sie sich, und er überlegt ja dann auch, was ließe sich daraus machen, eine Bewegung, eine Armee vielleicht, a la Michael Kohlhaas, oder, er ist ja Geschäftsmann, könnte es auch eine Firma sein – er kommt nur zu keinem Schluss. Es fehlt noch ein Element: das der Fremdenfeindlichkeit. Die im Osten ja erst einmal eine gegen die Westler ist, die den Osten übernehmen. Politisch, in der Verwaltung, der Justiz, im Geschäftsleben, alles Menschen, die den Rechtsstaat gewohnt sind, ihn für sich zu nutzen verstehen. Bärbel Bohley hat gesagt: Wir wollten Gerechtigkeit, bekommen haben wir den Rechtsstaat. Und das ist sicher auch gut so, denn darüber, was Gerechtigkeit ist, hätten wir uns doch nie einigen können. Aber der Rechtsstaat hat ein Problem, wenn zu viele seiner Entscheidungen als ungerecht empfunden werden. Jede kleine Gemeinheit hat doch ihre Folgen, jede Benachteiligung, die ein Mensch erleidet. In dem Moment, wo dieser Mensch dann gegen sie revoltiert. Es ist erst gar nicht klar, wohin es wird führen können, und die Vielen, die sich ungerecht behandelt gefühlt haben, müssen erst zusammenfinden. Und es kann die ganze falsche Losung sein, die sie vereint. Als die Fremdlinge im eigenen Land dann mit den Fremden kamen, die sie flächendeckend und also auch im Osten, der sich mit den Fremden nicht so auskannte, verteilen wollten, brach die Revolte los, in Form der AfD, und ich kann nur von Glück sagen, dass ich meinen Roman schon zu einem Zeitpunkt geschrieben habe, als die Erniedrigten und Beleidigten noch nicht wussten, wohin mit ihrer Wut. Ein Buch der linken Verzweiflung Politisch bin ich links, als Autor bin ich alles, was angesagt ist, aber dennoch würde ich meinen, dass auch der Bankrott irgendwie links angesiedelt ist, bei den Verlierern nämlich. Die Gewinner beschäftigen mich, aber in dem Moment, wo aus einem Verlierer ein Gewinner wird, hat er meine Solidarität dann nicht mehr. Sie waren zehn Jahre lang Verfassungsrichter im Land Brandenburg. Den Geschichten, die ich im Bankrott erzähle, bin ich als Verfassungsrichter begegnet, und es waren dies die Fälle, bei denen ein Verfassungsgericht nichts machen kann, die Fälle, an denen man nur verzweifeln kann. Am Anfang steht eine Ungerechtigkeit, oft Behördenwillkür, die Leute wehren sich gerichtlich dagegen, aber geraten sie in die Mühlen des Rechtsstaates, dann verschiebt es sich immer mehr, es geht sehr bald nicht mehr um das, was sie eigentlich antreibt, viele werden irre daran und entwickeln Verschwörungstheorien. Und dann ist ihnen natürlich noch weniger zu helfen. Beim Lesen hat man den Eindruck, als würde man unmerklich von einem Stoff in einen ganz anderen geraten. Genau das hat mich gereizt, das habe ich zu gestalten versucht. Mit etwas ganz klar Umrissenen zu beginnen, und dann mit etwas anderem, ebenso klar umrissenen zu enden. So, als befände man sich von Anfang an auf einer schiefen Ebene, es folgt ein Bankrott auf den anderen. Es beginnt mit dem einer Firma, dem eines Unternehmers, es geht weiter zum Bankrott der Institutionen, der Politik, des Rechtswesens, der Medien, dem Kulturbetrieb, der Moral, und endet in dem der Literatur – nichts bleibt unberührt und ausgespart. Das Thema verschiebt sich, und mit einem Mal sind wir bei dem des Voyeurismus, beim dazu gehörigen Exhibitionismus, und das nicht nur sexuell und erotisch, sondern ganz allgemein und politisch, bei dem Exhibitionismus der Reichen und Erfolgreichen, dem der Minderbemittelten, denen nur die Losung bleibt: Zeige deine Wunde. Der Bankrott erzählt die Geschichte einer Freundschaft. Es ist das vielleicht sogar ein Buch aus zwei Büchern, die miteinander verzahnt sind. Es sind zwei Geschichten, die zusammenkommen, es ist die Geschichten zweier Freunde, die sich gegenseitig verachten, kaum verstehen. Die Geschichte des einen: ein Mann, der alles verliert, es am Ende aber wieder gewinnt. Die Geschichte des anderen: ein Mann, der glaubt, nach seinem bisherigen Scheitern stünde ihm ein Erfolg bevor, und der am Ende doch wieder nur scheitert. Der eine der beiden Freunde: ein Unternehmer, ein Macher und Macho, ein Mann mit einem großen Ego, einer großen Klappe, aber er kann erzählen, er kann auch zuhören, er liebt Geschichten. Ein hässlicher Mann, unansehnlich, monströs, ein Ekel, aber nicht einer, der sich Illusionen über seine Wirkung macht – dadurch dann auch wieder sympathisch. Ich habe ein paar solcher Männer kennengelernt, und ich dachte immer wieder mal: sie sind dir zuwider, und also musst du mal über so einen schreiben, um ihn zu verstehen, ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, um gute Argumente für sein Verhalten zu finden. Der andere, der Ich-Erzähler im Roman: ein Schriftsteller, ein Langweiler also, ein Mann, der gut aussieht, der aber daraus nichts bei den Frauen machen kann, gehemmt, erfolglos, ein Schriftsteller, der beschließt, sich von der Fiktion ab-, sich der Realität zuzuwenden, und dann ist da sein Freund, der Bankrott dieses Freundes, und er denkt: vielleicht ist das eine Geschichte, über die du einen Roman schreiben kannst. Er war immer ein Voyeur des Lebens anderer, nun wird er zum Parasiten, zu einem Wicht, für den das Leben eines anderen, das seines Freundes, zum Stoff, zum Material wird. Dieser Ich-Erzähler, das bin nicht ich selber, aber das Problem des Realismus in der Literatur ist auch meines: was kann man von dem erzählen, bei dem man nicht dabei gewesen ist, das, was man nicht selbst erlebt hat? Es ist für mich eine Sache der schriftstellerischen Moral, diese Grundlage des realistischen Schreibens, auf Vermutungen angewiesen zu sein, mit zum Thema zu machen. Man sieht im Bankrott einem Schriftsteller beim Schreiben eines Romans zu, der eigentlich ungeeignet ist, ihn zu schreiben. Doch niemand sonst würde ihn schreiben, hätte Veranlassung, es zu versuchen. Die Welt aber will nicht von einem inkompetenten Schriftsteller beschrieben werden, und kann sie es, dann wehrt sie sich dagegen. Die Reichen und Erfolgreichen tun es, sie verfügen über die Mittel, es zu tun. Und sie haben einen guten Grund dafür: sie wissen, dass ihre Welt nicht von einem armen, erfolg-losen Schriftsteller verstanden und dargestellt werden kann. Und so bleibt ihm am Ende nichts anderes als in den Journalismus auszuweichen, in den plumpen Realismus der bloßen Fakten. Und was ist mit dem Schicksal? Dieser Bauunternehmer bekommt einen Bescheid des Finanzamtes, das von ihm eine Steuernachzahlung in der Höhe von einer Millionen verlangt. Es ist das, was dazu führt, dass dieser Mann alles verliert: seine Firma, sein Haus und dann auch seine Frau. Ein Jahr später stellt sich bei einer internen Prüfung im Finanzamt heraus: er hatte keine Steuerschulden, es hätte ihm diese Millionen zurückgezahlt werden müssen. Ein Computerfehler: aus Plus wurde Minus. Der Computer als Schicksalsmacht. Aber diese Macht schlägt mit Hilfe der Presse zu und das zweimal: Am Anfang, als die Zeitung aus der angeblichen Steuerschuld dieses Unternehmers eine Meldung macht, und es ist diese Meldung, die erst den ganzen Prozess in Gang setzt, bei dem er alles verliert – eine Durchstecherei, und die Presse greift es dankbar auf. Am Ende rettet ihn die Presse: Das Finanzamt hatte den Computerfehler deckeln wollen, aber ein ordentlicher deutscher Beamter wird zum Whistleblower. Der Roman jedoch, als literarische Gattung genommen, ist dazu da, von Abenteuern zu erzählen, nicht von einem Schicksal. Das war Sache der antiken Tragödie, und die meisten Menschen von heute, lehnen den Gedanken ab, es könne so etwas wie Schicksal überhaupt geben. Im Bankrott versuche ich also das Unmögliche: in einem Roman von einem Schicksal zu erzählen – vielleicht ist es gelungen. Ist der Bankrott ein erotischer Roman? Durch und durch, und auch da, wo er von ganz anderen Dingen handelt, von Geschäften, von Politik, dem Baugewerbe, Verlagsangelegenheiten. Das Problem dabei ist nur, dass sich der fiktive Autor des Romans nicht sicher ist, ob er sie nicht nur auch in diese Geschichte hineinträgt, die Erotik, die vielleicht doch nur seine ist, einfach, weil er doch von nichts anderem etwas versteht, weder von den Geschäften, von der Politik, dem Baugewerbe, Verlagsangelegenheiten. Kann das wirklich sein, dass sich die Welt in Exhibitionisten und Voyeuristen aufteilt? Und wenn man Sie direkt fragt, Herr Havemann… Ich stimme mir als dem fiktiven Autor des Bankrott zu: der Roman unserer Zeit muss erotisch sein. Also, so wie der Bankrott? Exakt – Sie haben es präzise erfasst.
Aktualisiert: 2023-06-13
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Bankrott

Bankrott von Florian,  Havemann
Der Autor im Selbstgespräch Das ist ja nun ein ganz anderes Buch als SPEEDY, karger, weniger opulent, und kein historischer Roman. Ein Gegenwartsroman, wenn auch ein Bisschen weiter aufgefasst: die im Buch geschilderte Gegen-wart ist die der Zeit, bevor der Osten im wiedervereinigten Deutschland noch einmal in Bewegung kam, bevor die Menschen, die sich zu wehren begannen, in die Fänge der AfD gerieten. Man denkt beim Lesen: gleich kommt da jemand von der AfD um die Ecke. Der Roman ist geschrieben, bevor es diese Partei gab – aber es gab diese Leute schon vorher, die dann von der AfD eingesammelt werden konnten. Um die Hauptfigur im Bankrott, der sich in den Medien dagegen wehrt, was ihm widerfahren ist, sammeln sie sich, und er überlegt ja dann auch, was ließe sich daraus machen, eine Bewegung, eine Armee vielleicht, a la Michael Kohlhaas, oder, er ist ja Geschäftsmann, könnte es auch eine Firma sein – er kommt nur zu keinem Schluss. Es fehlt noch ein Element: das der Fremdenfeindlichkeit. Die im Osten ja erst einmal eine gegen die Westler ist, die den Osten übernehmen. Politisch, in der Verwaltung, der Justiz, im Geschäftsleben, alles Menschen, die den Rechtsstaat gewohnt sind, ihn für sich zu nutzen verstehen. Bärbel Bohley hat gesagt: Wir wollten Gerechtigkeit, bekommen haben wir den Rechtsstaat. Und das ist sicher auch gut so, denn darüber, was Gerechtigkeit ist, hätten wir uns doch nie einigen können. Aber der Rechtsstaat hat ein Problem, wenn zu viele seiner Entscheidungen als ungerecht empfunden werden. Jede kleine Gemeinheit hat doch ihre Folgen, jede Benachteiligung, die ein Mensch erleidet. In dem Moment, wo dieser Mensch dann gegen sie revoltiert. Es ist erst gar nicht klar, wohin es wird führen können, und die Vielen, die sich ungerecht behandelt gefühlt haben, müssen erst zusammenfinden. Und es kann die ganze falsche Losung sein, die sie vereint. Als die Fremdlinge im eigenen Land dann mit den Fremden kamen, die sie flächendeckend und also auch im Osten, der sich mit den Fremden nicht so auskannte, verteilen wollten, brach die Revolte los, in Form der AfD, und ich kann nur von Glück sagen, dass ich meinen Roman schon zu einem Zeitpunkt geschrieben habe, als die Erniedrigten und Beleidigten noch nicht wussten, wohin mit ihrer Wut. Ein Buch der linken Verzweiflung Politisch bin ich links, als Autor bin ich alles, was angesagt ist, aber dennoch würde ich meinen, dass auch der Bankrott irgendwie links angesiedelt ist, bei den Verlierern nämlich. Die Gewinner beschäftigen mich, aber in dem Moment, wo aus einem Verlierer ein Gewinner wird, hat er meine Solidarität dann nicht mehr. Sie waren zehn Jahre lang Verfassungsrichter im Land Brandenburg. Den Geschichten, die ich im Bankrott erzähle, bin ich als Verfassungsrichter begegnet, und es waren dies die Fälle, bei denen ein Verfassungsgericht nichts machen kann, die Fälle, an denen man nur verzweifeln kann. Am Anfang steht eine Ungerechtigkeit, oft Behördenwillkür, die Leute wehren sich gerichtlich dagegen, aber geraten sie in die Mühlen des Rechtsstaates, dann verschiebt es sich immer mehr, es geht sehr bald nicht mehr um das, was sie eigentlich antreibt, viele werden irre daran und entwickeln Verschwörungstheorien. Und dann ist ihnen natürlich noch weniger zu helfen. Beim Lesen hat man den Eindruck, als würde man unmerklich von einem Stoff in einen ganz anderen geraten. Genau das hat mich gereizt, das habe ich zu gestalten versucht. Mit etwas ganz klar Umrissenen zu beginnen, und dann mit etwas anderem, ebenso klar umrissenen zu enden. So, als befände man sich von Anfang an auf einer schiefen Ebene, es folgt ein Bankrott auf den anderen. Es beginnt mit dem einer Firma, dem eines Unternehmers, es geht weiter zum Bankrott der Institutionen, der Politik, des Rechtswesens, der Medien, dem Kulturbetrieb, der Moral, und endet in dem der Literatur – nichts bleibt unberührt und ausgespart. Das Thema verschiebt sich, und mit einem Mal sind wir bei dem des Voyeurismus, beim dazu gehörigen Exhibitionismus, und das nicht nur sexuell und erotisch, sondern ganz allgemein und politisch, bei dem Exhibitionismus der Reichen und Erfolgreichen, dem der Minderbemittelten, denen nur die Losung bleibt: Zeige deine Wunde. Der Bankrott erzählt die Geschichte einer Freundschaft. Es ist das vielleicht sogar ein Buch aus zwei Büchern, die miteinander verzahnt sind. Es sind zwei Geschichten, die zusammenkommen, es ist die Geschichten zweier Freunde, die sich gegenseitig verachten, kaum verstehen. Die Geschichte des einen: ein Mann, der alles verliert, es am Ende aber wieder gewinnt. Die Geschichte des anderen: ein Mann, der glaubt, nach seinem bisherigen Scheitern stünde ihm ein Erfolg bevor, und der am Ende doch wieder nur scheitert. Der eine der beiden Freunde: ein Unternehmer, ein Macher und Macho, ein Mann mit einem großen Ego, einer großen Klappe, aber er kann erzählen, er kann auch zuhören, er liebt Geschichten. Ein hässlicher Mann, unansehnlich, monströs, ein Ekel, aber nicht einer, der sich Illusionen über seine Wirkung macht – dadurch dann auch wieder sympathisch. Ich habe ein paar solcher Männer kennengelernt, und ich dachte immer wieder mal: sie sind dir zuwider, und also musst du mal über so einen schreiben, um ihn zu verstehen, ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, um gute Argumente für sein Verhalten zu finden. Der andere, der Ich-Erzähler im Roman: ein Schriftsteller, ein Langweiler also, ein Mann, der gut aussieht, der aber daraus nichts bei den Frauen machen kann, gehemmt, erfolglos, ein Schriftsteller, der beschließt, sich von der Fiktion ab-, sich der Realität zuzuwenden, und dann ist da sein Freund, der Bankrott dieses Freundes, und er denkt: vielleicht ist das eine Geschichte, über die du einen Roman schreiben kannst. Er war immer ein Voyeur des Lebens anderer, nun wird er zum Parasiten, zu einem Wicht, für den das Leben eines anderen, das seines Freundes, zum Stoff, zum Material wird. Dieser Ich-Erzähler, das bin nicht ich selber, aber das Problem des Realismus in der Literatur ist auch meines: was kann man von dem erzählen, bei dem man nicht dabei gewesen ist, das, was man nicht selbst erlebt hat? Es ist für mich eine Sache der schriftstellerischen Moral, diese Grundlage des realistischen Schreibens, auf Vermutungen angewiesen zu sein, mit zum Thema zu machen. Man sieht im Bankrott einem Schriftsteller beim Schreiben eines Romans zu, der eigentlich ungeeignet ist, ihn zu schreiben. Doch niemand sonst würde ihn schreiben, hätte Veranlassung, es zu versuchen. Die Welt aber will nicht von einem inkompetenten Schriftsteller beschrieben werden, und kann sie es, dann wehrt sie sich dagegen. Die Reichen und Erfolgreichen tun es, sie verfügen über die Mittel, es zu tun. Und sie haben einen guten Grund dafür: sie wissen, dass ihre Welt nicht von einem armen, erfolg-losen Schriftsteller verstanden und dargestellt werden kann. Und so bleibt ihm am Ende nichts anderes als in den Journalismus auszuweichen, in den plumpen Realismus der bloßen Fakten. Und was ist mit dem Schicksal? Dieser Bauunternehmer bekommt einen Bescheid des Finanzamtes, das von ihm eine Steuernachzahlung in der Höhe von einer Millionen verlangt. Es ist das, was dazu führt, dass dieser Mann alles verliert: seine Firma, sein Haus und dann auch seine Frau. Ein Jahr später stellt sich bei einer internen Prüfung im Finanzamt heraus: er hatte keine Steuerschulden, es hätte ihm diese Millionen zurückgezahlt werden müssen. Ein Computerfehler: aus Plus wurde Minus. Der Computer als Schicksalsmacht. Aber diese Macht schlägt mit Hilfe der Presse zu und das zweimal: Am Anfang, als die Zeitung aus der angeblichen Steuerschuld dieses Unternehmers eine Meldung macht, und es ist diese Meldung, die erst den ganzen Prozess in Gang setzt, bei dem er alles verliert – eine Durchstecherei, und die Presse greift es dankbar auf. Am Ende rettet ihn die Presse: Das Finanzamt hatte den Computerfehler deckeln wollen, aber ein ordentlicher deutscher Beamter wird zum Whistleblower. Der Roman jedoch, als literarische Gattung genommen, ist dazu da, von Abenteuern zu erzählen, nicht von einem Schicksal. Das war Sache der antiken Tragödie, und die meisten Menschen von heute, lehnen den Gedanken ab, es könne so etwas wie Schicksal überhaupt geben. Im Bankrott versuche ich also das Unmögliche: in einem Roman von einem Schicksal zu erzählen – vielleicht ist es gelungen. Ist der Bankrott ein erotischer Roman? Durch und durch, und auch da, wo er von ganz anderen Dingen handelt, von Geschäften, von Politik, dem Baugewerbe, Verlagsangelegenheiten. Das Problem dabei ist nur, dass sich der fiktive Autor des Romans nicht sicher ist, ob er sie nicht nur auch in diese Geschichte hineinträgt, die Erotik, die vielleicht doch nur seine ist, einfach, weil er doch von nichts anderem etwas versteht, weder von den Geschäften, von der Politik, dem Baugewerbe, Verlagsangelegenheiten. Kann das wirklich sein, dass sich die Welt in Exhibitionisten und Voyeuristen aufteilt? Und wenn man Sie direkt fragt, Herr Havemann… Ich stimme mir als dem fiktiven Autor des Bankrott zu: der Roman unserer Zeit muss erotisch sein. Also, so wie der Bankrott? Exakt – Sie haben es präzise erfasst.
Aktualisiert: 2023-06-13
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Herausforderungen annehmen!

Herausforderungen annehmen! von Schreier,  Mandy
Zwillingsmädchen einer blutjungen, alleinerziehenden Teenagermutter im Osten zu tiefen DDR-Zeiten: Das ist der Stoff, aus dem Bücher und Filme gemacht werden. Muss sich heute noch jemand entscheiden, ob er sich als Ossi sieht? Nein. Mandy hat sich entschieden zu verzeihen - als erwachsene Frau, liebende Mutter und Persönlichkeit, die alles Erlebte verarbeitet und die verzeiht. Im Grunde haben alle genug von Thema Osten, Westen, Vergangenheit, Verantwortung, Unterschiede… Wir alle bewegen uns ständig zwischen Welten. Da ist es egal, ob es Ost und West ist, Glück und Trauer, Erfolg und Misserfolg – wir leben nun mal mit dem Gesetz der Polarität. Ohne Nacht gäbe es keinen Tag. Auf Helligkeit folgt Dunkelheit. Egal, wie sehr sich alle wünschen, dass damalige Unterschiede verschwinden (um zu verdrängen), es wird niemals gelingen, solange Menschen leben, die das Leben im Osten erlebt haben. Die Erfahrungen sind präsent und Teil unserer Gesellschaft. Mit einem Begriff, den man verdrängen will, löschen sich die Erlebnisse nicht. Was natürlich für alles in unserem Leben gilt. Warum dann nicht gleich hinsehen und bewusst leben? Dieses Buch ist tief im Herzen für alle Frauen entstanden, die auf der Reise zu sich selbst sind und ihre Stärke entdecken. (Und natürlich ist es auch für Männer gemacht). In diesem Buch wird die Reise einer starken Frau gespiegelt, die alle Grenzen sprengt. Wie sieht also so eine Vita mit einer Kindheit im Osten und einer späteren Karriere in der Schweiz aus?
Aktualisiert: 2023-06-12
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Krieg ohne Schlacht

Krieg ohne Schlacht von Müller,  Heiner
»Ein glänzendes Buch!« Marcel Reich-Ranicki Heiner Müller, einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dramatiker der Nachkriegsgeschichte, erzählt aus seinem Leben. Anekdotenreich, klar und ehrlich: ein faszinierendes Panorama der deutschen Zeit- und Kulturgeschichte.Geboren 1929 in Sachsen, wurde Heiner Müller noch kurz vor Kriegsende zum Reichsarbeitsdienst und zum Volkssturm herangezogen und geriet dann in amerikanische Gefangenschaft. Er begann wissenschaftlich und journalistisch zu arbeiten, bevor er Ende der 50er-Jahre zum Theater kam. In seiner Autobiographie spricht er über seine Auseinandersetzungen mit der allgegenwärtigen Partei und Staatszensur in der DDR und schildert jene Vorgänge, die 1961, nach der Uraufführung des Stückes »Die Umsiedlerin«, zu seinem Ausschluss aus dem Schriftstellerverband der DDR führten. Vor allem aber berichtet er über seine langjährige Arbeit als Dramatiker und Regisseur, erst am Berliner Ensemble und dann, ab 1976, an der Volksbühne. Die Beschreibung der Theaterarbeit zwischen Ost und West, zwischen Freiheit, Engagement, dem Ausloten von Möglichkeiten und der Erfahrung von Unterdrückung und Repression zeichnen ein anschauliches und genaues Bild des Kultur- und Geisteslebens in den Zeiten der deutschen Teilung und des Kalten Krieges.Heiner Müllers Lebenserinnerungen haben für Furore gesorgt: Für Ablehnung und Kritik, für Bewunderung und Begeisterung. Ergänzt um bislang unveröffentlichte Dokumente aus dem Nachlass, ist Krieg ohne Schlacht nicht nur eine beeindruckende Lebensgeschichte, sondern vor allem ein unersetzliches Dokument und ein Klassiker der deutschen Literatur.
Aktualisiert: 2023-06-05
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EAST. Welt ohne Seele

EAST. Welt ohne Seele von Jensen,  Jens Henrik, Sonnenberg,  Ulrich
Schatten überall. Jan Jordi Kazanski ermittelt in Krakau. Seit seine Frau und seine Tochter einen gewaltsamen Tod gestorben sind, hört CIA-Agent Jan Jordi Kazanski nicht mehr auf zu trinken. Gegen seinen Willen ist er kaltgestellt, wird aber überraschend in den Dienst zurückberufen und nach Krakau entsandt. Seine Mission ist kryptisch: Er soll jemanden ausfindig machen, der unter dem Decknamen »Die Witwe« agiert. Im Krakau von 1999 empfängt ihn eine undurchsichtige, korrupte Welt, in der Kräfte des Guten und des Bösen miteinander ringen. »EAST liegt mir ganz besonders am Herzen. Es ist eine Reise in eine nahe Vergangenheit und ein Eintauchen in die Gegensätze des Lebens: Geburt, Tod, Zerstörung und Wiederaufbau, Verzweiflung und Hoffnung.« Jens Henrik Jensen
Aktualisiert: 2023-06-05
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Fremdgänger

Fremdgänger von Reng,  Ronald
»Es ist, was es ist, sagt die Liebe.«Ein Deutscher, der in London als Investmentbanker arbeitet. Eine ukrainische Studentin, die in Kiew in der U-Bahnstation Klarinette spielt. Stoff für ein modernes Märchen? Doch eher für eine Liebe mit sehr modernen Hindernissen. London im Jahr 2004: Ein junger Deutscher sitzt nachts allein im Büroturm der Derling Bank und bereitet sich auf eine Dienstreise in die Ukraine vor. Er ist 33, Experte für Öl- und Erdgasfirmen, seit sieben Jahren in der Londoner City. Was Tobias Linderoth an seinem Beruf mag, sind die Schnelligkeit, die Aufregung, die Bauchentscheidungen. Er fürchtet, wenn ihm das Projekt in der Ukraine nicht gelingt, wird er entlassen werden. Kiew im Jahr 2004: Auf den Straßen demonstrieren die Menschen die Orangene Revolution herbei. Das Leben findet im Freien statt. Cafébesuche sind für die meisten zu teuer, man geht auf den Boulevards spazieren, bei Regen auch in den U-Bahnstationen. Hier trifft er Larissa. Eine begabte Klarinettistin, bleibt ihr der Zugang zum Konservatorium doch verwehrt, weil sie die nötigen Schmiergelder nicht aufbringen kann. Wie viele Ukrainer lebt sie mit Anfang zwanzig noch mit ihren Eltern und ihren Geschwistern in einer Dreizimmerwohnung eines ständig überheizten Plattenbaus. Tobias sieht sehr wohl, wie anders Larissa ist. Das ist es ja, was ihn zu ihr zieht. Wie schwierig es ist, jemanden aus einer anderen Welt zu lieben, wird er erst erfahren. Einfühlsam, sanft und schonungslos zugleich, erzählt der Roman von einer Ehe zwischen Ost und West, wie sie heute selbstverständlich erscheint – die aber keineswegs als selbstverständlich behandelt wird. Von Fremden und Freunden mit Skepsis betrachtet, müssen Tobias und Larissa sich selbst und aller Welt beweisen, dass ihre Liebe wahrhaftig ist.
Aktualisiert: 2023-06-05
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