Die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag
Sitzungsprotokolle 1969-1972
Sven Jüngerkes
Nach der Publikation der Sitzungsprotokolle der SPD-Bundestagsfraktion für den Zeitraum von 1949 bis 1969 legt die Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien (KGParl) nun einen weiteren Band für die Jahre 1969 bis 1972 vor.
Die 6. Wahlperiode bedeutete für die SPD-Fraktion vor allem eine Weiterentwicklung, denn ihr fiel nicht mehr nur die Rolle als Juniorpartner in einer Großen Koalition zu, sondern sie stellte erstmals den Bundeskanzler und bildete die breite Basis, aus der sich die Mehrheit der sozialliberalen Regierung rekrutierte. Aufgrund der knappen parlamentarischen Mehrheit stiegen damit jedoch auch die Anforderungen an Geschlossenheit und Disziplin der Fraktion – gerade vor dem Hintergrund des ehrgeizigen Regierungsprogramms der inneren und äußeren Reformen.
Die Protokolle, die erstmals auch Transkriptionen von Tonbandmitschnitten enthalten, zeigen, wie sich die Fraktion im Spannungsfeld disziplinierter Regierungsunterstützung und dem Anspruch, auf politische Entscheidungen schon im Vorfeld Einfluss nehmen zu wollen, bewegte. Die sozialdemokratischen Abgeordneten beschränkten sich bei weitem nicht darauf, Mehrheiten für die Regierung zu beschaffen, sondern verstanden sich als eigenständige, selbstbewusste und durchaus auch unbequeme politische Akteure.