Der Nihilismus und seine Erfahrung in der Romantik
Das Problem des Nihilismus in der deutschen und russischen Romantik aus kultur-komparatistischer Perspektive
Alexey Ponomarev
Angesichts der deutschen Romantik spricht der russische Publizist und Philosoph Nikolaj Nadeždin 1829 erstmalig von Nihilismus – 33 Jahre vor Turgenev und lange vor Nietzsche. Dabei sieht Nadeždin den Nihilismus als Folge einer ästhetischen Wende zur Moderne. Diese habe unter dem Zeichen der Säkularisierung vorwiegend in Deutschland stattgefunden. In Russland wurde sie breit rezipiert. In Deutschland hatte der Pantheismusstreit um 1785 gezeigt, dass die tradierte Vorstellung von einem transzendenten Gott den Erwartungen der Zeit nicht mehr genügte. Der „mittlere Weg“ Herders schien einen Kompromiss zwischen Naturwissenschaft und Atheismus zu weisen. Dennoch wurde die romantische Generation der existentiellen Erfahrung eines ‚poetischen‘ Nihilismus ausgesetzt. Diese Erfahrung nahm im russischen Kulturraum schließlich Formen eines politisch-revolutionären Kampfes an. Alexey Ponomarev widmet sich dem Problem des Nihilismus im Zeitbogen von 1770 bis 1841 und versteht ihn als bestimmtes Relationsprinzip. Dadurch wird es möglich, den Rahmen traditioneller Nihilismusforschung zu überschreiten und eine neue Lesart literarischer und philosophischer Texte anzubieten.