Zwischen Klängen und Apparaten
Zur Theorie und Praxis der elektronischen Musik
Chagas Paulo C.
In einer Welt voller Klänge und Apparate ist die elektronische Musik ein geeignetes Feld, um eine Kulturkritik der Gegenwart zu üben und die musikalische Kreativität im weitesten Sinne zu verstehen. Der brasilianische Komponist Paulo C. Chagas, Professor für Komposition an der University of California, Riverside, war von 1990 bis 1999 Klangregisseur im renommierten weltbekannten Studio für elektronische Musik des WDR in Köln. Seine lebendig geschriebenen Essays geben vielschichtige Einblicke in die Arbeit des elektronischen Studios, erleuchten die Apparate und deren symbolische Funktion als kulturelle Paradigmen, heben die dialogische Schöpfung zwischen Technikern und Künstlern hervor, und reflektieren über die künstlerischen Herausforderungen angesichts der Digitalisierung und Vernetzung der Gesellschaft.
Darüber hinaus beschäftigt sich Chagas mit der dunklen Seite des elektroakustischen Paradigmas, der Ära der Musik als Folterapparat und fußt auf seiner eigenen Erfahrung — da er als 17-jähriger Aktivist gegen die brasilianische Militärdiktatur viele Tage lang mit elektronischen Klängen gefoltert wurde. Chagas verarbeitet diese Erfahrung in dem Stück The Refrigerator (2014), das im letzten Aufsatz betrachtet wird. Es werden Brücken zwischen der existenziellen Erfahrung von Folter, der elektronischen Musikkomposition und der Technologie der Klangsynthese geschlagen.