Venedig als Zeichen
Literarische und mediale Bilder der "unwahrscheinlichsten der Städte" 1787-2011.
Martin Nies
Die Studie untersucht literarische und mediale Bilder der ‹meergeborenen› Stadt von der Goethezeit bis zur Gegenwart anhand von Beispielen aus Literatur, Film, Fotografie, Werbung und Produkten der Alltagskultur. Sie zeigt, wie erzählte Geschichten von Schillers Geisterseher bis zu Donnersmarcks The Tourist Venedig als einen Andersraum entwerfen, in dem sich Dinge ereignen, die anderswo nicht geschehen könnten, Reisende ‚aus der Bahn geworfen‘ werden und hier ‚an Land gesprungen, des Abenteuers gewiss‘ sein dürfen (Wolfgang Koeppen). Seit über 200 Jahren funktionalisieren Texte ‹Venedig› als ein Zeichen des Abweichenden, um darüber je zentrale zeitgenössische Diskurse und gesellschaftliche Problemkonstellationen in Kondensation zu verhandeln und das eigenkulturelle Normen- und Wertesystem narrativ zu erproben. So ergibt sich eine kultursemiotische Literatur- und Mediengeschichte am Beispiel des Bedeutungswandels eines Raumes mit Sonderstatus, der nicht zuletzt als ein Meta-Zeichen für Artifizialität und Kunst selbst steht und darüber epochenspezifische ästhetische Konzeptionen reflektiert.
Neben kanonischen Texten der Venedigliteratur von Schiller bis Rosei werden auch die Popliteratur der 1990er Jahre, populäre Filme wie Münchhausen, Mandolinen und Mondschein, Sissy und Gib Gas, Ich will Spass, Venedigfotografien sowie Gesellschaftsspiele analysiert. Mit Exkursen zu Shakespeares Kaufmann von Venedig, den Italienschlagern der 1950er Jahre und Nicolas Roegs Wenn die Gondeln Trauer tragen. Die Studie wurde mit dem Wissenschaftspreis der Universität Passau ausgezeichnet.