Vertraute Feinde
Zur maritimen Historie des Mittelmeeres
Thomas Lappe
Das Mittelmeer – arkadische Sehnsuchtslandschaft, sonnige Segelwelt, Küstenschauspiel und Schmelztigel religiöser Kulturen! Doch auch eine Region der Konflikte, der Machtpolitik, der Korsaren. Die zahlreichen Seekriege in der Zeit von 1571 (Lepanto) bis 1827 (Navarino) sind ein bewegender Teil der Mittel- und Schwarzmeer-Geschichte. Das Buch hat sich zur Aufgabe gestellt, über jene nachzudenken, die die zahllosen maritimen Kämpfe ausfochten: die einfachen Schiffsleute. Wer waren diese Menschen? Wie waren sie in ihren Gesellschaften angesehen, und was machte die fortschreitende Technik mit ihnen? Die dichte Zeitreise durch vier spannende Jahrhunderte, durch die Welt des Fremden- und des Religionshasses, aber auch des Kulturmiteinanders wird von Thomas Lappe personalisiert durch die vier Exponenten Juan d´Austria, Michiel de Ruyter, Horatio Nelson und Mehmet Ali Pasha al-Mas´du ibn Agha – sowie anhand deren Orientierungsmarker: der Schlachten von Lepanto, Agosta, Aboukir und Navarino.
Das Buch will in bescheidenen Grundzügen streifen, inwieweit ausgerechnet die vielen Kämpfe die pluralistischen Begegnungsfelder des Mittelmeeres zusammenfügte, statt sie zu zerbrechen. Kulturaustausch und -befremdung stehen daher im Mittelpunkt. Dieser Widerspruch erhielt seinen vollendeten Schwung im Zeitalter der Entdeckungen, die – ein weltgeschichtlicher Paradigmenwechsel – mit dem uralten Angstmotiv der ›schrecklichen‹ Ozeane endgültig aufräumten und den (seekriegerischen) Austausch zwischen den Völkern weiter intensivierten. Deshalb, wo andere Autoren die navalen Abläufe und Gefechte minutiös schildern, beleuchtet Lappe mehr die sozialpolitischen, moralischen und kulturellen Verflechtungen, so weit im gegebenen Umfang möglich. Der Krieg unter Segeln war schließlich überall, aber alles war er nicht. Selbst der Gegner war mehr als nur ein Feind. Dieser meinungsmutig-provozierende, dicht geschriebene Essay versteht sich als ein unvoreingenommener Appell für Toleranz, für Europa und eine Neue Gemeinschaft am Mittelmeer – dieser zuweilen geschundenen Welt dreier Kontinente.