Die zweite Frau
Eugenie Marlitt
Die junge Gräfin Juliane von Trachenberg wird von dem Baron Raoul von Mainau in zweiter Ehe geheiratet, lediglich als Mittel der Rache gegenüber der Herzogin, die ihn einst verschmäht hat. Unwillkommen im neuen Schloss und wegen der roten Haarpracht allseits verspottet sehnt sich die junge Frau nach ihren Geschwistern und nach ihrer heimlichen Beschäftigung, Pflanzen zu sammeln und abzuzeichnen. Gegen den herrschsüchtigen alten Onkel Raouls und den aufdringlichen Hofprediger behauptet sie sich in der Rolle der kühlen, akkuraten Hauswirtschafterin. Einzig der lebhafte Sohn Leon aus Raouls erster Ehe scheint ihr liebevoll zugetan. Doch da entdeckt sie das Geheimnis des wildromantischen Kashmirtales im Schlosspark, und ihr Schicksal nimmt eine überraschende Wendung. Detailgetreu zeichnet die Autorin jede einzelne ihrer Figuren. Feinsinnig webt sie eine Geschichte in eine höfische Umgebung hinein, in der ernsthafte Kritik sowohl an den festgefügten Familien- und Lebensbedingungen des Adels als auch am überkommenen Ständesystem und an tradierten Hierarchien geschickt verpackt transportiert wird. Somit kann man Eugenie Marlitt durchaus als Wegbereiterin einer stillen Emanzipation deuten. Auch heute noch ist dieser Roman lesenswert: unter historisch-gesellschaftskritischen Gesichtspunkten oder einfach nur als gute, spannend erzählte Geschichte.