Schlaftrunken
Arzu Altuğ, Hakan Bıçakcı
Was macht ein Endzwanziger, wenn er nicht in der Firma des Vaters im fernen deutschen Düsseldorf Karriere machen will? Er schreibt einen alternativen Reiseführer über seine Istanbuler Lieblingsorte, Cafés, Offtheater, Clubs und Buchhandlungen. Der Verlagsvertrag ist unterschrieben, eine hohe Auflage, Übersetzungen in mehrere Sprachen. Doch die Stadt verändert sich, Bagger rücken an, Läden schließen, über allem liegt Betonstaub und Lärm. Das Buchprojekt zerbröselt und mit ihm die Existenz seines Autors. Er erkennt seine Stimme nicht mehr, sein Gesicht ist ein anderes, seine Freundin macht sich Sorgen. Und dann diese Schlaflosigkeit, die ihn lähmt und nervös macht. Mühsam versucht er sein Leben zusammenzuhalten, mit Listen von Songtexten, Film-Noir-Listen, Listen der verschwindenden Orte. Der Riss in seinem Handydisplay wird immer größer, ebenso die Risse in den Wänden seiner Wohnung. Dann stirbt die geliebte Katze und in der zubetonierten Stadt findet sich kein Fleckchen Erde für ein Grab. Da beschließt der Endzwanziger, aus seinem Leben zu verschwinden, um der Schlaflosigkeit und seiner fremden Existenz zu entkommen.
Kafkaesk könnte man Hakan Bıçakcıs Roman nennen, kafkaesk ist auch Istanbul – zwischen stiller und offener Repression, Gruben unter glatten Oberflächen, Zeichen an der Wand.