Celans Kreidestern
Ein Bericht. Mit Briefen und anderen unveröffentlichten Dokumenten
Brigitta Eisenreich
„Von allem Anfang an war mir klar, daß ich in etwas Schweres hineinging, daß es sich um keine Liebschaft der Art handeln konnte, deren Ort, Namen, Umstände, wenn ihre Zeit vorbei war, man leicht vergessen könnte.“ Brigitta Eisenreich
Als Paul Celan Brigitta Eisenreich kennenlernt, hat sie ihre österreichische Heimat und ihre katholische Umgebung verlassen und lebt als Au-pair-Mädchen und Studentin in Paris. Sie ist 25, Celan 33 Jahre alt. Die zehnjährige Beziehung beginnt kurz nachdem Celan Ende 1952 Gisèle de Lestrange geheiratet hat. Bei der Geliebten findet Celan, der im Alltag Französisch spricht, die Sprache seiner Mutter wieder. Sprach- und Liebesakt werden eins – in vieler Hinsicht ist Brigitta Celans deutsche Frau in Paris.
Diese Liebesbeziehung ist eine der längsten und verborgensten Celans: fast keine Briefe, in den Büchern Widmungssternchen, ein Kreidestern auf der Schiefertafel an der Tür, wenn Celan Brigitta nicht antrifft. Man liest zusammen oder findet sich zu einem festlichen Mahl. Celan schenkt Brigitta Bücher, ein Buch etwa über Erotik in der jüdischen Mystik, er möchte sie zu einer „Herzens-Jüdin“ machen.
Es ist die Lektüre der Briefwechsel Celans mit seiner Frau Gisèle und mit Ingeborg Bachmann, die Brigitta Eisenreichs persönlichste Erinnerungen an Paul Celan auslöst und sie selbst zum Schreiben bringt. Aus der Intensität dieses Erinnerns öffnet sich ein neuer Blick auf Celans Werk und sein Leben, auf die Strahlkraft ebenso wie auf die Gegensätze und das Rätsel seines Wesens.