Aufgenommen
Leben mit Down-Syndrom
Angelika Kampfer
Wie weit kann man Vorurteile abbauen? Zur Entstehung dieses Buches. Vor zwanzig Jahren kam ich in Frankreich in den Speisesaal einer Jugendherberge, in der eine große Gruppe behinderter Jugendlicher Urlaub machte. Ich stand plötzlich mitten unter ihnen, war vollkommen schockiert und ging sofort wieder hinaus. Als ich vor einem Jahr von der Selbsthilfegruppe der Eltern von Kindern mit Down-Syndrom in Kärnten gebeten wurde, die Fotos für dieses Buch zu machen, stieß ich auf viele Vorurteile. Viele Leute, denen ich von diesem Projekt erzählte, bedauerten mich, dass ich ein so deprimierendes Thema gewählt hätte. Sieselbst kannten keine Kinder mit Down-Syndrom, ihr Urteil beruhte auf Vorurteilen. Ich las ein Interview, in dem ein Nobelpreisträger für Biologie die Ansicht äußert, dass man Menschen liebt, weil siemenschlich sind, nur dann strömt Liebe auf natürliche Weise. Und das sei bei Kindern mit Down-Syndrom nicht der Fall. Noch nie habe ich an einem Thema gearbeitet, das so voll Liebe war. Ich durfte 43 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene beobachten, begleiten und fotografieren. Alle waren sie anfangs sehr vorsichtig und zurückhaltend, später dann jedoch so offen, fröhlich und grantig, laut und leise, charmant, verlegen oder selbstbewusst, wie es Kinder und junge Menschen eben sind. Ich denke, es ist für die Eltern dieser Kinder besonders wichtig ruhig und selbstbewusst im Leben zu stehen, denn man wird mit sich selbst und mit der Gesellschaft in einem viel höheren Ausmaß konfrontiert. Nicht nur die Eltern, auch wir müssen lernen diese Kinder so zu akzeptieren, wie sie sind. Letztendlich liegt es an uns Lebensqualität für alle Menschen zu schaffen. Das Buch stellt nicht die Frage: „Was würde ich tun?“ und auch kein distanziertes: „Wie können die Eltern das?“, sondern soll einen einfachen, direkten Blick ermöglichen:“So ist es.“ Und es ist Teil unseres Lebens. Den Kindern von heute und morgen wünsche ich, dass sie aufgrund der gelungenen sozialen Integration von Menschen mit Beeinträchtigung nicht mehr schockiert einen Speisesaal verlassen müssen wie einst ich, sondern dass sie sich mit diesen Menschen an einen Tisch setzen können.