Die Robinsonin
Repräsentationen von Weiblichkeit in deutsch- und englischsprachigen Robinsonaden des 20. Jahrhunderts
Celia Mewes
Weibliche Robinsone, also Frauen in der Robinsonade, stellen zunächst eine Irritation dar. Robinson Crusoe kennt man als Mann und, philologisch betrachtet, als Modell der existenziellen Selbstbehauptung des neuzeitlichen Subjekts. Die Robinsonin gilt dagegen als Randerscheinung. Sie ist das ›Andere‹ in einer dezidiert ›männlichen‹ Gattung. Den Ausgangspunkt des vorliegenden Bandes bildet die Beobachtung, dass neben den vorbildgetreuen Robinson-Bearbeitungen eine Vielzahl von Texten existiert, die aus dem Geschlechterschema des Defoe’schen Vorbilds ausbrechen und die Frau in die abendländische Kultur- und Menschheitsgenese zu integrieren versuchen. Der Entwicklung der Emanzipation der Frau entsprechend fällt der Fokus hierbei auf Texte des 20. Jahrhunderts. Im Spannungsfeld von literarischer Tradition und Innovation, von Kontinuität und Wandel, intertextueller Rückbezüglichkeit und eigenständiger Vorausprojektion verhandeln die vier zentralen Texte von Gerhart Hauptmann, Muriel Spark, Marlen Haushofer und John Michael Coetzee ein über Jahrhunderte angereichertes Identifikations- und Deutungsparadigma und tragen damit zu einer längst überfälligen Kanonrevision der Gattung Robinsonade bei.