Königreich Sodom
Politik der Lust in der spanischen Pikareske
Timo Kehren
Die Pikareske ist in der Wissenschaft häufig auf die Ausgrenzung der Neuchristen im frühneuzeitlichen Spanien bezogen worden. Vernachlässigt hat man bislang die erotische Brisanz der Texte, die mit dem schlechten Leumund der Konvertiten in Verbindung steht. Weil diese nämlich nicht über ›reines Blut‹ verfügten, konnten sie nach allgemeiner Auffassung auch keine reinen Gedanken haben. Vor diesem Hintergrund vertritt Timo Kehren die These, dass sich die pícaros als Bewohner eines Königreiches begreifen, das dem biblischen Sündenpfuhl Sodom gleicht. Doch sind sie nicht der Grund allen Übels, sondern vielmehr das Symptom eines längst korrumpierten Gemeinwesens. Die Lust wird damit zu einem Medium, das Aufschluss über gesellschaftliche Konflikte gibt.
In research the picaresque novel has often been linked to the discrimination of New Christians in early modern Spain. So far, the erotic explosiveness of the narratives has been neglected due to the questionable reputation of the converts. Since these people did not have ›pure blood‹, it was common sense that they could not have pure thoughts. Against this background Timo Kehren supports the idea that the pícaros understand themselves as inhabitants of a kingdom comparable to biblical Sodom and Gomorrah. However, they are not the origin of all evil but more so the symptom of a corrupted society. Thus, lust becomes a medium that unveils social conflicts.