Jungfrauen, Mütter, Göttinnen
Die Frau in den Religionen des Altertums
Anton Neumayr
Die ältesten Zeugnisse religiöser Riten und verwandter Mythen stammen aus dem Beginn des Jungpaläolithikums. Sie basieren alle auf der Vorstellung von einem Leben nach dem Tod, wobei zunächst die am Himmel zu beobachtenden Phasen des Mondes die größte Bedeutung erlangten.Damit wurde die Frau zum wichtigsten Mitglied innerhalb ihrer Gemeinschaft, die als die „Große Mutter“ auch in den alten Religionen der späteren Hochkulturen des Altertums, nach dem Muster einer heiligen Hochzeit, stets als Jungfrau dargestellt wurde („Unbefleckte Empfängnis“). Dieser Grundgedanke blieb, angefangen von den ältesten Religionen in Ägypten oder in Mesopotamien, bis zum Christentum stets sehr ähnlich: Die Große Göttin besaß keinen regulären Gatten, mit der Geburt, dem Leben, dem Tod und Wiederauferstehung des Mondes konnte am ehestens ein Zusammenhang mit den Perioden der Fruchtbarkeit und mit der Hervorbringung eines Kindes aus dem Leib einer Frau hergestellt werden. So verdichtete sich der Glaube, der Mond sei der Gatte aller Frauen und schwängere sie mit seinen Mondstrahlen. Auf dieser Grundlage entstanden die Zeremonien einer heiligen Hochzeit, bei der sich die Frau symbolisch mit dem göttlichen Mond vereinigte.Ihr Sohn hingegen musste als Ausdruck für den ewigen Zyklus des Lebens in allen Formen im Herbst sterben, um im kommenden Frühjahr glorreich wieder zur Göttin zurückzukehren. Erst nach Jahrtausenden begann sich die gleichgewichtige Koexistenz von Göttern und Göttinnen nach einer Seite zu verschieben, bis am Ende das Konzept vom „Großen Vater“ jenes von der „Großen Mutter“ verdrängte und die Ausbreitung großer monotheistischer Religionen zur Folge hatte. In diesen nach patriarchalischem Muster geführten religiösen Hierarchien wurde die Frau systematisch in die Passivität gedrängt. Sie wurde sowohl in der Familie als auch im Sozialgefüge, inklusive kirchlicher Hierarchien, zur folgsamen Dienerin des Herrn umgeschult.