Die Mysterien – Kräfte in der christlichen Liturgie
Nach Vorträgen von Dr. Rudolf Steiner und Pfarrer Robert Spörri
Dr. Cosmas Bereda
Dr. Rudolf STEINER
MYSTERIEN UND MYSTERIENWEISHEIT
Bearbeiteter Text nach Vorträgen, die im Jahre 1902 gehalten wurden.
Etwas wie ein geheimnisvoller Schleier liegt über der Art, wie innerhalb der alten Kulturen diejenigen ihre geistigen Bedürfnisse befriedigten, welche nach einem tieferen religiösen und Erkenntnisleben suchten als es die Volksreligionen bieten konnten. In das Dunkel rätselvoller Kulte werden wir geführt, wenn wir der Befriedigung solcher Bedürfnisse nachforschen. Jede Persönlichkeit, die solche Befriedigung findet, entzieht sich für einige Zeit unserer Beobachtung. Wir sehen, wie ihr zunächst die Volksreligionen nicht geben können, was ihr Herz sucht. Sie anerkennt die Götter; aber sie weiß, dass sich in den gewöhnlichen Anschauungen über die Götter die großen Rätselfragen des Daseins nicht enthüllen.
Sie sucht eine Weisheit, die sorglich eine Gemeinschaft von Priesterweisen hütet. Sie sucht Zuflucht bei dieser Gemeinschaft für die strebende Seele. Wird sie von den Weisen als reif befunden, so wird sie von ihnen auf eine Art, die sich dem Auge des Außenstehenden entzieht, von Stufe zu Stufe hinaufgeführt zu höherer Einsicht. Was mit ihr nun vorgeht, verhüllt sich den Uneingeweihten. Sie scheint der irdischen Welt für einige Zeit völlig entrückt. Wie in eine geheime Welt versetzt erscheint sie. —Und wenn sie wieder dem Tageslicht gegeben ist, steht eine andere, eine völlig verwandelte Persönlichkeit vor uns. Eine Persönlichkeit, die nicht Worte findet, die erhaben genug sind, um auszudrücken, wie bedeutungsvoll das Erlebte für sie gewesen ist. Sie erscheint sich nicht nur bildlich, sondern im Sinne höchster Wirklichkeit wie durch den Tod hindurchgegangen und zu neuem höheren Leben erwacht. Und sie ist sich klar darüber, dass niemand ihre Worte recht verstehen kann, der nicht ein Gleiches erlebt hat.