PROJEKTIDEE - Initiator dieses Buches war Heinz Greier, Geschäftsführer der ASSIST gemeinnützigen GmbH, der im Juni 2020 mit den Worten „lass uns ein Buch über Covid-19 machen“ in mein Büro kam. Das löste nach einiger Vorarbeit & Planung eine LITERARISCHE WELLE und eine große Teilnahme von Seiten der Mitarbeiter/innen und Kunden/innen aus.
Der Grundstein war somit gelegt, die Idee entstanden und für essentiell erachtet. Ein Projektteam zur gemeinsamen Umsetzung wurde bald gefunden und es konnte gestartet werden: Im Juli 2020 beteiligten sich 80 Personen (Menschen mit und ohne Behinderung) als Autoren/innen, Fotografen/innen oder Illustratoren/innen daran, um ihre persönlichen Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen über die Covid-19-Zeit mit uns zu teilen. Die Autoren/innen wurden bei der Erstellung von Interviews, bei der Einreichung ihrer Texte, Fotos und Grafiken im Hintergrund von vielen Mitarbeitern/innen unterstützt. Es entstanden viele Beiträge, die auch alle veröffentlicht wurden. Lediglich die Länge der Beiträge hätte unseren Rahmen bei weitem gesprengt und das Buch zu einem mehrere 100 Seiten umfassenden Werk gemacht. Deswegen haben wir Beiträge gekürzt. Inhaltlich gesehen kamen keineswegs nur persönliche Eindrücke oder Alltagsschilderungen in Corona-Zeiten. Es kam viel mehr, nämlich überaus aufbauende Worte, tiefgehende Gründe zusammen zu halten und nicht aufzugeben, in einer uns alle betreffenden Krise. Es berichtet davon, MITEINANDER etwas zu erreichen, die eigenen Ziele weiterzuverfolgen, die Umwelt zu schützen, auf die Ernährung zu achten und Regionalität zu schätzen. Es beinhaltet Familienzusammenführung neu zu erleben, den Wert von Freundschaft zu achten, die Unterstützungsleistungen der ASSIST-Mitarbeiter/innen zu würdigen und neue Alltagssituationen zu beschreiben, die Weltbilder auf den Kopf stellen können, u. v. m.
Es wurde zu einem gemeinsamen Prozess, zu einer Aufarbeitung und zu einem sehr lesenswerten Buch über diese PANDEMIE. Trotz Gefahren, Verlusten, vieler schweren Herzen und traumatischen Erfahrungen in dieser Zeit, zeigt es Gründe zur Hoffnung auf.
Denn bewegt hat uns das Virus SARS-CoV-2 (severe acute respiratory syndrome Coronavirus) sehr. Löst es doch ein schweres, akutes Atemwegssyndrom namens COVID-19 aus, das nicht nur gesundheitsschädlich, sondern auch lebensbedrohlich sein kann, wie wir alle schmerzlich (als Selbstbetroffene, im eigenen Familien-/Freundeskreis oder über die Medien) erfahren mussten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die weltweite COVID-19-Pandemie, die uns alle 2020 betroffen hat und noch immer betrifft, am 30. Jänner 2020 als „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ und am 11. März 2020 bereits als Pandemie eingestuft. Dieses Virus löste rigorose präventive Maßnahmen aus, wie eine Ausgangsbeschränkung in ganz Österreich (und vielen Nachbarländern), viele einschränkende Sicherheitsmaßnahmen (wie das Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken, die Abstandseinhaltung "in der Länge eines Babyelefanten", wie uns die Regierung versucht ‚humorvoll‘ mitzuteilen, usw.). Das heißt, unsere Lebensgewohnheiten und täglichen Routinen wurden plötzlich von einem Tag auf den nächsten, radikal dadurch beeinflusst und verändert, wenn nicht gestoppt. Damit mussten erst einmal alle irgendwie zurechtkommen! Gesetze mussten geändert werden, Verhaltensempfehlungen abgegeben und danach deren Einhaltung kontrolliert werden, u. v. m.
Diese radikale Veränderung unseres Alltags traf uns mit voller Wucht, wie eine Welle kurz vor dem Strand, bevor sie bricht. Und die folgende Zeit war nicht minder hart: Einerseits die Isolierung von in Einzel-Haushalten lebenden Menschen, andererseits das enge Zusammenleben in den Familien und die damit einhergehenden Konflikte. Das Alleinsein von Senioren/innen in Einrichtungen, die nicht besucht werden durften, die verschobenen geplanten Operationen, um Intensivbetten für Corona-Patienten/innen zu haben, usw. haben uns beeinflusst und ein Stück weit kollektiv traumatisiert. Wie wichtig sind dann zur Aufarbeitung, zum Wiederankommen oder zum Neuorientieren nach dieser ersten Pandemie-Welle das Schildern persönlicher Wahr-nehmungen und das Erzählen eigener Erlebnisse über den persönlichen Umgang mit dieser Zeit? Es waren nicht nur gesunde Menschen davon stark betroffen, wenn sie erzählen, dass sie ihre Kinder plötzlich zu Hause unterrichten mussten oder das alles nur für die ältere Generation gemacht zu haben. In diesem Buch erzählen Menschen mit Behinderung, chronischer oder psychischer Erkrankung davon, wie sie diese Zeit erlebt haben. Sie geben Einblick, wie sie teils als Risikogruppe gelebt haben, wie sie mit Lebensmitteln versorgt wurden oder eigene Angehörige unterstützen mussten, die plötzlich Hilfe benötigten. Wie plötzlich Besuchsverbote und Freiheitsbeschränkungen ausgesprochen wurden und wie es den Anschein hat, dass jahrelang erkämpfte Rechte zeitweilig ihre Gültigkeit verloren haben, angesichts der Sorge, dass uns die Pandemie mit voller Wucht treffen würde.
Was macht es mit Menschen, die bereits chronisch krank sind oder eine Behinderung haben, wenn dann plötzlich und zusätzlich noch eine Pandemie ‚tobt‘ und den vertrauten Alltag unmöglich macht? Wir haben viel darüber nachgedacht und schließlich unser Buch-Projektteam gegründet: Fünf Personen (Mitarbeiter/innen aus verschiedenen Geschäftsfeldern) haben sich nach der ersten Welle getroffen, um alle in der ASSIST zu mobilisieren, um sich gemeinsam an das Thema Covid-19 heranzuwagen und darüber zu schreiben, zu illustrieren und zu reden. Wir haben aus dem anfänglich bunt gemischten Mosaik an Beiträgen schließlich redaktionell eine Timeline erstellt. Das heißt, wir haben alle Texte und Bilder in eine zeitliche Abfolge verpackt und kapitelweise thematisch sortiert, um die gesammelten Emotionen, Eindrücke und Aufschreie der jeweiligen Zeitspanne (IN der ersten Corona-Welle, NACH der ersten Welle, usw.) aufzureihen. Es ist ein stimmiges Gesamtbild entstanden: Wie haben wir zu jener Zeit gedacht? Wie denken wir heute über diese Zeit? Was denken wir über eine Zukunft mit oder nach Corona?
Was uns aufgefallen ist: Die Berichterstattung in den Medien über Menschen mit Behinderung in Krisenzeiten wurde von sehr vielen Mitwirkenden dieses Buches unzureichend erlebt. Hier hätte man sich mehr Aufmerksamkeit gewünscht.
Die allgemeinen Informationen in den Medien bzgl. präventiver Maßnahmen in der Corona-Zeit wurden als verständlich und klar wahrgenommen, also durchaus positiv betrachtet.
Unsere Autoren/innen, Fotografen/innen und Illustratoren/innen sind vorwiegend Menschen mit Behinderung. Die Beitrag-Geber/innen sind in allen Geschäftsfeldern der ASSIST in Betreuung, in Wien und in Niederösterreich, in der Tagesstruktur, in der Berufsqualifizierung und -integration oder im Betreuten Wohnen. Wir hatten das Gefühl, dass Menschen mit Behinderung in der Corona-Krisenzeit viel zu wenig Beachtung erhalten haben und in der Fülle und Berichterstattung über alle „Helden des Alltags“ und „Hauptrisikogruppen“ nur noch wenig Raum und Platz für diese Personen war. Deswegen haben wir dieses Buch erstellt. Um auf Menschen mit Behinderung in Krisenzeiten bewusst auf ihre Bedürfnisse, Risiken und Herausforderungen in Corona-Zeiten aufmerksam zu machen. Ihre Anteilnahme, ihre Verantwortung, ihr Mitgefühl und Mit-Leid, auf all das, was in den Medien und aufgrund der ‚großen Themen‘ dieser Tage leider kaum Platz gefunden hat. Wir möchten mit diesem Buch Menschen mit Behinderung (auch in Krisenzeiten) im Sinne von Inklusion und gemäß der UN-Konvention für Menschen mit Behinderung mitten in der Gesellschaft teilhaben lassen, sie wertschätzen und bewusst wahrnehmen.