27. November 1967 – kurz nach dem Ende des Sechstagekriegs schaut eine jüdische Exil-Familie in Paris die TV-Übertragung der berühmt gewordenen Pressekonferenz von General de Gaulle, in der er die Juden als ein »Elitevolk, herrschbegierig und selbstbewusst« bezeichnet: Fassungslosigkeit breitet sich bei den Eltern aus, die Jahre zuvor über Nacht den Orient hatten verlassen müssen.
Nathalie Azoulai kreiert um dieses schockierende Schlüsselerlebnis einen fein gewobenen Text, der mit seinen schillernden Erzählfäden der Textur jenes dunkel leuchtenden Etuikleides gleicht, das die Mutter ihre Nachbarin Maria zu nähen beauftragt – scheint ihr doch nichts wichtiger zu sein, als in die nachgeschneiderten Kleider der großen Hollywood-Filmdiven schlüpfen zu können, wie in deren glänzende, von Leidenschaft und Stolz geprägte Rollen.
Ihr dreizehnjähriger von Sprachen besessener Sohn jedoch, der de Gaulle bislang als Held verehrte und unter seinem Bett Berichte über ihn gesammelt hat, beginnt den »Retter Frankreichs« zu hinterfragen, denn er spürt, dass etwas ins Wanken geraten ist. Immer wieder befragt er seine Mutter nach dem Grund ihres Exils, nach dem Moment, da sie wusste, dass sie ihr Land verlassen muss, erhält aber nur schemenhafte Erinnerungsfetzen zur Antwort. Bis er eines Nachts mithören wird, wie sie Maria von ihrer Vergangenheit erzählt …
In »Die Zuschauer« verknüpft Nathalie Azoulai Momente unerfüllter Leidenschaft und gut gehüteter Geheimnisse mit der magischen Illusionsmaschine Hollywoods und dem unbedingten Wahrheitsanspruch eines Kindes zu einer schillernden Erzählung über Identität und Exil.
Aktualisiert: 2023-03-23
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27. November 1967 – kurz nach dem Ende des Sechstagekriegs schaut eine jüdische Exil-Familie in Paris die TV-Übertragung der berühmt gewordenen Pressekonferenz von General de Gaulle, in der er die Juden als ein »Elitevolk, herrschbegierig und selbstbewusst« bezeichnet: Fassungslosigkeit breitet sich bei den Eltern aus, die Jahre zuvor über Nacht den Orient hatten verlassen müssen.
Nathalie Azoulai kreiert um dieses schockierende Schlüsselerlebnis einen fein gewobenen Text, der mit seinen schillernden Erzählfäden der Textur jenes dunkel leuchtenden Etuikleides gleicht, das die Mutter ihre Nachbarin Maria zu nähen beauftragt – scheint ihr doch nichts wichtiger zu sein, als in die nachgeschneiderten Kleider der großen Hollywood-Filmdiven schlüpfen zu können, wie in deren glänzende, von Leidenschaft und Stolz geprägte Rollen.
Ihr dreizehnjähriger von Sprachen besessener Sohn jedoch, der de Gaulle bislang als Held verehrte und unter seinem Bett Berichte über ihn gesammelt hat, beginnt den »Retter Frankreichs« zu hinterfragen, denn er spürt, dass etwas ins Wanken geraten ist. Immer wieder befragt er seine Mutter nach dem Grund ihres Exils, nach dem Moment, da sie wusste, dass sie ihr Land verlassen muss, erhält aber nur schemenhafte Erinnerungsfetzen zur Antwort. Bis er eines Nachts mithören wird, wie sie Maria von ihrer Vergangenheit erzählt …
In »Die Zuschauer« verknüpft Nathalie Azoulai Momente unerfüllter Leidenschaft und gut gehüteter Geheimnisse mit der magischen Illusionsmaschine Hollywoods und dem unbedingten Wahrheitsanspruch eines Kindes zu einer schillernden Erzählung über Identität und Exil.
Aktualisiert: 2023-03-23
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Spricht man in Frankreich von der Liebe, kommt man früher oder später auf Jean Racine, den größten Tragödienautor Frankreichs – vor allem wenn man von jener Liebe spricht, der kein glückliches Ende beschert ist. Und doch ist Racine
mehr als all die geflügelten Worte, zu denen viele seiner Verse geworden sind. Zwischen all dem klassisch weißen Marmor lauern die Schatten.
»Eine Trennung ist keine Nichtigkeit", schreibt Racine im Vorwort zu seiner Tragödie Bérénice – und Nathalie Azoulai nimmt ihn beim Wort. Ihre Bérénice, eine Frau des 21. Jahrhunderts, wird verlassen; Titus, ihr Liebhaber, kehrt zurück zu Frau und Familie. Und tatsächlich – die Worte Racines sind ihr ein Trost; sie erkennt sich in ihnen wieder; sie bedient sich wie in einem »Selbstbedienungsladen für Liebeskranke". Doch wie konnte ein Mann des 17. Jahrhunderts so treffend über die Liebe und das Leid und den Schmerz nach deren Ende schreiben – zumal aus der Perspektive einer Frau?
Mit Bérénice taucht Azoulai ein in das Leben Jean Racines, zeigt dessen Aufstieg vom Waisenkind im strengen Kloster Port-Royal zum Günstling Ludwigs XIV., die Zerrissenheit zwischen der jansenistischen Askese und dem Prunk am Hof des
Sonnenkönigs. Und immer sind ihm Sprache und Literatur Anker und Kompass: die verbotenen und im Verborgenen gelesenen Texte Vergils und Heliodors als Kind und die Suche nach neuen Ausdrucksformen der Liebe und Leidenschaft als
immer erfolgreicherer Dichter.
Nathalie Azoulai spiegelt ihre Bérénice der Gegenwart in der Lebensgeschichte ihres Schöpfers und dessen éducation sentimentale im Schmerz seiner Figur, Bérénice. Und so wird dieser berückend schöne und filigrane Text zu weit mehr als
einer Biographie oder einem historischen Roman: Nathalie Azoulai zeigt die Universalität der Leidenschaft und des Kummers über die Jahrhunderte hinweg und beschreibt so eine Topographie der Sprache der Liebe.
Aktualisiert: 2022-12-23
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Spricht man in Frankreich von der Liebe, kommt man früher oder später auf Jean Racine, den größten Tragödienautor Frankreichs – vor allem wenn man von jener Liebe spricht, der kein glückliches Ende beschert ist. Und doch ist Racine
mehr als all die geflügelten Worte, zu denen viele seiner Verse geworden sind. Zwischen all dem klassisch weißen Marmor lauern die Schatten.
»Eine Trennung ist keine Nichtigkeit«, schreibt Racine im Vorwort zu seiner Tragödie Bérénice – und Nathalie Azoulai nimmt ihn beim Wort. Ihre Bérénice, eine Frau des 21. Jahrhunderts, wird verlassen; Titus, ihr Liebhaber, kehrt zurück zu Frau und Familie. Und tatsächlich – die Worte Racines sind ihr ein Trost; sie erkennt sich in ihnen wieder; sie bedient sich wie in einem »Selbstbedienungsladen für Liebeskranke«. Doch wie konnte ein Mann des 17. Jahrhunderts so treffend über die Liebe und das Leid und den Schmerz nach deren Ende schreiben – zumal aus der Perspektive einer Frau?
Mit Bérénice taucht Azoulai ein in das Leben Jean Racines, zeigt dessen Aufstieg vom Waisenkind im strengen Kloster Port-Royal zum Günstling Ludwigs XIV., die Zerrissenheit zwischen der jansenistischen Askese und dem Prunk am Hof des
Sonnenkönigs. Und immer sind ihm Sprache und Literatur Anker und Kompass: die verbotenen und im Verborgenen gelesenen Texte Vergils und Heliodors als Kind und die Suche nach neuen Ausdrucksformen der Liebe und Leidenschaft als
immer erfolgreicherer Dichter.
Nathalie Azoulai spiegelt ihre Bérénice der Gegenwart in der Lebensgeschichte ihres Schöpfers und dessen éducation sentimentale im Schmerz seiner Figur, Bérénice. Und so wird dieser berückend schöne und filigrane Text zu weit mehr als
einer Biographie oder einem historischen Roman: Nathalie Azoulai zeigt die Universalität der Leidenschaft und des Kummers über die Jahrhunderte hinweg und beschreibt so eine Topographie der Sprache der Liebe.
Aktualisiert: 2020-04-09
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