Seine Lyrik besticht. Wortkombinationen, die eigen und doch so elementar verständlich scheinen: Johannes Kühn (*1934) zählt zu den führenden, lebenden Dichtern unserer Zeit, der seine Schriftkunst aus einer ungebrochenen Schrittlust im Überlandgehen schöpft. Der bibliophile Band vereint Gedichte der letzten beiden Jahrzehnte mit Kühns vielfach noch unbekanntem zeichnerischen Werk.Johannes Kühn, aus einer saarländischen Bergmannsfamilie mit neun Kindern stammend, ist ein Ausnahmelyriker. Er vermag es, erlebte Augenblicke in überraschenden Sprachbildern zum Ereignis werden zu lassen. 2004 mit dem Friedrich-Hölderlin-Preis ausgezeichnet, sind seine Werke in mehrere Sprachen übersetzt. Seine Poesie schenkt Zufriedenheit und entführt in eine hoffnungsvolle Welt. Eine Auswahl seiner Filzstiftzeichnungen, die Kühn v. a. in einer Zeit des Schweigens zwischen 1984 und 1992 anfertigte, begleiten den Leser auf dieser Reise.
Aktualisiert: 2023-04-15
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Wie soll man den 80. Geburtstag von Johannes Kühn feiern? Francis Berrar, ein Freund und Be
gleiter, regte an, Zeichnungen des Dichters, die bisher kaum beachtet wurden, in einer Ausstellung
zu zeigen. Den Zeichnungen haben wir im Katalog eine Hommage von Freunden zu seinem Geburtstag beigefügt. Es sind Würdigungen des langen lyrischen Schaffens des Poeten. Die Gedichte sind hauptsächlich bei Hanser, auch bei Keicher und Gollenstein erschienen und wurden in den Feuilletons als eigene Stimme der „klassischen Moderne“ (Literaturwerkstatt Berlin) gewürdigt. Der Maler und Zeichner blieb vielen Bewunderern seiner Gedichte unbekannt. In zwei Ausstellungen soll dem Betrachter das zeichnerische Werk von Johannes Kühn nahegebracht werden. Im Kunstverein Dillingen sind als Kern der Ausstellung einige bedeutsame Kopfzeichnungen von ihm zu sehen, und Arbeiten anderer Künstler treten mit diesen in einen spannungsreichen Dialog ein.
Um die Eigenart seiner Zeichnungen weiter zu erkunden, wird parallel eine zweite Ausstellung im
Museum Haus Ludwig, Saarlouis, mit dem Titel „Dreh dich im Kopf, meine Sonne Hoffnung“ gezeigt.
In der Vergangenheit haben immer wieder Kunsthistoriker wie auch Künstler auf die Bedeutung des zeichnerischen Œuvres von Kühn aufmerksam gemacht. Zuletzt Günter Metken, der im Jahre 2000 damit begonnen hatte, Zeichnungen zu sammeln, um sie in einem Katalog zu veröffentlichen und zu kommentieren. Durch den plötzlichen Tod von Metken wurde dieses Projekt abgebrochen.
Seitdem ist es Francis Berrar, der immer wieder auf die Bilder von Johannes hingewiesen hat und
beharrlich deren hohe zeichnerische Qualität beschreibt. Einen kleinen Einblick in das zeichne
rische Werk gab er schon in der Galerie Kulas, Saarlouis 1995, und im Kunstverein Dillingen im
Alten Schloss 2009 (Vorsitzender war seinerzeit der KühnFörderer Gerhard Leonardy).
Dazu erschien ein reichhaltiger Katalog („Johannes Kühn. Zeichnungen1984 – 1992“. Warmbronn,
Verlag Ulrich Keicher).
Davor gab es schon 1993 eine von Isabelle Federkeil, Roswitha Wolf und Joachim Ickrath aus
gerichtete allererste Ausstellung im Zwinger zu St. Wendel unter dem Titel „Traumbilder. Zeichnungen eines Dichters“.
Johannes Kühn, nach seiner Motivation zum Malen befragt, antwortet: „Ich habe gemalt, um mich
zu regenerieren – hochverrückt und bizarr gemalt“ (13.3.2008). Er sieht in seinem Malen einen
Akt der Befreiung von den Anforderungen, denen er sich beim Dichten ausgesetzt sah. Er wollte
davon Abstand gewinnen. Den Reichtum seiner Phantasiewelten bändigte er nun mit rascher
Hand und dem lebhaften Spiel mit den Farben. Er, der keine Malschule durchlaufen hat, suchte,
ohne sich an Regeln zu binden, nach dem freien Ausdruck. Er tat es ekstatisch. Das Ergebnis war
eine ihn selber überraschende Bilderfülle. In einem Interview von 2009 stellte er seinen damaligen
Wechsel von der Dichtung zur Malerei so dar: „… ich male und bin mal gespannt, was dabei herauskommt. Es ist vielleicht eine große Erholung, und das verklungene und ausgelöschte Temperament kann sich regenerieren. Vielleicht, dass ich dann wieder zum Dichten komme und das klappt dann wieder.“ (Aus dem Interview mit Francis Berrar unter dem pfiffigen Titel „Hat ein Baum einen zu hohen Ast“. Nachzulesen im KeicherBand.)
Natürlich nahm er andere Maler wahr, Anklänge tauchen bei ihm auf, sie erfahren aber eine Anverwandlung in den Kosmos seiner Vorstellungen. Wie seinem Körper das schweifende Gehen wohl tat, und der dabei gewonnene freie Atem den Rhythmus seiner Gedichte hervorbrachte, so half ihm die ausgreifende Bewegung seiner Hand das andrängende Ausdrucksverlangen zu entbinden. Die sich auf dem Papier „hochverrückt und bizarr“ entfaltenden Phantasiegeburten erleichtern sein Gemüt, zünden in seinem Kopf ein „gütiges Feuer“. Er blieb in den achtziger Jahren überwiegend beim Malen, weil er dadurch Regeneration erfuhr. Ab 1992 hat er dann wieder, nach einem Klinikaufenthalt, seinen Schaffensschwerpunkt aufs Dichten verlegt und kaum noch gemalt.
So wie Johannes seine Gedichte mit wenig Sorgfalt im Schrank verstaut hat, so tat er es auch mit
seinen Bildern. Oft hat er sie an Freunde verschenkt. Ausstellung wie Katalog dürften Johannes mit vielen Bildern überraschen, weil er sich kaum noch an sie erinnern wird.
Die angefügten Würdigungen der Freunde und Kenner seines Schaffens mögen ihm die Wertschätzung seiner Person wie seines Werkes bezeugen.
Irmgard und Benno Rech
Aktualisiert: 2023-01-09
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