Um in früheren Zeiten auf ferne Reisen gehen zu können, benötigte man ausreichende Hinweise zur Reiseroute mit guten Ratschlägen für Unterkunft und genaue Wege- und Ortskenntnisse mit Hilfe von Karten und Schriften. Im Mittelalter waren geographische Hilfsmittel kaum oder gar nicht vorhanden, erst im deutschen Renaissancehumanismus des 15. und 16. Jahrhunderts konnte man auf verschiedene Reisematerialien zugreifen. Epochal wirkte die erfolgreiche Erfindung der neuen Buchdruckerkunst durch Johann Gutenberg aus Mainz (um 1540). Das in beweglichen Lettern aus Metall gedruckte Buch löste die manuell kopierte Handschrift ab und ermöglichte die rasche, technische Vervielfältigung der Manuskripte.
Am Anfang der Reisetexte stehen Auszüge aus der „Kurze(n) Beschreibung Deutschlandes“ von Johannes Cochlaeus aus dem Jahr 1512. Seine „Brevis Germaniae descriptio“ enthält geographische und teilweise kulturelle Einzelinformationen über Länder, Städte und Naturzustände und beschreibt erstmals zusammenhängend ganz Deutschland. Der Nürnberger Humanist Cochlaeus verfasste dieses Werk ursprünglich zu Schulzwecken, in der praktischen Nutzung bot die Beschreibung darüber hinaus für Interessierte eine ausgezeichnete kulturelle Bildung. Als Orientierung diente Cochlaeus die Reisekarte des Nürnberger Erhard Etzlaub, welche dieser 1501 anfertigte. Als Gewährsmänner nahm er auch antike Autoren zur Hilfe. Eigene persönliche Landeskenntnisse wurden von ihm eingefügt.
Der ausgewählte Text bezieht sich auf die Stadt Nürnberg sowie auf das nördliche und westliche Deutschland. Unter Norddeutschland verstanden die Geographen um 1500: „Zweierlei nördliche Landesteile. Im nördlichen Gebiet gibt es folgende Länder: einmal im Inland Meißen, Thüringen, Sachsen, Altmark und Neumark sowie die Lausitz ferner Hessen und Westfalen; andererseits am Meer Preußen, Pommern, Holstein, die kimbrische Halbinsel und Friesland“.
Zum westlichen Deutschland wurden gezählt: die Ostfranken mit den Bischofsstädten Bamberg und Würzburg. Unter der Diözese Bambergs standen u. a. die Städte Forchheim, Hollfeld und Kronach. In der Nähe, aber unter sächsischer Herrschaft, lag Coburg. Der Würzburger Bischof regierte über Kitzingen, Königshofen, Ochsenfurt, Karlstadt und über etwa weitere 25 Städte. Die Städte Miltenberg und Aschaffenburg unterstanden dagegen dem Mainzer Bischof. Kaiserliche Städte (freie Reichsstädte) waren Windsheim, Rothenburg an der Tauber, Schweinfurth und die bekannte Handelsstadt Frankfurt am Main, „wo alljährlich die Kaufleute Süd- und Norddeutschlands zweimal im Jahr zusammenkommen“ und natürlich Aachen, Elsaß, Geldern, Hessen, Hunsrück, Jülich, Köln, Trier, Westfalen, Friesland u. a.
Reisen selbst war im Mittelalter nicht ungefährlich. Auf ungeebneten, ungepflasterten Waldwegen konnte man allerhand Volk begegnen, Gefahren lauerten aber nicht nur dort. Wer es vermochte, schloss sich daher zu seiner eigenen Sicherheit und der seiner Reisegüter einer Reisegesellschaft an.
Besonders Kaufleute zogen in geschlossenen Karawanen unter dem Schutz des vom Landesherrn erkauften Geleits zu Handelsmessen durchs Land. Wandernde Handwerksgesellen warteten oft tagelang auf Mitgefährten, bis sie gemeinsam zur nächsten Stadt weiterziehen konnten.
Und doch waren die Wege nicht menschenleer. Seit dem Ende der Kreuzzüge war auch unter dem Volk die Wanderlust aufgekommen. Bänkelsänger und Possenreißer, welche in den mittelalterlichen Gesetzbüchern als rechtlos abgestempelt wurde, zog es im 15. und 16. Jahrhundert quer durchs Land. Als Träger des Volksgesangs, als Bärentänzer, Feuerspucker, Springer und Lustigmacher fanden sie in den Städten jedoch nicht mehr ohne weiteres Aufnahme.
Zu den „Wanderkünstlern“ gesellte sich die große Schar der von Land zu Land ziehenden heimatlosen Bettler. Irgendwo erhofften sie sich ein Leben unter einem festen Dach, ohne Hunger und Kleidungsmangel. Mitunter waren unterwegs als Bittsteller Mönche der verschiedensten Bettlerorden anzutreffen.
Auch die Söldnerheere ließen nach schweren Kriegszeiten in Massen entlassene Landsknechte zurück. Ausgediente Soldaten waren Plünderungen gewöhnt und versuchten auf die alte Art den Lebensunterhalt zu sichern.
Hinzu kamen auf den Straßen wohl Gauner aller Art wie Schatzgräber und Wunderdoktoren. Nicht zu vergessen die Zigeuner, welche in großen Banden durch Westeuropa zogen und Haus und Hof unsicher machen konnten.
Eine andere Gruppe herumziehenden Volks waren seit der Mitte des 15. Jahrhunderts die fahrenden Schüler. Unter vielen jungen Leuten der ärmeren Schichten entstand im Ausgang des Mittelalters der Wunsch, durch Gelehrsamkeit und Bildung in einen besseren Stand zu kommen. Ausreichend Bücher waren noch nicht vorhanden und häufig befand sich die Schulausbildung am Heimatort in einem unzureichenden Zustand. Junge Männer wanderten in fremde Länder und Städte, um dort zu lernen und Schul- oder Studienabschlüsse zu erreichen. In der Regel besuchten „Anfänger“ eine Lateinschule, als Grundlage für einen späteren Universitätsbesuch. Die Stadtschulen oder Schulen kirchlicher Stifte nahmen die Fremden in der Regel auch auf, gaben ihnen eine Schlafstätte, aber um ihren Lebensunterhalt mussten sich die jungen Schüler selbst kümmern. Ansonsten hielt man sie im Allgemeinen zur Disziplin im Lernen an oder erlaubte ihnen das Betteln nur in vorgeschriebenen Stadtteilen, wie in Nürnberg 1478 und Würzburg um 1490.
Junge Leute mit höheren Bildungsabschlüssen wanderten dagegen von Universität zu Universität. In der Regel war ihr Studienaufenthalt an der Hochschule nicht lang, er dauerte etwa ein Jahr.
Auf diesen gelehrsamen Wanderschaften erwiesen sich einige Schüler als feinsinnige Beobachter der Dinge und schrieben über ihre Reisen und Aufenthalte Tagebuch.
Mit dem Bericht des fahrenden Schülers Michael Franck aus Frankfurt an der Oder beginnt die erste historische Reise. Der Verfasser gehörte einer Frankfurter Bürgerfamilie an und war am 30. Januar 1569 in Tzschetzschnow, einem kleinen Dorf südwestlich der Oderstadt, geboren worden. Michael Franck studierte kurzzeitig an der Frankfurter Universität und unternahm nach Ausbruch der Pest in den Jahren 1585 – 1592 vier Reisen nach Wien, Dänemark, Sachsen und Italien. Auf seiner zweiten Reise, nach Dänemark, führte ihn der Weg durch Pommern und Mecklenburg. Seine Rückreise ging über Lübeck, Hamburg, Lüneburg, Braunschweig und Magdeburg.
Wir begleiten Michael Francks Reisen von Gartz in Pommern ins mecklenburgische Rostock und nach nach Hamburg. Michael Franck erzählte die Dinge, die ein Reisender und Fremder wohl immer aufnimmt: Reiseweg, Unterkunft, Essen und Trinken, dann die Beschreibung der Sehenswürdigkeiten der Stadt und die für ihn auffallenden Gewohnheiten der Bürger. Er bewunderte die bunten Uniformen bei der Musterung der Rostocker Bürgerschaft z. B. und war erstaunt über das großzügige Verhalten in den Badestuben. Für den Studenten fanden Universität und Kirchen besondere Aufmerksamkeit.
Hamburg war für Michel Franck eine „feine große und wohlgebaute Stadt, … mit tiefen Graben, hoher Stadtmauer und Bollwerk geschützt, und … mit vier vornehmen Hauptkirchen“ ausgestattet: St. Nikolai, St. Petri, St. Laurentii und St. Johannes. Er lobte Hamburg wegen der schönen Plätze und Märkte. Zu den Märkten herrschte reges Treiben. Auf denen ausländische Kaufleute, insbesondere niederländische Händler reichlich vertreten waren. Die modisch gekleideten Hamburger Frauen wurden gewürdigt und das Hamburger Bier wurde als Königin unter den Weißbieren gerühmt.
Auf die zweite historische Reise führt uns etwa dreißig Jahre später der Augsburger Patrizier, Diplomat und Kunstkenner Philipp Hainhofer (1578-1647). Er war im Jahr 1617 auf dem weiten Weg von Augsburg nach Stettin zum Hof des pommerschen Herzogs Philipp II. unterwegs. In seinem Reisewagen führte er den vom Augsburger Handwerk angefertigten wertvollen, dreigeschossigen Kunstschrank aus Ebenholz mit sich.
Philipp Hainhofer besaß eine äußerst feinfühlige Beobachtungsgabe, mit geschickter Feder hinterließ er ein historisch interessantes Reisetagebuch. Wir begleiten Hainhofer von Augsburg über Nürnberg nach Berlin.
Nürnberg war seinerzeit eines der großen deutschen Handels- und Kulturzentren, wenn nicht gar das Bedeutendste. An Architektur war Nürnberg kaum von einer anderen deutschen Stadt zu überbieten.
In Nürnberg entwickelte sich Ende 15. bzw. Anfang 16. Jh. der deutsche Humanismus. Der menschliche Geist gewann an Freiheit und konnte die Reformation mit vorbereiten. Man wandte sich den Idealen der Antike zu und ließ sie neu aufleben. Mit Neugier wurde das Interesse an Unbekanntem und Fremdem geweckt.
Über Berlin wird von Hainhofer ausführlich berichtet, von der Ankunft vor Ort und erste bauliche Eindrücke hervorgehoben. Drei Stadttore werden beschrieben: das Spandauer Tor, St. Georgen-Tor und das Stralauer Tor. Das erste Stadttor hat seinen Namen von der Festung Spandau erhalten, das zweite ist nach dem Hospital St. Georg benannt und das dritte Tor heißt so wegen dem nahe gelegenen Dorf Stralau.
In Berlin stehen vier Kirchen, davon sind zwei Hauptkirchen, jeweils den beiden Stadtteilen zugehörend, Berlin und Cölln, wobei jede Kirche ihre eigenen Prediger hat. Die Marien-Kirche auf dem neuen Markt hat drei Prediger; in St. Nikolai auf dem Fischmarkt predigen vier Pfarrer, die dritte Kirche ist im Kloster, die vierte Kirche liegt am Spandauer Tor/Heilige Geist-Straße. Bei ihr befindet sich ein Hospital, daran schließt ein Kirchhof an, auf welchem drei Linden stehen …
Über die Spree führen zwei Brücken, von einer Stadt zu der andern; die eine beim Schloss; die andere auf dem Mühlendamm, allda zu beiden Seiten stattliche Mühlen stehen, die der Herrschaft gehören, und nicht allein in das Hoflager alles Brot, sondern noch einen ansehnlichen Überschuss geben …
Auf der nächsten historischen Reise stehen Städte und ihre Kunststätten im Mittelpunkt. 1701 unternahm der Graf Albrecht Siegmund von Rindsmaul in Begleitung des Freiherrn Ferdinand von Mallenstein und eines Doktor Böklin aus Wien eine weite Fahrt nach den Niederlanden, die auf der Route zu bedeutenden deutschen und europäischen Städten wie Berlin, Prag, Dresden, Magdeburg, Münster, Osnabrück, Wolfenbüttel oder Utrecht führte. Sein Reisetagebuch beschreibt berühmte Schlösser und Kulturstätten wie das Berliner, Dresdner oder Wolfenbütteler Schloss und ihre Kunstkammern, Rüstkammern und Naturalienkabinette …
Die Handschrift aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts gelangte 1904 in das Germanische Nationalmuseum Nürnberg und wurde vom Kunsthistoriker Alfred Hagelstange (1874-1914) übertragen und im „Archiv für Kulturgeschichte“ 1905 veröffentlicht.