Die systemische Sklerose (SSc) ist eine entzündlich-rheumatische Systemerkrankung, welche aufgrund unterschiedlicher Einflussfaktoren überzufällig häufig mit einer verminderten Knochenmineraldichte assoziiert ist. Während dieser Zusammenhang infolge einer inkonsistenten und teilweise widersprüchlichen Datenlage in den 90er und Anfang der 2000er Jahre immer wieder Anlass für Diskussionen war [3], verdichtete sich in den vergangenen 10 Jahren die wissenschaftliche Evidenz für dessen Richtigkeit [309, 310]. Unklar war jedoch, ob signifikante Unterschiede in puncto Knochendichte zwischen Patienten mit limitierter SSc einschließlich des CREST-Syndroms und diffuser SSc bestehen, da hier die Datenlage mehr als lückenhaft ist. Vorliegende Studie hat sich unter anderem mit dieser Fragestellung beschäftigt. Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit galt darüber hinaus dem Einfluss laborchemischer und genetischer Faktoren auf den Knochenstoffwechsel bei SSc-Patienten. Neben einer Bestimmung von Kalzium und Vitamin D wurden hierfür die Knochenstoffwechselmarker Osteocalcin (Knochenanbau) und β-Crosslaps (Knochenabbau) aus Blutproben bestimmt, wobei die Blutentnahmen aufgrund der sensiblen Präanalytik standardisiert wurden. Relevante Schilddrüsen- oder Nierenfunktionsstörungen wurden bei der Auswertung der Daten berücksichtigt. Als genetische Marker dienten die Vitamin D-Rezeptorpolymorphismen BsmI und FokI, welche aus der DNA peripherer Leukozyten bestimmt wurden. Alle Patienten erhielten eine Knochendichtemessung mittels DXA.
Insgesamt 83,5% der untersuchten SSc-Patienten (68 Frauen, 11 Männer; Durchschnittsalter 66,3 Jahre; range 35-92 Jahre) zeigten eine Minderung der Knochendichte, was einer höheren Prävalenz als in altersvergleichbaren Kontrollgruppen und der Größenordnung, wie sie in o.g. Studien vorbeschrieben wurde, entspricht [309, 310]. 31,6% der Patienten wiesen eine t-score < -2,5 und somit nach WHO Definition eine Osteoporose auf, 51,9% der Patienten hatten einen t-score zwischen -2,5 und -1,0 und somit eine Osteopenie. Nur 16,5% der untersuchten SSc-Patienten hatten eine normale Knochendichte.
Die gemessenen biochemischen Veränderungen der SSc-Patienten sind weit weniger beeindruckend als die der Knochendichte. Weder für die Knochenstoffwechsel-parameter Kalzium und Vitamin D (25-OH-Vitamin D) noch für die Knochenan- und
-abbaumarker Osteocalcin und β-Crosslaps konnte ein signifikanter Zusammenhang mit der Knochendichte und/oder der Sklerodermieform (limitiert / diffus) hergestellt werden. Dies unterstreicht die Bedeutung der genannten Messwerte als Verlaufsparameter und nicht als diagnostische Marker [312, 313]. Diese Verlaufsbeobachtung war jedoch nicht das Ziel der vorliegenden Arbeit, sodass die hier erhobenen Werte lediglich den Status quo zu einem definierten Zeitpunkt widerspiegeln, was bei deren Interpretation zu berücksichtigen ist. Künftigen Untersuchungen bleibt es vorbehalten, mögliche Veränderungen des Kalzium- oder Vitamin D-Spiegels im Krankheitsverlauf durch serielle Messungen aufzuspüren. Die Erschwernis hierbei ist, dass der Organismus imstande ist, beispielsweise die Kalziumhomöostase trotz störender Einflussfaktoren lange aufrecht zu erhalten. Kommt es dennoch zu einer echten Hypo- oder Hyperkalzämie, wird diese klinisch häufig apparent und weitere diagnostische und therapeutische Maßnahmen müssen eingeleitet werden. Eine Langzeitbeobachtung ohne die therapeutischen Einflussgrößen ist dann nicht mehr möglich. Auch ein relevanter Vitamin D-Mangel würde, aufgrund des additiven Osteoporoserisikos, bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen immer eine Substitutionstherapie nach sich ziehen und wäre damit einer unbeeinflussten Verlaufsbeurteilung nicht mehr zugänglich.
Von den 11 Patienten mit einer Hyperkalzämie hatten in der vorliegenden Arbeit 10 Patienten eine Minderung der Knochendichte. Eine Bestimmung des Gesamteiweißes oder des ionisierten Kalziums zum Ausschluss einer Pseudohyperkalzämie erfolgte nicht, muss jedoch als möglicher Störfaktor in Betracht gezogen werden, wobei ein erhöhtes Gesamteiweiß bei SSc-Patienten eher untypisch wäre. Geht man von echten Hyperkalzämien aus, würde dies für eine vermehrte Utilisation von Kalzium aus dem Knochen und damit für ein vermehrtes Osteoporoserisiko bei SSc-Patienten sprechen. Dem steht entgegen, dass es sich bei der Bestimmung des Kalziums, wie oben bereits erwähnt, lediglich um eine Momentaufnahme handelte und nicht um einen Durchschnittswert des Serum-Kalzium-Spiegels. Zum anderen wiesen nur 13,9% der untersuchten Patienten eine milde Hyperkalzämie auf, sodass sich, zumindest bei vorliegender Probandenzahl, keine statistische Signifikanz für einen Zusammenhang mit der Knochendichte ergab.
Insgesamt 29 SSc-Patienten wiesen einen Mangel des 25-OH-Vitamin D, also der Speicherform des Vitamin D, auf, wovon 7 Patienten ein ausgeprägtes Defizit (< 10 µg/l) hatten. Die Patienten mit nachgewiesenem Vitamin D-Mangel zeigten keine statistisch signifikanten Unterschiede bezüglich der Knochendichte im Vergleich mit den SSc-Patienten, welche einen normalen Vitamin D-Spiegel aufwiesen. Auch bezüglich der Sklerodermieform unterschieden sich die Patienten mit niedrigerem Vitamin D-Spiegel nicht von dem Rest des Patientenkollektivs. Es kann also postuliert werden, dass der Vitamin D-Spiegel eine Knochendichteminderung bei SSc-Patienten nicht vorherzusagen vermag, zumindest nicht besser, als dies bei Gesunden der Fall ist. Hier ist bekannt, dass ein langfristig bestehender Vitamin D-Mangel eine Knochenmineralisationsstörung hervorruft, welche zu einer Erweichung des Knochens im Sinne einer Osteomalazie führen kann. Ob SSc-Patienten mit langfristigem Vitamin D-Mangel in gleichem Maße osteomalazisch werden wie Gesunde, ist bislang nicht untersucht worden. In Anbetracht des chronisch-entzündlichen Prozesses, welcher der Erkrankung zugrunde liegt und unter Berücksichtigung der Störungen im Kalziumstoffwechsel ist jedoch davon auszugehen, dass Mineralisationsstörungen am Knochen eher evident werden, als bei Gesunden.
SSc-Patienten mit einer Knochendichteminderung hatten tendenziell niedrigere OC-Spiegel, was, analog zur rheumatoiden Arthritis (RA) [259], einen verminderten Knochenanbau vermuten lässt. Das Gleichgewicht zwischen Knochenan- und –abbau scheint bei der SSc daher leicht in Richtung Abbau verschoben. Statistisch waren diese Ergebnisse jedoch nicht signifikant, sodass kein eindeutiger Zusammenhang zwischen den Osteocalcin-Spiegeln und der Knochendichte oder der Sklerodermieform objektiviert werden konnte. Keiner der untersuchten Patienten wies erhöhte CTX-Spiegel auf, sodass die Entstehung einer Osteoporose auf dem Boden eines gesteigerten Kollagenabbaus unwahrscheinlich ist. Wie weiter ober bereits diskutiert, ist zu vermuten, dass der chronisch-inflammatorische Prozess in Bezug auf den Knochen weniger aggressiv verläuft als beispielsweise bei der RA, sodass eher eine Störung des Knochenanbaus im Vordergrund steht.
Schilddrüsenhormone wirken, neben einer Vielzahl weiterer Funktionen, als Regulatoren der Proliferation und Differenzierung von Knochenzellen [265]. In der vorliegenden Studie ergab sich kein Hinweis für eine Häufung von Hypothyreosen bei SSc-Patienten. Keiner der Patienten wies eine klinisch apparente, behandlungsbedürftige Schilddrüsenfunktionsstörung auf. Des Weiteren konnte kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen den TSH-Spiegeln und der Knochendichte oder der Sklerodermieform festgestellt werden. Zusammenfassend konnten in dieser Studie keine Einflüsse der Schilddrüsenfunktion auf die Knochendichte bei SSc-Patienten festgestellt werden.
Bei eingeschränkter Nierenfunktion führt eine Abnahme der 1α-Hydroxylase-Aktivität zu einem Absinken des 1,25-Dihydroxy-Vitamin D-Spiegels. In Folge entsteht eine Hypokalzämie mit konsekutivem (sekundären) Hyperparathyreoidismus [279]. Nur knapp 14% der SSc-Patienten hatten eine leichte bis moderate Erhöhung des Serum-Kreatinins und damit eine Funktionseinschränkung der Niere. Dies entspricht der Größenordnung, wie sie altersvergleichbar für die Allgemeinbevölkerung angenommen wird [314]. Ein Zusammenhang zwischen der Nierenfunktion und der Knochendichte oder Sklerodermieform konnte statistisch nicht festgestellt werden, sodass für die Entstehung einer Osteoporose auf dem Boden einer renalen Osteopathie bei SSc-Patienten aktuell kein Anhalt besteht.
Erhöhte BSG- und CRP-Werte sprechen bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen häufig für eine Prozessaktivität, welche zytokinvermittelt den Knochenstoffwechsel beeinflusst, einen Knochenmasseverlust hervorruft und schließlich mit einem erhöhten Frakturrisiko einhergeht [284]. In der vorliegenden Studie hatten Patienten mit diffuser SSc signifikant höhere CRP-Werte als Patienten mit limitierter SSc. Dieses Ergebnis deckt sich mit Voruntersuchungen, da das häufigere Auftreten von Organmanifestationen bei diffuser SSc auch häufiger mit einer Erhöhung der humoralen Entzündungsaktivität assoziiert ist [287]. Ein Anhalt für eine Assoziation zur bestehenden Knochendichteminderung ergab sich jedoch nicht.
Durch Mutter-Tochter- und Zwillingsstudien wurde bereits in den 80er und 90er Jahren eine erbliche Komponente der Osteoporoseentstehung belegt [192, 293, 295, 296]. Insbesondere für Polymorphismen des Vitamin D-Rezeptor-Gens [7] aber auch für Polymorphismen des Östrogen-Rezeptor-Gens und des Collagen-I-alpha1-Gens konnten Assoziationen mit der Knochendichte nachgewiesen werden [315]. Bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen scheint vor allem den Vitamin D-Rezeptorpolymorphismen in Bezug auf die Knochendichte eine besondere Bedeutung zuzukommen. So zeigten Patientinnen mit RA einen rascheren Verlust der Knochenmasse wenn sie homozygote Trägerinnen der Schnittstellen für die Taql-Restriktionsendonuklease (tt-Genotyp) waren im Vergleich mit deren Fehlen (TT-Genotyp) [302]. Bei männlichen Patienten mit ankylosierender Spondylitis (AS) war das Vorliegen eines FokI-Polymorphismus signifikant mit einer niedrigeren Knochendichte an der LWS, nicht aber am Schenkelhals, assoziiert. Das Vorliegen eines Fokl-Polymorphismus wurde zudem als unabhängiger Prädiktor für niedrigere BMD-Werte identifiziert [158, 220].
Ein Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit lag nun auf dem Nachweis der VDR-Gen-Polymorphismen Fokl und Bsml bei SSc-Patienten sowie auf deren mögliche Assoziation mit der Knochendichte. Erstmalig konnte ein statistisch signifikanter Zusammenhang des VDR-Gen-Polymorphismus Fokl mit einer niedrigeren Knochendichte an der Lendenwirbelsäule bei Patienten mit SSc nachgewiesen werden. Analog zur AS weisen Patienten mit SSc eine niedrigere Knochendichte an der LWS auf wenn sie homozygote Träger der Schnittstelle für die Restriktionsendonuklease Fokl sind. Eine genetische Untersuchung auf einen Fokl-Polymorphismus bei SSc-Patienten zur besseren Einschätzung des Osteoporoserisikos und ggf. frühzeitiger Einleitung therapeutischer Maßnahmen sollte, nach Kosten-Nutzen-Analyse, erwogen werden.
Neuere Studien belegen einen Zusammenhang zwischen dem Vorliegen einer SSc und einer Minderung der Knochendichte [310]. Von Interesse war daher in der vorliegenden Arbeit, ob sich Unterschiede bezüglich der Knochendichte zwischen limitierter (einschließlich CREST-Syndrom) und diffuser Form der Systemsklerose objektivieren lassen. Insgesamt bestand bei 83,5% der Patienten eine Minderung der Knochenmineraldichte, was deutlich über der Prävalenz der Osteoporose in der Normalbevölkerung liegt [316]. Für die unterschiedlichen Sklerodermieformen ergab sich eine tendenziell niedrigere Knochendichte bei Patienten mit diffuser SSc, ein signifikanter Unterschied konnte jedoch nicht nachgewiesen werden.
Anhand der vorliegenden Daten sollte bei Patienten mit SSc, unabhängig von deren Typ, eine osteologische Basisdiagnostik erfolgen, um eine Knochendichteminderung frühzeitig detektieren und ggf. behandeln zu können. Zudem ist eine genetische Analyse des Vitamin D-Rezeptor-Polymorphismus Fokl zu erwägen, da dieser bei SSc-Patienten für eine geringere Knochendichte und somit für die Entwicklung einer Osteoporose mit konsekutiv erhöhtem Frakturrisiko prädisponiert.