Die hypoxische pulmonale Vasokonstriktion (HPV) ist ein lebenswichtiger physiologischer Mechanismus, welcher die Perfusion der Lunge an den aktuellen Sauerstoffpartialdruck in den Alveolen anpasst. Während dieser Vorgang bei lokalem Auftreten vor einer lebensbedrohlichen Sauerstoffarmut des Blutes schützen kann, führt er bei einem Auftreten in der gesamten Lunge zu einer Einengungen des Lungengefäßbettes, und somit zu einer Erhöhung des pulmonalarteriellen Druckes. Unter chronischen Bedingungen führt Hypoxie zusätzlich unter anderem zu einer vermehrten Muskularisierung der präkapillären Lungenarterien sowie einer erhöhten Steifheit der Pulmonalarterie. Diese Veränderungen verursachen eine Erhöhung des pulmonalarteriellen Widerstandes, welcher wiederum zu einer Erhöhung des pulmonalarteriellen Druckes und einer Rechtsherzbelastung führt. Bei längerem Auftreten bedingt dieser Druckstimulus eine Rechtsherzhypertrophie und schlussendlich eine Rechtsherzdilatation und –versagen. Eine Reihe von Erkrankungen verschiedener Ätiologien, denen eine Erhöhung des pulmonalarteriellen Druckes gemein ist, wird unter dem Begriff pulmonale Hypertonie (PH) zusammengefasst. Geeignete Therapeutika zur Heilung dieser proliferativen Erkrankung der Lungengefäße wurden bisher trotz intensiver Forschung nicht gefunden, aktuell ist lediglich eine Verlangsamung des Verlaufes möglich. Die Reaktion der Lunge auf Hypoxie wird seit Jahren intensivst erforscht, da man hofft, über die Entdeckung von Faktoren, die unter Hypoxie zu PH führen, auch andere PH-Formen beeinflussen zu können. Als die Hauptfaktoren für den erhöhten pulmonalarteriellen Druck (PAP) unter Hypoxie werden die andauernde hypoxische pulmonale Vasokonstriktion, die erhöhte Muskularisierungsgrad der kleinen Lungengefäße, eine erhöhte Steifheit der Pulmonalarterie sowie der erhöhte Hämatokrit gesehen. Die zugrundeliegenden molekularbiologischen Vorgänge sind aber nicht abschließend geklärt.
In den letzten Jahren sind bei der Erforschung der in der Pathogenese der PH involvierten Signalwege vermehrt reaktive Sauerstoffspezies (ROS) mitochondrialer Genese in den Fokus geraten. Die kleinen, reaktiven Moleküle sind dafür bekannt, den Energiemetabolismus, die intrazelluläre Signaltransduktion, die Genexpression sowie die Apoptose zu beeinflussen. Trotz der Kontroverse, ob diese unter Hypoxie hoch- oder herabreguliert werden, wird die Annahme einer essentiellen Beteiligung der ROS an der Detektion eines verminderten alveolaren Sauerstoffgehaltes und der Signalweiterleitung allgemein akzeptiert.
Die in dieser Arbeit untersuchten mitochondrialen Proteine p66shc sowie Cyclophilin D (CypD) werden erstmals in Hinblick auf ihre Beteiligung an der Pathogenese der PH untersucht. In verschiedenen Untersuchungen wurde bereits gezeigt, dass diese die intrazelluläre ROS-Konzentration beeinflussen können. P66shc entzieht zur ROS-Generierung Elektronen aus der Elektronentransportkette, und CypD kann über die Beteiligung an der Induktion einer Permeabilitätsänderung der Mitochondrienmembran einen Anstieg von ROS verursachen. Dabei kann die Permeabilitätsänderung durch eine ROS-Erhöhung ausgelöst werden, aber auch die p66shc-vermittelte ROS-Produktion kann durch einen leichten ROS-Anstieg anderer Genese induziert werden. Beide Proteine sind über die Interaktion mit der mPTP auch an der Regulation der Apoptose beteiligt. Um die Rolle dieser Proteine in Hinblick auf die Reaktion der Lungengefäße auf Hypoxie beurteilen zu können, wurden p66shc- und CypD-defiziente Tiere sowie C57BL/6J-Wildtypkontrollen im Modell der isoliert ventilierten und perfundierten Lunge (ILU), sowie der Hypoxie-induzierten PH untersucht. Zusätzlich wurden p66shc/CypD- Doppelknockouttiere zur Beurteilung der Interaktion dieser Zielproteine untersucht. Dabei wurde erwartet, dass gemäß der Hypothese, dass es unter Hypoxie zu einem Anstieg an ROS kommt, die Deletion der Zielproteine zu einer verminderten HPV sowie PH-Ausprägung führt, und die Deletion beider Proteine einen additiven Effekt aufweist. Mögliche anti-apoptotische Effekte auf die glatten Gefäßmuskelzellen könnten allerdings die Entwicklung der PH auch fördern.
In den Untersuchungen der ILU zeigte sich eine Verminderung des basalen Druckes und der Vasokonstriktion unter Stimulation mit Hypoxie und Kaliumchlorid in den gendefizienten Mäusen. Des Weiteren war der rechtsventrikuläre systolische Druck (RVPES) bei allen gendefizienten Tieren sowohl nach Normoxie- wie auch nach Hypoxieexposition erniedrigt. Im Falle von p66shc war die Druckminderung spezifisch für den Lungenkreislauf, wohingegen bei den CypD-Tieren auch der systemische Kreislauf einen geringeren Druck aufwies. Weder das „Remodeling“ der distalen Lungengefäße noch die Erhöhung der „Stiffness“ der proximalen Lungengefäße erschienen in den Hypoxie-exponierten gendefizienten Tieren verändert. Das rechte Herz zeigte die übliche Rechtsherzhypertrophie nach Hypoxieexposition in allen Tieren, wobei sich bei den p66shc-Tieren Hinweise auf ein leicht vermindertes Rechtsherzgewicht bezogen auf das Körpergewicht zeigte.
Molekularbiologisch konnte keine Regulation der Proteine p66shc oder CypD in der Lunge und auch im Herz nach Hypoxieexposition gezeigt werden.
Weiter zeigte sich, dass die Gendeletion beider Proteine keinen additiven Effekt auf die Ergebnisse hatte.
In Untersuchungen von pulmonalarteriellen glatten Gefäßmuskelzellen, welche als Sensor- und Effektoreinheit der Detektion des verminderten alveolaren Sauerstoffes gelten, konnte gezeigt werden, dass diese Zellen auf eine Stimulation mit Kaliumchlorid (analog zu den ILU-Experimenten) hin mit einer verminderten Calciumausschüttung reagierten.
Zusammenfassend zeigte sich in sowohl dem Modell der ILU als auch der Hypoxie-induzierten PH ein verminderter Vasotonus der pulmonalen Zirkulation, der nur im Falle der p66shc-gendefizienten Tiere spezifisch für die Lungenstrombahn war. Hinweise auf morphologischen Veränderungen in der Lungenstrombahn der gendefizienten Mauslinien ergaben sich dabei nicht. Vielmehr scheint eine Veränderung des pulmonalarteriellen Vasotonus durch einen veränderten Calciumhaushalt zugrunde zu liegen. Weiterhin ergaben sich Hinweise auf einen möglicherweise nur geringen oder keinen additiven Effekt durch die Gendefizienz beider Proteine, eventuell dadurch, dass die Proteine in einem gemeinsamen Signalweg wirken.
Durch die in dieser Arbeit ermittelte selektive Beeinflussung des Lungenkreislaufes, und die eventuelle Beeinflussung der Hypertrophie des rechten Ventrikels ist p66shc ein interessantes Ziel für die Suche nach geeigneten therapeutischen Ansätzen zur Behandlung der PH.
Aktualisiert: 2019-08-14
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