Umbauen, Anpassen, Wiederverwenden – diese Formen von Archi-tektur sind so alt wie die Architektur selbst. Erst mit der Industriali-sierung der Bauwirtschaft und dem Siegeszug der Moderne Anfang des 20. Jahrhunderts versank die Architektur des Umbauens für Jahrzehnte in der Bedeutungslosigkeit. Abriss und Neubau waren von nun an die erste Wahl, Erhalt und Umbau nur die zweite.Heute haben sich die Vorzeichen geändert. Das reformerische Po-tenzial der Moderne hat sich erschöpft, und die Bauindustrie ist zu einem ökologischen Problemfall geworden, weil sie mehr Ressour-cen verschlingt als jeder andere Wirtschaftszweig. Doch während unvermindert neu gebaut wird, stehen ältere Gebäude vermehrt zur Disposition, allen voran die häufig ungeliebten Bauten der Nach-kriegszeit: Warenhäusern gehen die Kunden aus, Kirchen verlieren ihre Gottesdienstbesucher und der Aufstieg des Homeoffice lässt Büroimmobilien verwaisen. Oft sind es nur einzelne Gebäude, manchmal aber auch ganze Stadtgebiete, die eine neue Zukunft brauchen. Mal sind es Wohngebiete in strukturschwacher Lage, in denen sich die Leerstände häufen, mal sind es die vom Online-Han-del und der Corona-Krise gebeutelten Innenstädte.Unser baulicher Bestand ist inzwischen zu einer gigantischen La-gerstätte herangewachsen, die riesige Mengen an Rohstoffen, aber auch an Erinnerungen, Atmosphären und Spuren der Vergangenheit bindet. Es sind steingewordene Zeugnisse einer gemeinsamen Geschichte, die für eine nachhaltige Entwicklung unserer Städte ebenso bedeutsam sind wie die in den Bauwerken gebundenen Rohstoffe.Diese Ressourcen zu nutzen ist nicht nur ein Gebot der Vernunft, sondern birgt auch ungeahnte architektonische Potenziale, wie immer mehr zeitgenössische Umbauprojekte beweisen. Ihre Archi-tektinnen und Architekten gehen selbstbewusst und experimen-tierfreudig mit dem Vorgefundenen um und liefern überraschende Antworten auf die Fragen unserer Zeit. Für die Architektur des 21. Jahrhunderts bedeutet der Umbau nichts weniger als einen Para-digmenwechsel.
Aktualisiert: 2023-02-23
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Die Geschichte der europäischen Stadt ist durch ständigen Wandel geprägt. Bauliche Reaktionen auf gesellschaftliche Brüche, verursacht durch Naturkatastrophen, Seuchen oder Kriege, haben die Stadt in Europa durch die Jahrhunderte zum Zivilisationsmotor entwickelt. Damit einher ging das Versprechen von wirtschaftlicher Unabhängigkeit, sozialem Zusammenhalt und individueller Freiheit.
Fundamentale Herausforderungen wie der Klimawandel konfrontieren Städte heute mit Veränderungen, die die Kontinuität und Nachhaltigkeit der ethischen Grundlagen städtischer Lebensformen in Frage stellen. Mutige und entschlossene Schritte sind erforderlich.
Inwieweit können Maßnahmen des Städtebaus, der Landschaftsplanung und der Architektur die notwendigen Veränderungsprozesse befördern? Wie können in der Stadt etwaige mit der Umstellung von Lebensstilen verbundene Verluste kompensiert, neue Technologien integriert, neue Verhaltensformen eingeübt und letztlich zu einer funktionierenden Kultur sublimiert werden?
Die Mitglieder der Sektion Baukunst der Akademie der Künste, Berlin und ihre eingeladenen Gäste aus ganz Europa stellen anhand von Projekten, Visionen und Manifesten ihre Positionen vor. Essays ausgewählter Autorinnen und Autoren ergänzen den praktischen Diskurs aus unterschiedlichen Blickwinkeln.
Herausgegeben von Tim Rieniets, Matthias Sauerbruch und Jörn Walter im Auftrag der Akademie der Künste, Berlin.
Mit einem Fotoessay von Erik-Jan Ouwerkerk.
Aktualisiert: 2023-03-23
Autor:
Fritz Auer,
Thomas Auer,
Klaus Bollinger,
Arno Brandlhuber,
Michael Bräuer,
Steffen Braun,
Winfried Brenne,
Kees Christiaanse,
Martin Düchs,
Jenny Erpenbeck,
Annette Gigon,
Christoph Grafe,
Almut Grüntuch-Ernst,
Guido Hager,
Peter Haimerl,
Naomi C. Hanakata,
Thomas Herzog,
Regine Keller,
Karla Kowalski,
Anne Lacaton,
Pierre Laconte,
Regine Leibinger,
Hilde Léon,
Jeanine Meerapfel,
HG Merz,
Günter Nagel,
Florian Nagler,
Anh-Linh Ngo,
Fuensanta Nieto,
Erik-Jan Ouwerkerk,
Britta Peters,
Irina Raud,
Edzard Reuter,
Tim Rieniets,
Ian Ritchie,
Matthias Sauerbruch,
Hans Joachim Schellnhuber,
Jörg Schlaich,
Helmut C. Schulitz,
Thomas Sieverts,
Enrique Sobejano,
Volker Staab,
Christiane Thalgott,
Kjetil Trædal Thorsen,
Marco Venturi,
Jörn Walter,
Wilfried Wang,
Marc Weissgerber,
Harald Welzer,
Frank Rolf Werner
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