Ein interdisziplinäres Handbuch zur Geschichte der politischen Bildpublizistik
Zur Identität des 'alten' Europas an der Schwelle zur Moderne gehört eine internationale, tendenziell demokratische Bildkultur, die von den gegenrevolutionären und den nationalstaatlichen Bewegungen des 19. Jahrhunderts verdrängt wurde und heute in ihrer Fülle wie auch in ihrem langfristigen inneren Zusammenhang fast vergessen ist. Es handelt sich um die länderübergreifende politische Symbolsprache vielfältiger visueller Topoi auf den Ereignis-, Sinn- und Spottbildern der von Kunst- und Fachhistorikern vernachlässigten Gebrauchsgraphik oft namenloser Künstler.
In didaktischer Absicht stellte dieselbe z.B. komprimiert dar, was 'Despotismus' und 'Freiheit' sei, wie sich 'Fortschritt' und 'Reaktion', Pressefreiheit und Zensur zueinander verhielten, wie die politische Gesinnung sich in Physiognomie, Körper und Kleidung ausdrückte, worin sich die 'bürgerliche-' und die 'rote Republik' unterschieden. Zudem politisierte sie die Rolle traditioneller religiöser und mythologischer Gestalten wie den 'hl. Georg' und 'Diogenes' und prägte neue Symbolfiguren wie den 'Aristokrat', den 'Sansculotten' und den 'Blusenmann'. In der Französischen Revolution aus älteren und aktuellen Elementen geformt, verbreitete sich diese politische Zeichensprache im Laufe eines Jahrhunderts europaweit mittels der zunehmend massenhaft produzierten Printmedien – fliegende Blätter, illustrierte Journale etc. –, und zwar auf dem Wege anspielungsreicher Bild-Filiationen in Form von wörtlichen Zitaten, Adaptationen oder polemischen Verkehrungen, die sich am besten anhand einzelner Bildmotive verfolgen lassen.
Dies unternehmen die sechzig Autorinnen und Autoren des LRI in 120 detailliert dokumentierten Aufsätzen. Sie basieren auf einem gemeinsamen ikonographischen Bildcorpus, das mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft aus zahlreichen Sammlungen zusammengetragen wurde und als Datenbank online zur Verfügung steht. Das dreibändige Werk wird durch Titel-, Künstler- und Personenregister sowie einen Index rerum erschlossen.
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INHALT
Vorwort
MEDIUM REVOLUTIONSGRAPHIK: Wolfgang Cilleßen & Rolf
Reichardt
I. Die Französische Revolution – ein bildpublizistisches
Medienereignis:
Paris "mit Kupferstichen behangen" – Wege der
internationalen Verbreitung – Reproduktion, Transformation,
Zirkulation
II. Visuelle Revolutionserinnerung im 19. Jahrhundert:
Technisch-publizistischer Kontext – Facetten des
\tlqf{}Bilddiskurses Revolution\trqf{}
III. Produzenten und Rezipienten der Druckgraphik:
Auftraggeber und Initiatoren – Künstler – Graphikverleger
und -händler – Subskription – Kundenansprache und
Produktwerbung – Produktdiversifizierung – Bildlegenden –
Zielgruppen und Kundendiversifizierung – Verkaufs- und
Rezeptionsorte – Aneignungsformen
IV. Bildgattungen und Publikationsformen:
Ereignisbild – Porträt – Sinnbild – Karikatur –
Publikationsformen
V. Memoria
Ein neues politisches Bildbewußtsein – Illustrierte
Revolutionsgeschichten – Interpikturalität und Performanz:
Mediale Facetten und Formen der Bilderinnerung
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BEREICHE UND VERFAHREN DER REVOLUTIONSGRAPHIK IM ÜBERBLICK
Graphiksammler: Thomas Stammers
Ikonographischer Bildungskanon: Martin Miersch
Kartenspiele: Alberto Milano
Verwandlungsgraphik: Wolfgang Cilleßen
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ZUR BILDPUBLIZISTIK EINZELNER LÄNDER
Deutschland: Rainer Schoch
Frankreich: Rolf Reichardt & Raimund Rütten
Grossbritannien: David Bindman
Italien: Sandro Morachioli
Niederlande: Frans Grijzenhout
Schweiz: Philippe Kaenel
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THEMEN & MOTIVE
Abgeordneter: Martin Miersch
Adler: Detlef Hoffmann
Affe: Martin Miersch
Albtraum: Fabian Stein
Altar: Martin Knauer
Arcimboldiana: Pierre Wachenheim
Aristokrat: Barbara Stentz
Aufklärung: Frans Grijzenhout
Auge: Saskia Wiedner
Bäcker: Martin Miersch
Barbier: Martin Miersch
Barrikade: Rolf Reichardt
Bastille: Rolf Reichardt
Blitz: Christian Fuhrmeister
Britannia, John Bull: Dorothee Gerkens
Brüderlichkeit: Emmanuel Fureix
Büsten, Figurenverkäufer: Alberto Milano
Club: Rolf Reichardt
Constitution: Timothy Clayton & Rolf Reichardt
Demokratie: Raimund Rütten
Denkmal: Martin Miersch & Rolf Reichardt
Diogenes: Klaus Herding
Dreieck: Jennifer Jessen & Fabian Stein
Eid: Martin Knauer
Einzug: Werner Telesko
TEILBAND II
Emigrant: Philippe de Carbonnières
Erbrechen: Claudia Hattendorff
Esel: Alberto Milano
Europa: Rolf Reichardt
Exekution: Martin Miersch
Fackel: Andras Grünes
Fest: Hans-Ulrich Thamer
Francia, Marianne: Raimund Rütten
FrauenEmanzipation: Gay L. Gulickson
Freiheit: Moritz F. Jäger & Christian Michel
Freiheitsbaum: Emmanuel Fureix
Freiheitsmütze: Bärbel Schmidt
Germania, Deutscher Michel: Bettina Brandt
Gleichheit: Claudia Hattendorff
Globus: Andreas Grünes
Guillotine: Hubertus Kohle & Rolf Reichardt
Haar- und Huttracht: Isabella Belting
Harlekin: Alberto Milano
Haupt auf der Pike: Rolf Reichardt
Held, Heldin: Detlef Hoffmann & Martin Miersch & Rolf
Reichardt
Herkules: Martin Warnke
Infantilisierung: Martin Miersch
Italia: Ina Brandt
Janus: Frans Grijzenhout
Kannibalen: Martin Miersch
Kehraus, Besen: Bettina Frederking
Kelter, Presse: Barbara Stentz
Kerker, Gefängnis: Martin Miersch & Christina Oberstebrink
Klerus, Kirche: Martin Miersch
Kokarde: Bärbel Schmidt
Krankheit: Grit Arnscheidt
Krebs: Moritz F. Jäger
Krieg: Martin Miersch
Krone: Heinz Duchhardt & Rolf Reichardt
Landkarte: Lena Voigt
Lastträger: Rolf Reichardt
Laterne: Andreas Grünes
Leichenzug: Verena Kümmel
Licht/Finsternis: Martin Miersch & Hendrik Ziegler
Löschhut: Rolf Reichardt
Löwe: Fabian Stein
Maske: Gabriele Mentges & Martin Miersch
Massaker: Christine Vogel
Mode, Kleidung: Martin Miersch
Monstrum: Andreas Grünes
Napoleonhut: Rolf Reichardt
Nationalgarde: Fabian Stein
TEILBAND III
Nationalvergleich: Martin Miersch
Parlament: Detlef Hoffmann
Phaeton: Martin Miersch
Pickelhaube: Ursula E. Koch
Politische Typen: Martin Miersch
Pressefreiheit/Zensur: Anna Karla
Publizistik: Raimund Rütten
Puppentanz: Eva Maria Knels
Reaktion: Moritz F. Jäger
Republik: Raimund Rütten
Revolution: Rolf Reichardt
Revolutionär: Pascal Dupuy & Rolf Reichardt
Rot: Rolf Reichardt
Ruine: Nina Dubin
Scatologica: Alberto Milano
Schatten: Susanne Bosch-Abele
Schwein: Martin Miersch
Seifenblasen: Fabian Stein
Skelett: Richard Taws
Sklave: Melanie Ulz
Spiegel: Saskia Wiedner & Rolf Reichardt
Spiel, Spieler: Alberto Milano
Spinne: Martin Miersch
Staatsschiff, Staatswagen: Armin Owzar
Terreur: Rolf Reichardt & Hans-Ulrich Thamer
Teufel: Martin Miersch
Thron: Fabian Stein
Tiere: Martin Miersch
Trikolore: Guillaume Mazeau
Triumphzug/Schandzug: Christine Tauber
Unter einem Hut: Gitta Ho
Volk: Nathalie Jakobowicz
Vulkan: Monika Wagner
Waage, Wippe: Pascal Dupuy
Wahlen: Gian Luca Fruci & Sandro Morachioli
Wappen: Fabian Stein
Zeit: Boris Roman Gibhardt
Zoomorphe Figuren: Martin Miersch
Züchtigung: Martin Miersch
Zukunft: Raimund Rütten
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ANHÄNGE
1. Redaktionelle Hinweise
2. Abkürzungen
3. Graphische Sammlungen
4. Siglen
5. Bibliographie
6.1. Bildtitel-Register
6.2. Künstler-Register
6.3. Personen-Register
6.4. Motiv- und Sachregister
Aktualisiert: 2020-06-25
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Die Deutsche Revolution von 1848/49 gilt gemeinhin als bürgerliche Revolution, in der die Bestrebungen demokratisch-nationalistisch gesinnter Kreise des Bürgertums auf einen deutschen Nationalstaat mit einem Parlament und einer Verfassung zielten. Parallel dazu erhob sich aber nahezu überall in Deutschland auch die Landbevölkerung, die durch Hungersnöte und Missernten gebeutelt war und eine Verbesserung ihrer Lebensverhält-nisse herbeiführen wollte.
Auch in der kleinen, im preußischen Kreis Wetzlar gelegenen Standesherrschaft Solms-Braunfels brachen im Frühjahr 1848 Unruhen aus. Sie hatten für die Bevölkerung spürbare Folgen und prägten die Verhältnisse in der Standesherrschaft nachhaltig. Der Fürst leistete auf einen Teil seiner angestammten Rechte und Privilegien Verzicht, die Aufständischen mussten zum Teil lange Haftstrafen hinnehmen, und das Verhältnis zwischen Herrschaft und Bevölkerung blieb auf lange Zeit belastet. Auch die Einwohner der Stadt Wetzlar waren von dem Konflikt betroffen, da sich die dortigen Demokraten aufseiten der Braunfelser Bauern engagierten. Diese Ereignisse sind heute beinahe vollständig in Vergessenheit geraten, und auch wissenschaftlich fanden sie bisher kaum Beachtung.
Diese Lücke wird durch die vorliegende Untersuchung geschlossen, indem sie die Ge-schehnisse in Solms-Braunfels umfassend aufarbeitet. Auf der Grundlage intensiver Quellenrecherchen in zahlreichen Archiven werden die Hintergründe und Ursachen des Aufstands ebenso untersucht wie dessen mittel- und unmittelbare Folgen. Das Geschehen wird exemplarisch in den größeren historischen Zusammenhang gestellt. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den aufständischen Gemeinden: Welche Beweggründe hatten sie? Wie koordinierten sie den Aufstand? Was haben sie schließlich erreicht und welche Konsequenzen mussten sie tragen? Der „Sturm auf Braunfels“ im März 1848, mehr als vergleichbare Agrarunruhen in den süddeutschen Standesherrschaften durch Emotionen geprägt, zeugt von den Anfängen einer „demokratischen“ Kultur auf dem Lande. Beson-ders aufschlussreich und als authentisches Zeitdokument wertvoll ist der Briefwechsel eines zur Festungshaft verurteilten aufständischen Bauern mit seiner Familie, der im Anhang transkribiert abgedruckt ist und ein trauriges Schicksal offenbart.
Aktualisiert: 2020-02-03
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