Montag, 2.April in der Karwoche 2007, Seecafé Gmunden am Traunsee - ein Drehort aus der beliebten Fernsehserie „Schlosshotel Ort“:
Mein Mobiltelefon klingelt - ach ja, ich hatte vergessen, es auszuschalten an diesem kalten Urlaubstag. Nur keinen Ärger an diesem Morgen! Nach kurzem Zögern entschließe ich mich dennoch, das Gespräch anzunehmen. „Spreche ich mit Frau Irene Heise persönlich?“, meldet sich eine engagierte Frauenstimme. „Ich darf Ihnen gratulieren!“
Die Mitarbeiterin des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur am Wiener Minoritenplatz hat eine Neuigkeit für mich: „Im Namen unseres Bundespräsidenten wird Ihnen der Berufstitel ‚Professorin’ verliehen! Als Termin wurde der 15.Mai festgesetzt, im großen Audienzsaal des Bundesministeriums, 14.00 Uhr. Geht das für Sie so in Ordnung?“
Es dauert eine Weile, bis ich wirklich begreife. „Es ist eine - vor allem für Frauen - seltene, hohe Auszeichnung für außerordentliche Leistungen auf dem Gebiet der Wissenschaft oder Kunst“, die Dame scheint den Text herunterzulesen, „Sie wird nach eingehender Prüfung vom Bundespräsidenten an Personen verliehen, die durch langjährige, herausragende Leistungen besondere Verdienste um die Republik Österreich erworben haben.“ Wie im Traum bekomme ich noch etwas mit vom positiven Fachgutachten einer inländischen Universität als Voraussetzung und dass die Vorgängerin der derzeitigen Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur, Elisabeth Gehrer, das diözesane Ansuchen befürwortet hat. Die Titelverleihung im Namen des Bundespräsidenten Heinz Fischer soll durch die derzeitige Ministerin, Claudia Schmied, erfolgen.
Der Urlaub gibt mir Zeit, meine Gedanken zu ordnen. Jahre ziehen vor meinem geistigen Auge vorüber. Es ist ein langer Weg gewesen, bis meine - anfangs noch mit Befremden und Berührungsängsten, ja zeitweilig offener Ablehnung quittierte - Pionierarbeit für KatholikInnen nach Scheidung und Wiederverheiratung gesellschaftliche Relevanz erfahren hat. Das Buch „EHE der Tod euch scheidet“ (6 Auflagen) hat mich bekannt gemacht; es sollte, als einleitendes Werk, den Vertretern der Amtskirche die komplexe, leidvolle Situation Betroffener erstmals in aller Deutlichkeit vor Augen führen. „Mit großer Sicherheit sage ich Ihnen zu“, hat mir der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl bereits 1994 garantiert, „dass Ihr vielfältiges Bemühen sicher Frucht tragen wird. Sie haben einen unüberhörbaren Anstoß gegeben., so dass Sie sich sagen können, der Kirche einen unersetzlichen Dienst geleistet zu haben.“ Viele haben gemeint (dies hatte ich allerdings vorausgesehen und bewusst in Kauf genommen), ich hätte weiter nichts zu bieten als eine, wenn auch gelungene Situationsanalyse und wäre mit diesem ersten Buch am Ende meiner Arbeit angelangt!
Weichenstellungen gelangen mir im Laufe der Jahre durch meine wissenschaftliche Arbeit an den Themen Empathie und Einfühlung bei Edith Stein an Hand deren phänomenologischer Dissertation in meinem Werk „Einführung in eine Theologie der Empathie“. Neben weiteren Werken habe ich in meinem Buch „Auch sie sind Kirche!“ sämtliche Themen, die die Problematik Scheidung und Wiederverheiratung betreffen, ausführlich erörtert; als Brückenbauerin zwischen Betroffenen und Amtskirche habe ich mich des Phänomens „Scheitern“ explizit theologisch und sozialwissenschaftlich angenommen, neue Wege im Umgang mit Betroffenen vorgeschlagen und zahlreiche Hilfen für die pastorale Praxis ausgearbeitet. Damit konnte ich, wie mir zahlreiche Zuschriften, Rezensionen und Veröffentlichungen beweisen, bereits echte Wegmarken setzen.
Daneben habe ich, zusammen mit meinem Mann Dieter, nach langjähriger, fundierter Ausbildung im Standard-Tanzsport als „Standard Stars“ den „Standardtanz im Dienst des Glaubens“ als neuen, spirituellen Ansatz für Paartherapie kreiert. Neben meinen Vorträgen und Workshops nehmen auch unsere Tanzmeditationen einen nicht unbedeutenden Platz in meinem Wirken ein.
Meine Gedanken kehren zu der angekündigten Würdigung zurück und bleiben am Datum hängen: 15.Mai 2007. Ist es einfach „Zufall“, dass der Termin exakt auf den Tag fällt, an dem ich, erst elfjährig, 40 Jahre zuvor gefirmt worden bin, am 15.Mai 1967? Schon Jahre zuvor, zur Zeit meiner Erstkommunion, hatte ich mich bewusst für den Glauben entschieden, die Person Jesu Christi in den Mittelpunkt meines Lebens gestellt. Und schon damals habe ich den dringenden Wunsch verspürt, mein Leben in den Dienst der Kirche zu stellen, nicht ahnend, welche Hürden ich würde nehmen müssen, um dafür die nötige „Formung“ zu erlangen! Jetzt habe ich es offenbar geschafft, nicht „nur“ in der Kirche, sondern auch in der Gesellschaft etwas zu bewirken - etwas, das nur ich leisten konnte, weil ihm meine ganz persönliche Anrufung Gottes zu Grunde liegt.
Dass ich meine Berufung in der Kirche immer klarer erkannte, verdanke ich meiner festen Überzeugung, dass, neben Krankheit und unverschuldeten Schicksalsschlägen, auch Scheitern von einer tiefen Sinngebung getragen und in der Vorsehung Gottes beheimatet ist. Und genau mit dieser Überzeugung stoße ich bis heute bei vielen in der Kirche auf Unverständnis; immer noch besteht gegenüber Scheitern, das nicht „rein aufgeht“, eine erstaunliche Hilflosigkeit, die sich dann in rigorosen, ja sogar lebenslänglichen Verboten niederschlägt. Es herrscht weitgehend Unverständnis, dass es vielen Menschen in ihrer Lebenslage - verschuldet oder unverschuldet - faktisch unmöglich ist, das „Beste“ zu tun, zum kirchlichen Ideal zurückzukehren!
Ein Tag im Sommer 2007: Wieder einmal ist mich ein Pfarrer besuchen gekommen, er leitet eine Pfarre im westlichen Niederösterreich und hat dazu immerhin 150 Kilometer auf sich genommen für dieses Gespräch. Eine gute Stunde lang darf ich anerkennende Worte hören, doch habe ich daneben den Eindruck, dass ihm noch etwas auf dem Herzen liegt, als er mich plötzlich fragt: „Ist Ihr Buch ‚EHE der Tod euch scheidet’ wirklich so authentisch, wie Sie behaupten? Ist es möglich, dass ein einzelner Mensch das alles erleben und aushalten kann, was Sie schreiben, ohne aus der Kirche auszutreten?“ Ich sehe ihn entgeistert an, einen Augenblick sprachlos. „Eigentlich habe ich versucht, in diesem ersten Buch an Hand des Schicksals einer fiktiven Person eine verträgliche Dosis zu wählen“, antworte ich ihm dann vorsichtig und begreife mit einem Schlag: Es wird notwendig sein, auch noch mehr zu tun!
Zurück in die Gegenwart, das Jahr 2014: Der Besuch des niederösterreichischen Pfarrers ist die Geburtsstunde gewesen der Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, hier vorliegenden Dokumentation meines bisherigen Lebens und mehr als 25-jährigen Wirkens. Inzwischen ist noch etwas ganz Entscheidendes geschehen: Ich habe mein bewährtes „Kompetenzforum Aufatmen für Scheitern, Scheidung und Wiederverheiratung in der Kirche“ (seit 2003) in eine neue Gemeinschaft eingliedern können: das „Geistliche Forum Katharina von Siena“, das im Jahr 2008 in die „Kirchlichen Bewegungen und neuen Geistlichen Gemeinschaften in der Erzdiözese Wien“ aufgenommen worden ist. Es ist, inzwischen erweitert zum „Spirituell-theologischen Zentrum Katharina von Siena“, möglicher Weise die einzige Erneuerungsbewegung in der Kirche, die vor allem für ChristInnen nach dem Scheitern ihrer Ehe und für wiederverheiratete Geschiedene geschaffen worden ist und als solche kirchlich eingegliedert werden konnte. Das Forum entspringt einer persönlichen Glaubenserfahrung mit der Kirchenlehrerin und Europa-Patronin Katharina von Siena im Januar 2006. Mehr als zwei Jahre lang durfte ich ihre Schriften studieren, wobei ich Katharinas Sakramententheologie besonderes Augenmerk geschenkt habe als bisher übersehene und äußerst kompetente, kirchliche Ressource für eine positive Wendung in der Sakramentenfrage für wiederverheiratete Geschiedene. „Caterina von Siena - Gebt ihnen zu ESSEN!“, ist das Werk mit mehr als 1.000 Zitaten Katharinas unmissverständlich betitelt, „Die mystisch-theologische Kompetenz der Kirchenlehrerin und Europa-Patronin für eine befreiende Sakramentenpraxis“.
Das Buch über die Sakramententheologie der hl.Katharina von Siena bedeutet für mich selbst die Krönung meiner Arbeit, die, wie schon die meisten meiner bisher veröffentlichten neun Bücher, an alle deutschsprachigen Diözesen, an alle Theologischen Fakultäten und Hochschulen, sowie an die meisten Klöster und Bildungshäuser im deutschen Sprachraum und darüber hinaus gelangt ist. Besonders bedeutsam ist es für mich, dass auch das deutschsprachige Mitglied des durch Papst Franziskus neu ernannten Kardinalsrates, der Münchener Kardinal Reinhard Marx, mein Buch persönlich angefordert und übernommen hat. Dass zudem Papst Franziskus die Weltkirche kürzlich mit der Einsicht überrascht hat, es genüge im Sinne der Barmherzigkeit Jesu Christi, im Leben „das Bestmögliche“ zu tun, was nicht immer das wirklich „Beste“ sein kann, wie etwa die gültige, kirchlich Eheschließung nach einer Scheidung, lässt für Betroffene, die sich aus Liebe zu Jesus Christus nach dem Sakramentenempfang sehnen, Hoffnung erblühen!
Noch steht eine definitive Änderung der kirchenrechtlichen Situation aus und somit auch ein echtes Erfolgserlebnis in der Kirche. Dass ich doch hier und dort wirklich etwas gut gemacht habe, etwas bewegen konnte, erfahre ich glücklicher Weise durch zahlreiche Rückmeldungen aus allen gesellschaftlichen Schichten. Wenn mich heute Menschen ansprechen, dann klingt fast immer Dankbarkeit durch: dass ich den Mut hatte, das Thema anzugehen in einer Zeit, in der es innerkirchlich noch tabu gewesen ist, und dass ich zweieinhalb Jahrzehnte durchgehalten und nicht aufgegeben habe. „Vielen Dank für Ihren Mut, so offen einzutreten für eine Gruppe von Menschen, die an den Rand der Kirche (oder sogar darüber hinaus) gedrängt werden. Das hat mich schon lange umgetrieben“, schreibt mir eine Provinzoberin aus Münster. Und ein Pfarrer aus der Diözese Linz offenbart sogar: „Ich bin sehr dankbar für Ihr Buch. Besonders für die Worte über die Barmherzigkeit Gottes - sie sind für viele Menschen in Vergessenheit geraten, und deshalb gibt es so viele Zweifel, auch unter uns Priestern. Ich sehe auch immer wieder, wie schwer es auch Priestern und Diözesanverantwortlichen fällt, an die Barmherzigkeit Gottes zu glauben, ihm zu vertrauen, und auch in schwierigen Situationen standhaft im Glauben an Gott zu bleiben. Ich wünsche Ihnen Gottes reichlichsten Segen in allem, was Sie Gutes tun.“
Es hat viele aufwühlende Erlebnisse gegeben, erfreuliche und schmerzhafte, von ihnen allen wird diese Dokumentation zu berichten wissen. Und ich habe viele interessante Menschen getroffen oder bin ihnen im Rahmen meiner Arbeit aufs Neue begegnet, nicht nur in Österreich. So kam es etwa zu einem Wiedersehen mit Erwin Steinhauer; beliebter Schauspieler, Kabarettist und überzeugter Wiener wie ich. Er war schon in Kindertagen mein Wegbegleiter gewesen, und sein Engagement beeindruckt. „Viele Künstler haben sich laut zu ihrem Österreich bekannt“, heißt es in Steinhauers Biografie, „und tun es, wenn sich die Gelegenheit bietet, noch immer. (.) Erwin Steinhauer hat nur ganz kurz sein geliebtes Wien verlassen, um im Düsseldorfer ‚Kom(m)ödchen’ zu spielen. Doch der Erfolg dort hat sein Heimweh nicht übertünchen können.“ (Helmuth A.Niederle, Erwin Steinhauer. Die Biografie, Molden Verlag, Wien 2007, 258f). Das Sich-Einbringen vor allem in der Heimat Österreich war auch mir stets ein Anliegen, obwohl vor allem Deutschand zu meinem Betätigungsfeld geworden ist. Ich habe nie aufgehört, daran zu glauben, dass ich es schaffen würde können, in der Kirche etwas zu verändern, obwohl sehr viele schon die Hoffnung aufgegeben und resigniert hatten.
Über viele Jahre war ein Kärtchen mit einem Zitat Reinhold Schneiders auf meinem Schreibtisch angebracht: „Der allein, der furchtlos ist in Christus, kann der Welt zum Heile werden. Auf diesen Furchtlosen wartet die Welt.“ Es hat mir immer wieder neue Kraft verliehen, wenn es Rückschläge gegeben hat. Von diesen Rückschlägen, wie auch von meinen Erfolgen wird auf den folgenden Seiten die Rede sein, von Balanceakten zwischen Reformbestrebungen und innerkirchlicher Akzeptanz, von erheblichen, negativen Auswirkungen auf unseren Sohn in Klosterschule und Pfarre, von Brüskierung, Demütigung und subtilen Versuchen, mich zum Schweigen zu bringen, sowie den immer neuen, ermutigenden Zeichen der Liebe und Zuwendung Gottes.
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Am Ziel - Im Arbeitsprozess der Bischofssynoden 2014 und 2015
Montag, 3.Februar 2014 - Kurienkardinal Walter Kasper ist persönlich am Telefon: „Schicken Sie mir bitte zwei Exemplare Ihres Buches ‚Caterina von Siena - Gebt ihnen zu ESSEN!’, eines für mich und eines für den Heiligen Vater Papst Franziskus.“ Es geht um die für Oktober 2014 angesetzte Außerordentliche Bischofssynode, für die der inzwischen emeritierte Kurienkardinal im Auftrag des Papstes ein Referendum zum Thema Ehe und wiederverheiratete Geschiedene ausarbeiten soll. Meine Analysen zur Sakramententheologie der hl.Katharina von Siena sollen helfen, theologische Grundlagen zu erstellen für eine Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten Buße und Kommunion nach Prüfung des jeweiligen Einzelfalles.
Kardinal Kasper ist einer jener Bischöfe, die bereits im Jahr 1993 (damals als Diözesanbischof des Bistums Rottenburg-Stuttgart), gemeinsam mit den beiden anderen Bischöfen der Oberrheinischen Kirchenprovinz, Kardinal Karl Lehmann, Mainz, und Diözesanbischof Oskar Saier, Freiburg, in einem Hirtenbrief einen Vorstoß „Zur seelsorglichen Begleitung von Menschen aus zerbrochenen Ehen, Geschiedenen und Wiederverheirateten Geschiedenen“ gewagt hatten, in dem es auch um eine schrittweise Wiederzulassung zu den Sakramenten Buße und Kommunion gegangen war. Wie bekannt, ist der Inhalt dieser Überlegungen damals im Vatikan auf Ablehnung gestoßen.
Der Auftrag des Papstes an Kardinal Kasper ist besonders bemerkenswert, da dieser bis zu seiner kürzlichen Emeritierung Mitglied der Glaubenskongregation und des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte der Katholischen Kirche gewesen war! Es ist also sehr nahe liegend, dass es Papst Franziskus nicht nur um „Kosmetik“ in dieser Frage geht, sondern tatsächlich Änderungen in den kirchenrechtlichen Bestimmungen geplant sind!
„Ich denke, dass da Änderungen und Öffnungen notwendig sind“, bestätigte Kardinal Kasper bereits im Dezember 2013 gegenüber der deutschen Wochenzeitschrift „Die Zeit“, auch für wiederverheiratete Geschiedene müsse es künftig möglich sein, „wieder voll am kirchlichen Leben Teil zu nehmen.“ Was vor Gott möglich sei, nämlich Vergebung, sollte auch in der Kirche gelingen. (lt. Mitteilung des ORF, www.religion.orf.at, 12 12 2013). Und der Papst selbst hatte auf seinem Rückflug vom Weltjugendtag 2013 in Rio de Janeiro in diesem Zusammenhang klar geäußert: „Ich glaube, dass dies die Zeit der Barmherzigkeit ist.“ (www.vaticana.va/holy father, Bericht vom 28 07 2013).
Erwähnenswert ist auch eine weitere Bemerkung des Papstes zum selben Anlass: „Es muss eine tiefe Theologie der Frau entwickelt werden. Das ist es, was ich denke.“ Und so kam es, dass auch aus dem oben bereits erwähnten, achtköpfigen Kardinalsrat des Papstes, von Seiten des deutschsprachigen Kardinals Reinhard Marx aus München, kürzlich um ein Exemplar meines Buches gebeten wurde. Marx als deutschsprachiges Mitglied des vom Papst unmittelbar nach seiner Wahl eingesetzten Kardinalsrates, einer festen Einrichtung als Unterstützung des Papstes in der Leitung der Kirche, gilt als aktueller Verfechter einer Reform der Sakramentenfrage für wiederverheiratete Geschiedene, der anders denkenden Amtskollegen schon wiederholt die Stirn geboten hat.
Neben der Sakramentenfrage sind es auch meine Forschungen zum Problem der Eheannullierungen, für die sich die Sondersynode ganz besonders interessieren wird. „Das rechtliche Problem der Nichtigkeitserklärungen der Ehen muss überprüft werden“, schloss Papst Franziskus auf seinem Heimflug aus Rio an, „denn die kirchlichen Gerichte reichen dafür nicht aus.“ In seiner Ansprache an die Kirchenrechtlicher der römischen Rota, der letzten Instanz der kirchlichen Ehegerichte, forderte er: „Vergesst während eurer Arbeit nicht, dass Ihr Hirten seid!“ Kirchenrechtler dürften nicht das Feingefühl und die Menschlichkeit eines Seelenhirten vernachlässigen, ja die Amtsräume sollten „wie eine Sozialstation“ sein. (www.kathpress.at, 24 01 2014). Und auch die Bischöfe sollen förmlich „den Geruch der Herde haben, den Menschen nachgehen“, „Schritt für Schritt dem Menschen nachgehen“ (www.radiovaticana.va/news, vom 30 01 2014, Gespräch des Papstes mit Erzbischof Franz Lackner, Salzburg) - eine meiner langjährigen Grundforderungen!
Ich habe es also - nach 25 Jahren intensiver Arbeit - geschafft, meine in mehreren Büchern publizierten, minutiös ausgearbeiteten, theologischen Überlegungen zu einer Reform des innerkirchlichen Umganges mit wiederverheirateten Geschiedenen in die Hände einer Sondersynode des von Papst Franziskus neu eingesetzten, an meiner Arbeit höchst interessierten Kardinalsrates zu legen. Es ist das Äußerste, was ich als Frau in der Kirche tun konnte, der „letzte Atemzug“ in einer Lebensphase, die 25 Jahre meines Lebens geprägt hat. Ich galt über viele Jahre als eine Art „Aussätzige unter Aussätzigen“ in der Kirche, die aufhören sollte, „in diesem Wespennest zu stochern“! Tatsächlich hat die Befassung mit diesem Thema doch in den meisten Amtsträgern bis vor kurzem noch Abwehr und Angst verursacht, die es mühsam zu überwinden galt, oder musste in manchen Diözesen noch „heimlich“ erfolgen. Jedoch stand mir meine Berufung klar vor Augen; jemand musste hier „durch“, den Boden bereiten für eine Reform, und das war meine Aufgabe, meine Berufung in der Kirche. Schließlich sind einige meiner Ansprechpartner Priester gewesen, die heute in der Kirche als höhere Amtsträger die entscheidenden Positionen inne haben!
Immer wieder werde ich gefragt, wie es dazu gekommen ist. Viele gingen auf Distanz, meiden mich, andere scheinen mich ein wenig zu bewundern. Ihnen allen habe ich in diesem Buch mein Leben und Wirken offen dargestellt und dokumentiert.