Dem geplanten Untergang der deutschen und der ladinischen Volksgruppe und ihrer Kultur stellten sich die Priester in Südtirol mutig entgegen und nahmen dafür manche Verfolgung auf sich. Sie verteidigten und bewahrten den Gebrauch der unterdrückten deutschen Sprache in den Kindergärten, im Schul- und Religionsunterricht und im öffentlichen Leben. An ihnen und dem von ihnen unterstützten geheimen „Katakombenunterricht“ scheiterte der staatlich geplante Ethnozid, der kulturelle Volksmord.
Aktualisiert: 2023-04-06
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In diesem Werk wird eine bislang noch wenig aufgearbeitete Seite der jüngeren Südtiroler Geschichte dargestellt. Der Feuerschlag der „Herz-Jesu-Nacht“ des 11. auf den 12. Juni 1961 mit an die 40 gesprengten Hochspannungsmasten hatte die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die unhaltbaren Zustände in Südtirol gelenkt. Für viele Menschen in Österreich und in Deutschland waren die mit der „Feuernacht“ einsetzenden dramatischen Ereignisse nur schwer zu verstehen, da ihnen die auslösenden Langzeit-Faktoren nicht bekannt waren.
Die vorliegende Dokumentation schildert, wie Rom unmittelbar nach dem Kriegsende 1945 gegenüber Südtirol mit Entschlossenheit die faschistische Politik der Unterwanderung fortgesetzt hatte. Eine staatlich gelenkte Zuwanderung aus dem Süden in Verbindung mit zielgerichteten staatlichen Maßnahmen sollten das von Mussolini begonnene Werk vollenden, die Volksgruppen der Deutschen und Ladiner sprachlich und kulturell auszulöschen und ihnen eine einheitliche italienische Prägung zu verpassen.
Zugleich wurde die Bevölkerung Südtirols durch brutalen Terror niedergehalten. Sogenannte „Partisanen“, aber auch Angehörige regulärer italienischer Truppeneinheiten, bedrohten die deutsche und ladinische Bevölkerung, verübten Gewalttaten, plünderten, raubten und mordeten sogar in einer Reihe von Fällen. Die alliierte Militärregierung, die italienischen Behörden und die Regierung in Rom sahen schweigend und tatenlos zu. Offensichtlich billigte die offizielle Politik, dass die einheimische Bevölkerung Südtirols mit solchen Methoden geduckt am Boden gehalten, an politischen Aktionen gehindert und wieder unter das Joch der Unterdrückung gezwungen wurde. Auch wenn die Motive einzelner Gewalttäter vielfach kriminelle waren, so waren die Auswirkungen dieses Geschehens durchaus von politischer Relevanz.
Hand in Hand mit diesem Terror erfolgte eine planmäßig durchgeführte Refaschistisierung des öffentlichen Lebens in Südtirol.
In dem Tiroler Landesarchiv, dem Südtiroler Landesarchiv, dem Österreichischen Staatsarchiv in Wien und in anderen Sammlungen liegen Dokumente und Berichte aus Südtirol, welche ein erschütterndes Bild eines Jahrzehnte andauernden staatlichen italienischen Terrors gegenüber der Südtiroler Bevölkerung zeichnen. Viele dieser Dokumente sind noch nie publiziert worden. In der vorliegenden Arbeit werden solche aus den Jahren 1945/46 erstmals der Öffentlichkeit bekannt gemacht.
Dass diese Berichte Jahrzehnte lang unter Verschluss gehalten worden waren, hatte wohl auch politische Gründe. Unter dem Vorzeichen christlich-demokratischer Verbundenheit hatte es Jahre lang im Interesse österreichischer Partei- und Regierungspolitik gelegen, solche Berichte geheim zu halten, um Rom nicht zu verärgern und das Gesprächsklima nicht zu belasten.
In Südtirol selbst hatten Zeitungen wie die „Dolomiten“ oder der „Volksbote“, das Parteiorgan der Südtiroler Volkspartei, im Jahre 1945 keine Berichte über die Ausschreitungen sogenannter „Partisanen“ und italienischer Soldaten veröffentlichen können, da die alliierte Zensur ebenso wie die italienischen Behörden keine „Beunruhigung“ der einheimischen Bevölkerung erleben wollten.
Die Parteispitze der Südtiroler Volkspartei nahm auf die Wünsche der Alliierten Rücksicht und hatte, deren Wünschen folgend, mit den italienischen Parteien ein Stillhalteabkommen geschlossen, mit welchem sie sich selbst einen Maulkorb verpasste. Zudem fürchteten der Parteiobmann Erich Amonn und sein Generalsekretär Dr. Josef Raffeiner erklärter Maßen, mittels des immer noch in Kraft befindlichen faschistischen Strafgesetzbuches, des „Codice Penale“, wegen Schmähung der italienischen Nation und der bewaffneten Streitkräfte angeklagt zu werden, wenn sie die ihnen aus den einzelnen Ortsgruppen der Partei zugegangenen Berichte öffentlich machten. Sie hielten sie daher unter der Decke der Verschwiegenheit und informierten auch die Vertreter der Alliierten Militärregierung aus Angst lieber nur mündlich.
Viele dieser Berichte gelangten jedoch in Kopie auf geheimen Wegen nach Nordtirol und auch zur Kenntnis der österreichischen Regierungspolitiker in Wien. Diese nahmen jedoch ebenfalls Rücksicht auf die Wünsche der Amerikaner und Briten, so wenig öffentliche Unruhe wie möglich hervorzurufen und machten den Inhalt der Südtiroler Berichte der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Als besonders willfährig sollte sich hier Bundeskanzler Leopold Figl (ÖVP) erweisen. Dieser sollte sogar den christdemokratischen Freunden in Italien auf vertraulichem Weg mitteilen lassen, dass Österreich sich mit einer Autonomielösung für Südtirol zufrieden geben würde, während er als Bundeskanzler öffentlich noch lauthals die Rückkehr Südtirols zu Österreich forderte.
Figl stand natürlich auch unter Druck, da es damals darum ging, Österreich nicht teilweise oder sogar zur Gänze einem sowjetischen Machtblock einverleiben zu lassen. Um dem gegensteuern zu können, war man in Wien auf die Unterstützung der Westmächte angewiesen.
Die damals der Öffentlichkeit vorenthaltenen und in den folgenden Jahrzehnten in Vergessenheit geratenen Südtiroler Berichte liegen heute im Tiroler Landesarchiv in Innsbruck und teilweise auch im Österreichischen Staatsarchiv in Wien. Diese Dokumentation behandelt die Ereignisse vom Kriegsende 1945 bis zu der Entscheidung der alliierten Außenminister am 1. Mai 1946, die österreichische Forderung nach Rückgliederung Südtirols abzuweisen. Hier werden viele zeitgeschichtliche Dokumente erstmals der Öffentlichkeit bekannt gemacht.
Ein Blick in das erschütternde Geschehen unmittelbar nach Kriegsende hilft, die weitere Entwicklung im Lande bis zu dem Wendepunkt des dramatischen Protestes der „Feuernacht“ des Jahres 1961 besser zu verstehen.
Aktualisiert: 2023-03-16
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