Diagnostischer und prognostischer Nutzen des C-reaktiven Proteins beim Hund

Diagnostischer und prognostischer Nutzen des C-reaktiven Proteins beim Hund von Hindenberg,  Sarah
Das positive Akute-Phase-Protein (APP) C-reaktives Protein (CRP) ist in der Humanmedizin seit Jahren ein etablierter Entzündungsmarker. Mittlerweile ist es auch in der Tiermedizin ein weit verbreiteter Laborparameter zur Diagnose einer entzündlichen Erkrankung, der Einschätzung deren Schweregrades, der Prognose sowie der Beurteilung des Therapieverlaufs beim Hund. In der Humanmedizin sind CRP-Werte > 100 mg/l in Verbindung mit bestimmten Symptomkomplexen assoziiert mit bakteriellen Infektionen und beeinflussen die Entscheidung für den Einsatz von Antibiotika [1,6,13,16,17]. Ein vergleichbarer Entscheidungsgrenzwert wurde für bakteriell bedingte Lungenentzündungen beim Hund beschrieben [8], jedoch noch nicht für andere Erkrankungen oder Organsysteme evaluiert. Wie häufig CRP-Werte > 100 mg/l beim Hund vorkommen, wurde bisher nicht untersucht. Das Ziel unserer retrospektiven Studien war, Hunde einer gemischten Klinikspopulation allgemein sowie speziell in einer Subpopulation von Patienten mit CRP > 100 mg/l hinsichtlich ihrer CRP-Werte und den zugrunde liegenden Erkrankungsätiologien und erkrankten Organsysteme auszuwerten und zu ermitteln, ob eine Festlegung klinischer Entscheidungsgrenzwerte möglich ist, bzw. CRP > 100 mg/l sich als solcher geeignet erweist. Zudem sollte die prognostische Relevanz des CRP in beiden Gruppen anhand der Hospitalisierung sowie der 3-Monatsprognose erfasst werden. Die Erfassung der Prävalenz hoher CRP-Werte > 100 mg/l beim Hund im Datenzeitraum von einem Jahr sollte die Ergebnisse in ihren Bedeutungszusammenhang einsortieren. 655 kanine Patienten wurden hinsichtlich der Erkrankungsätiologie und des erkrankten Organsystems klassifiziert. Gleiches galt für eine Subpopulation von 147 Hunden mit CRP > 100 mg/l (darunter 36 Hunde mit CRP > 200 mg/l). In der Gesamtpopulation zeigte sich folgende Aufteilung nach Ätiologiegruppen: 31% mit entzündlicher Ätiologie (15% infektiös, 12% bakteriell, 8% nicht-infektiös), 24% mit nicht-entzündlicher Ätiologie, 16% Gewebeschaden, 11% diverse Erkrankungen, 9% neoplastisch und 8% gesunde Hunde. Nur gesunde Hunde und nicht-entzündliche Erkrankungen zeigten signifikante Unterschiede zu anderen Gruppen. Bei Untersuchung der Organsysteme zeigten sich zwar teils Unterschiede der Medianwerte, aber die Wertebereiche überlappten sich fast vollständig. Die Subpopulation mit CRP > 100 mg/l zeigte folgende ätiologische Verteilung: 59% Patienten mit entzündlicher Ätiologie (30% infektiös, 22% bakteriell, 16% nicht-infektiös), 21% Gewebeschaden, 12% neoplastisch (alle maligne) und 9% diverse Erkrankungen ohne signifikante CRP-Unterschiede. Bei Auswertung des höheren Grenzwertes CRP > 200 mg/l stieg der Anteil an Infektionen auf 42% sowie der Anteil bakterieller Erkrankungen auf 38% an. Die Organsysteme zeigten keine signifikanten CRP-Unterschiede bei Hunden mit CRP > 100 mg/l. Organsysteme mit häufigem Kontakt zu Mikroorganismen (Respirationstrakt, Gastrointestinaltrakt, Harn-/Geschlechtsapparat) oder einer Neigung zu immunmediierten Erkrankungen (Bewegungsapparat) führen häufiger zu CRP > 100 mg/l. Anhand des CRP war es nicht möglich, verschiedene Ätiologien untereinander abzugrenzen oder anhand des CRP auf das erkrankte Organsystem rückzuschließen. Auch eine Abgrenzung infektiöser und insbesondere bakteriell bedingter Erkrankungen von nicht-infektiösen bzw. nicht-bakteriellen Erkrankungen war in keinem CRP-Konzentrationsbereich möglich. Dies steht in Übereinstimmung mit einigen vorangegangenen Veröffentlichungen [9,14,60,97], jedoch im Gegensatz zu anderen Studien, die eine (fast) vollständige Abgrenzung einer infektiösen/bakteriellen Ätiologie in hohen CRP-Bereichen erlaubten oder zumindest signifikante Unterschiede medianer CRP-Werte der Ätiologiegruppen aufzeigten [2,8,10,11,13]. Damit ist ein hoher CRP-Wert allein keine Indikation für einen Antibiotikaeinsatz. Aufgrund des hohen Anteils bakterieller Infektionen an CRP-Werten > 100 mg/l ist weitere Diagnostik zur Abklärung einer möglichen (primären oder sekundären) bakteriellen Erkrankung angeraten. Je nach Organsystem sollten auch zugrunde liegende nicht-bakterielle Infektionen (Parvovirose, Lungenwurminfektion) bedacht werden, sowie nicht-infektiöse Entzündungen (immunmediierte Erkrankungen, Pankreatitis) und Neoplasien. Bei Traumapatienten ist eine serielle CRP-Messung und Beurteilung im klinischen Verlauf besonders wichtig. Treten CRP-Werte > 100 mg/l im Zusammenhang mit Neoplasien auf, sind diese wahrscheinlich maligne oder es liegt eine zusätzliche entzündliche Erkrankung vor. Die prognostische Auswertung erfolgte je an einer Subpopulation kranker Hunde mit bekanntem 3-Monatsschicksal, die in den beiden Studien 388/655 bzw. 73/147 Hunde ausmachten. Höhere CRP-Werte treten zwar vermehrt bei hospitalisierten Patienten und versterbenden Patienten auf, sind jedoch eher als Schweregradmarker der entzündlichen Erkrankung denn als Marker einer schlechten Prognose zu interpretieren und sollten Anlass zu zeitnaher umfassender (Re-)Evaluation des Patienten sowie eingehender Überwachung geben. Bei Patienten mit CRP > 100 mg/l wurde eine Hospitalisationsrate von 90% und eine Mortalität von 37% im Vergleich zu 53%/19% bei der Gesamtpopulation nachgewiesen. Die tatsächliche Mortalität kaniner Patienten ist deutlich mehr von der zugrunde liegenden Erkrankungsätiologie als dem CRP-Wert selbst abhängig. Die höchste Mortalität in Verbindung mit der kürzesten Hospitalisation ergab sich bei Hunden mit Neoplasie. Selbst bei CRP > 100 mg/l zeigten Traumapatienten noch eine vergleichbar günstige Prognose. Nicht-infektiöse Entzündungen mit CRP > 100 mg/l hatten eine höhere Mortalität als infektiöse Ätiologien. CRP-Werte > 100 mg/l treten bei ungefähr 12% der Patienten (194/1578) in einer veterinärmedizinischen Universitätsklinik als Überweisungszentrum auf und machen etwa 10% (225/2184) der CRP-Messungen im zugehörigen Universitätslabor aus. Sie zeigen einen hochgradigen Entzündungsprozess und damit eine schwere Erkrankung an. Ein einzelner CRP-Wert ist eine Momentaufnahme und in den klinischen Zusammenhang zu stellen. Er weist weder auf eine spezifische Krankheitsätiologie noch ein Organsystem hin, kann jedoch in Zusammenhang mit den weiteren Befunden gegebenenfalls die Differenzialdiagnosenliste nach Wahrscheinlichkeit ordnen. Weitere Studien zu Erkrankungsätiologien bei spezifischen Organsystemen (ähnlich wie für respiratorische Erkrankungen beim Hund vorliegend [8]), ggf. in Kombination von CRP-Grenzwerten mit ausgewählten klinischen oder bildgeberischen Befunden zur Eingrenzung der Differenzialdiagnosenliste sind nötig, um zu untersuchen, ob CRP-Entscheidungsgrenzwerte bei spezifischen Fragestellungen hilfreich sind.
Aktualisiert: 2020-12-25
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