Die enterische Muskulatur als Quelle des neurotrophen Faktors GDNF

Die enterische Muskulatur als Quelle des neurotrophen Faktors GDNF von Hohmeier,  Tim
Hintergrund dieser Arbeit Die Vermittlung der gastrointestinalen Motilität erfolgt vorrangig durch das Zusammenspiel des enterischen Nervensystems und der intestinalen Muskulatur. Entsprechend können gastrointestinale neuromuskuläre Pathologien zu teilweise schweren Störungen der gastrointestinalen Motilität führen, die u.a. auch bei der Divertikelkrankheit beschrieben wurden. Der neurotrophe Faktor glial cell line-derived neurotrophic factor (GDNF) ist wesentlich beteiligt an der Entwicklung, Differenzierung und funktionellen Intaktheit des enterischen Nervensystems. Im Sinne des "Neurotropher-Faktor-Konzeptes" wird postuliert, dass GDNF vom Zielgewebe (enterische Muskulatur) produziert wird, um das Ausgangsgewebe (enterisches Nervensystem) für seine Aufgaben zu stimulieren (Innervation der enterischen Muskulatur). Fragestellung Vor diesem Hintergrund sollte im Tiermodell der Ratte zunächst die postnatale Entwicklung und Differenzierung der enterischen Muskulatur beschrieben sowie die ontogenetische Expression des GDNF-Systems (GDNF, GDNF-Rezeptoren) untersucht werden. In einem weiteren Ansatz sollte ein Zellkulturmodell enterischer Muskelzellen etabliert werden, um zu prüfen, ob es unter diesen in-vitro Bedingungen ebenfalls zur Expression des GDNF-Systems kommt. In einem abschließenden Schritt sollte untersucht werden, ob die GDNF-produzierenden kultivierten enterischen Muskelzellen vergleichbare neurotrophe Effekte auf das enterische Nervensystem aufweisen wie die alleinige Supplementierung von GDNF. Aus den Befunden sollten Rückschlüsse auf die bei der Divertikelkrankheit vorliegenden intestinalen Innervationsstörungen gezogen werden. Material und Methoden Zur Untersuchung der postnatalen Differenzierung der enterischen Muskulatur wurden der Dünn- und Dickdarm von Ratten unterschiedlicher Altersstufen (P2, P21, Adult) mit konventionellen histologischen (HE, Azan) und immunhistochemischen (Caldesmon) Färbemethoden behandelt. Mittels quantitativer realtime PCR wurde die Genexpression des GDNF-Systems (GDNF, GDNF-Liganden) untersucht. Zur Etablierung einer enterischen Muskelzellkultur wurden Muskelzellen vom Rattendarm des Stadiums P2/3 isoliert und kultiviert. Der glattmuskuläre Phänotyp wurde immunhistochemisch (Caldesomon, α-SMA) konfirmiert. Nach ein- und zweiwöchiger Kulturdauer wurde die Genexpression des GDNF-Systems (GDNF, GDNF-Liganden) mittels quantitativer realtime PCR untersucht. Da sich die enterischen Muskelzellen auch mit Neurobasalmedium kultivieren ließen, wurde ein Ko-Kulturmodell von enterischen Muskel- und Nervenzellen angelegt und die Proliferation der Nervenzellen im Vergleich zur alleinigen GDNF-Supplementierung untersucht. Ergebnisse Bezüglich der Ontogenese der enterischen Muskulatur im Dünn- und Dickdarm der Ratte konnte gezeigt werden, dass zu allen Zeitpunkten das GDNF-System exprimiert wurde. Die höchsten Expressionen von GDNF und seiner Rezeptoren wurden in frühen postnatalen Stadien beobachtet. Enterische Muskelzellen ließen sich erfolgreich kultivieren und behielten ihren kontraktilen Phänotyp. Zudem konnte die Expression von GDNF und seiner Rezeptoren nach ein- und zweiwöchiger Kulturdauer sowohl im Vollmedium als auch im Neurobasalmedium nachgewiesen werden. Nach Ko-Kultur von enterischen Muskelzellen und Nervenzellen wurde eine vergleichbare Proliferation und Differenzierung der neuronalen Netzwerke beobachtet wie unter alleiniger Exposition der kultivierten Nervenzellen mit GDNF. Schlussfolgerung Die erhobenen Befunde lassen den Rückschluss zu, dass die enterische Muskulatur, insbesondere während früher postnataler Entwicklungsstadien, das GDNF-System exprimiert und in der Lage ist, die Entwicklung und Differenzierung des enterischen Nervensystems zu fördern. Damit konnte zum einen das "Neurotropher-Faktor-Konzept" auf Ebene des Gastrointestinaltraktes belegt und zum anderen die funktionelle Bedeutung der enterischen Muskulatur für eine regelrechte Ausdifferenzierung des enterischen Nervensystems aufgezeigt werden. Hinsichtlich der Pathogenese der Divertikelkrankheit wäre es entsprechend vorstellbar, dass der hier beobachtete Nervenzellverlust (enterische Neuropathie) durch ein Defizit von durch die enterische Muskulatur produzierten neurotrophen Faktoren (enterische Myopathie) bedingt ist. Darüber hinaus bietet das in dieser Arbeit etablierte Kulturmodell enterischer Muskelzellen die Möglichkeit, das Spektrum gastrointestinaler Motilitätsstörungen unter standardisierten in-vitro Bedingungen weiter zu untersuchen und insbesondere die funktionelle Beziehung zwischen enterischer Muskulatur und Nervensystem näher aufzuklären.
Aktualisiert: 2019-08-14
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