Untersuchung der Prävalenz und Komorbidität der Erektilen Dysfunktion bei Epilepsie und Einnahme von Antiepileptika

Untersuchung der Prävalenz und Komorbidität der Erektilen Dysfunktion bei Epilepsie und Einnahme von Antiepileptika von Hornberg,  Jost
Sexuelle Störungen unter männlichen Epilepsie-Patienten sind ein bekanntes Problem. Hierfür wird zum einen die Erkrankung der Epilepsie per se, aber auch die Einnahme von AEDs verantwortlich gemacht. Als eine Erklärung hierfür werden veränderte Serum-Hormonspiegel verschiedener Sexualhormone wie z.B. des freien Testosterons oder des Östradiols, angesehen. Diese betreffen primär Veränderungen der Libido. Erst in den letzten Jahren wurde auch das Vorhandensein einer ED bei Epilepsie-Patienten näher untersucht. Bereits die Prävalenz einer ED bei Epilepsie-Patienten ist umstritten. Viele bisherige Studien zu Erektionsstörungen benutzten leider keine validierte Diagnostik, insbesondere keine validierten Fragebögen, die die symptomatische Diagnose einer ED ermöglichen würden. Ziel dieser Studie war es daher, die Prävalenz einer ED bei männlichen Epilepsie-Patienten mit einem standardisierten, weltweit akzeptierten Fragebogen, dem IIEF zu erfassen und eine mögliche Assoziation zur Epilepsie-Erkrankung, unterteilt nach relevanten klinischen Aspekten wie der symptomatischen Diagnosen, Ätiologie und den Anfallsarten gemäß der Einteilung der International League Against Epilepsy (ILAE) zu untersuchen. Ebenso sollte ein Zusammenhang bei vorliegender ED mit AEDs untersucht werden. Die Ergebnisse des IIEF wurden mit einem weiteren Fragebogen zu sexuellen Störungen, dem SFI verglichen. In Detail wurden Zusammenhänge zwischen einer ED mit ausgewählten soziodemographischen Daten, Symptomen von Angststörungen und Depression, Prostata-Symptomen und Antihypertensiva untersucht. Die Patienten wurden nach körperlicher und psychischer Beeinträchtigung befragt. Für die Untersuchung wurden klinisch klassifizierten Patienten der Epilepsie-Sprechstunde der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Gießen eine Fragebogensammlung vorgelegt. Diese enthielt allgemeine soziodemographische Fragen und Fragen zur Gesundheit sowie Fragen zu Vorerkrankungen. Folgende validierte Fragebögen wurden eingesetzt: „International Index of Erectile Function“ (IIEF) und dessen Kurzform (IIEF-5), „Brief Male Sexual Function Inventory for Urology“ (SFI), „International Prostate Symptom Score“ (IPSS), „Hospital Anxiety and Depression Scale - Deutsche Version“ (HADS-D) und „Short Form -12 Health Survey“ (SF-12). Darüber hinaus wurden Angaben zur Epilepsie- Diagnose, Ätiologie, Anfallsarten, Einsatz von AEDs und von Antihypertensiva erhoben. Von den 101 Teilnehmern der Studie litten insgesamt 65 (64.4%) Patienten nach IIEF an einer ED, nach IIEF-5 waren es 67 (66.3%). Die häufigste Epilepsie-Diagnose war eine generalisierte Epilepsie bei 59.4% der Patienten, von denen 70% an einer ED litten (vgl. Kapitel 5.2). An einer fokalen Epilepsie litten 35.6% der Patienten, bei 61.2% von ihnen wurde eine symptomatische ED diagnostiziert. Fünf Patienten (5%) hatten eine unklare Epilepsie-Diagnose, von denen zwei an einer ED litten. Bezüglich der AEDs gab es bei 99 Patienten Angaben. Die drei am häufigsten verordneten Präparate waren Valproinsäure, Carbamazepin und Lamotrigin. Untersucht wurde, ob es einen Zusammenhang der Epilepsie mit der symptomatischen Diagnose einer ED und/oder der Einnahme von AEDs gibt. Es konnte keine Assoziation zwischen Epilepsie und einer ED gezeigt werden. Es fand sich lediglich eine Korrelation einer symptomatischen Epilepsie mit den Score für die erektile Funktion. Für die hohe Prävalenz einer ED in der Untersuchung ließen sich andere Ursachen vermuten: Auffällig hoch war die Prävalenz depressiver Symptome in der Studiengruppe bei bis zu 24.7%. Ebenso gab es eine Zusammenhang zwischen einer ED und einer Depression, sowie eine Korrelation von depressiven Symptomen mit einer fokalen und symptomatischen Epilepsie und mit dem Antiepileptikum Levetiracetam. Dies unterstützt die These, dass depressive Symptome einen Faktor für die Entstehung einer ED in der Gruppe der Epilepsie-Patienten darstellen könnten. Hier sei einschränkend erwähnt, dass das Testverfahren zur Überprüfung einer Depression nur ein Screening-Fragebogen war. Diese Ergebnisse könnten also bedeuten, dass nicht die Epilepsie zu einer ED führt, sondern eine mit der Epilepsie komorbiden Depression das Risiko für eine ED erhöht; dies scheint insbesondere für die fokale und symptomatische Epilepsie zu zutreffen. Erst wenn weitere Risikofaktoren hinzukommen, kann es eher als bei Nicht-Epilepsie-Patienten zu einer ED kommen. Bei der Überprüfung eines Zusammenhangs zwischen den AEDs und einer ED konnte keine Assoziation zwischen einer ED und der Einnahme dieser Medikamente festgestellt werden. Ein schwacher Zusammenhang zwischen der Einnahme des AEDs Valproinsäure in einem einzelnen Testverfahren, konnte mit anderen Tests nicht bestätigt werden. Durch Wahl eines höheren Signifikanz-Niveaus in einer Korrelationsanalyse konnten jedoch unterschiedliche Beeinflussungstrends der AEDs auf die erektile Funktion erkannt werden: Levetiracetam und Oxcarbazepin schienen am ehesten negativen Einfluss zu nehmen. Es konnte gezeigt werden, dass auch bei den männlichen Epilepsie-Patienten das Alter ein wesentlicher Risikofaktor für die Entstehung einer ED ist. Dies entspricht dem allgemeinen Verständnis, dass eine ED in der Bevölkerung mit zunehmendem Alter häufiger vorkommt. Abschließend liegt also vermutlich eine multifaktorielle Genese für die Entstehung einer ED bei Epilepsie-Patienten vor.
Aktualisiert: 2019-08-14
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