Die Lager Gurs und Rivesaltes als Vorstationen von Auschwitz
Je weiter die Ereignisse der Holocaust-Schoáh, der Holocaust-Katastrophe, der Katastrophe der Katastrophen, sich zeitlich zu entfernen und in der Vergangenheit zu entschwinden scheinen, desto näher rücken sie in die Gegenwart herein. Denn vielleicht wissen wir heute tatsächlich ein bisschen mehr als noch vor einer Generation.
Das gilt auch für die beispiellose "Abschiebung" der südwestdeutschen Juden am 22. Oktober 1940 nach Frankreich, die erste derartige NS-Aktion gegen deutsche Juden im deutschen Reich überhaupt. 82 Jahre danach leben nur noch sehr wenige der jüngsten Deportierten als Augen- und Zeitzeugen, denen der damalige Alptraum allerdings ganz gegenwärtig geblieben ist.
Für alle Jüngeren wird eigentlich schon seit gestern die Erinnerungsarbeit noch wichtiger, sei es in Form von Stolper-steinen oder Stolperbüchern oder Stolpervorträgen wie der heutige, bei dem ich in folgender Abfolge berichten möchte: 1. Vorgeschichten seit 1920
2. Zur Oktoberdeportation 1940
3. Hilfe für die Deportierten 1940/42
4. Ärzte, Schwestern, Kinder 1940/42
5. Zur Holocaust-Schoáh seit 1942
6. Versuch einer Schlussbetrachtung 2014
Aktualisiert: 2022-07-21
Autor:
Marianne Ahlfeld-Heymann,
Lilli Bernhard-Ithai,
August Bohny,
Friedel Bohny-Reiter,
Dorothee Freudenberg-Hübner,
Gabriel Groszman,
Else Liefmann,
Martha Liefmann,
Marie-Elisabeth Rehn,
Hannelore Wicki-Schwarzschild,
Margot Wicki-Schwarzschild,
Erhard Roy Wiehn,
Manfred Wildmann,
Richard Zahlten
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Vorwort von Dr. med. Mirjam Bercovici
Meine Erfahrungen mit Ärzten damals
Ich bin Ärztin und eine Schoáh-Überlebende, doch ich war zu jung und habe nach meiner Rückkehr aus Transnistrien, wohin ich 1941-1944 deportiert worden war, Medizin studiert. Deshalb kann ich keine generelle Meinung über jüdische Ärztinnen und Ärzte während der Schoáh äußern. Ich kann nur von meinen direkten Erfahrungen mit jüdischen Ärzten damals berichten.
Im Ghetto von Djurin, wohin ich verschleppt wurde und viele Monate krank war, hatte ich Gelegenheit, zwei Ärzte kennenzulernen, die Brüder Frenkel aus Radautz, die mich ohne Bezahlung behandelten. Sie hatten keine Medikamente und konnten mir nur mit guten Worten, Ratschlägen und Ermutigungen helfen: Die von ihnen verordnete Diät mit Zuckerrübenbrühe hat mich gerettet, als ich nach Bauchtyphus sechs Monate lang Gelbsucht hatte. Es war ein Wunder, dass ich überlebte!
Noch ein Beispiel: Ein unbekannter Arzt aus Vatra Dornei hatte die schwere Aufgabe übernommen, im Ghetto von Djurin ein kleines Krankenhaus für Flecktyphuskranke einzurichten. Das gelang ihm, und er hat damit viele Todkranke gerettet. Mein Vater war einer dieser Geretteten. Doch viele, sehr viele jüdische Ärzte haben sich bei den Kranken angesteckt und sind gestorben, genau wie es heute in der Pandemie geschieht.
Eigentlich wollte ich gar nicht Ärztin werden und dachte, Geschichte zu studieren. Doch das Schicksal hat mir den Weg gewiesen. Als ich von der Deportation zurückkehrte, hatte ich meine Lektion gelernt: Ich wollte nun Ärztin werden und habe meinen Beruf über viele Jahrzehnte bis ins hohe Alter sehr gerne ausgeübt.
Im übrigen bin ich glücklich, dass heute noch Bücher über diese hochherzigen, sich aufopfernden jüdischen Ärztinnen und Ärzte zur Zeit der Schoáh erscheinen.
Aktualisiert: 2021-11-18
Autor:
Mirjam Bercovici,
Julia Deleanu,
Desider David Fischer,
Olga Hempel,
Isidor Hirsch,
Beno Hoisie,
Tutti Jungmann-Bradt,
Janusz Korczak,
Zdenko Lewental,
Else Liefmann,
Christine Lipp-Peetz,
Baruch Milch,
Mirjam Moltrecht,
Felix H. Oestreicher,
Martin Ruch,
Jehuda Stein,
Zsuzsa Varkonyj,
Erhard Roy Wiehn,
Richard Zahlten
> findR *
Deportiert und ermordet – untergetaucht und überlebt
Am 1. September 1939 hatte der Zweite Weltkrieg mit dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen begonnen. Am 3. September 1939 erklärte Frankreich dem Deutschen Reich den Krieg und musste am 22. Juni 1940 bei Compiegne (Departement Oise) ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnen. Artikel 19 dieses Abkommens verpflichtete die französische Regierung in Vichy (Auvergne) unter dem damaligen Ministerpräsidenten und baldigen 'Chef de l'Etat Français', Marschall Henri Philippe Petain (1856-1951), und dem stellvertretenden (späteren) Ministerpräsidenten Pierre Etienne Laval (1883-1945) "alle in Frankreich sowie in den französischen Besitzungen befindlichen Deutschen, die von der Reichsregierung namhaft gemacht werden, auf Verlangen auszuliefern". Genau vier Monate nach diesem deutsch-französischen Waffenstillstandsabkommen mit seinem sich als tödlich erweisenden Artikel 19 erfolgte die Deportation der badischen, pfälzischen und saarländischen Juden in den Zuständigkeitsbereich der französischen Vichy-Regierung.
Am 22./23. Oktober 1940 wurden etwa sechseinhalbtausend Menschen aus Baden, der Pfalz und dem Saarland in das südwestfranzösi-sche Internierungslager Gurs am Fuß der Pyrenäen deportiert, Alte und Kranke, Frauen und Männer, Jugendliche, Kinder und Babys, Deutsche von Deutschen, 'nur' weil sie Juden waren. Sehr wenige blieben von dieser sogenannten 'Abschiebung' verschont, und sogar nicht-jüdische Angehörige gerieten damals auf die tödlichen Schienen der Schoáh. Angesichts grausamer Transportbedingungen sowie unsäglicher Lebensverhältnisse in Gurs und benachbarten Lagern starben viele schon in der allerersten Zeit, nicht allzu vielen gelangen Befreiung und Flucht. Es gab hochherzige Hilfsmaßnahmen, insbesondere in der Schweiz. Gleichwohl wurden viele ab August 1942 aus Gurs und an-deren Camps in die deutschen Vernichtungslager Polens verbracht und ermordet.
Vor allem um das Schicksal dieser Deportierten geht es im folgen-den Lesebuch.
…
Aktualisiert: 2022-05-19
Autor:
Marianne Ahlfeld-Heymann,
Lilli Bernhard-Ithai,
August Bohny,
Friedel Bohny-Reiter,
Louis Dreyfuss,
Chanan Hans Flörsheim,
Dorothee Freudenberg-Hübner,
Groszman Groszman,
Peter Künzel,
Else Liefmann,
Martha Liefmann,
Heinz Jehuda Meyerstein,
Marie-Elisabeth Rehn,
Martin Ruch,
Jack Scott,
Paul Siegel,
Arthur S. Trautmann,
Erhard Roy Wiehn,
Manfred Wildmann,
Richard Zahlten
> findR *
Aus dem Vorwort von Erhard Roy Wiehn:
LeChaim – Zum Leben
Jüdische Schicksale in und aus Deutschland ist das 10. und umfangreichste
Lesebuch meiner Edition Schoáh & Judaica. Die Grundidee für diese Edition
bestand und besteht darin, die Opfer mit ihrer eigenen Stimme selbst
zu Wort kommen zu lassen, um ihre Schicksale namentlich für immer festzuschreiben.
Hier werden insgesamt 82 Bücher von 23 Autorinnen und 59 Autoren
präsentiert sowie 17 Interviews aus den 1980er Jahren, an denen je 10
Frauen und 10 Männer beteiligt waren. Die 82 Bücher stellen etwa ein
Viertel meiner Edition von derzeit etwa 350 Titeln dar; etliche weitere
mögliche Titel wurden hier nicht berücksichtigt, um den Umfang in Grenzen
zu halten.
Es handelt sich um Publikationen aus den Jahren 1982 bis 2021, also aus
einem Zeitraum von rund 40 Jahren. Darunter sind einige wenige Originaltexte
der Buch-Autorinnen und -Autoren selbst, zumeist jedoch und insgesamt
sind es Vor- oder Nachworte des Herausgebers. Die vorliegende Präsentation
hat einen Rahmen: Am Anfang steht mein älterer Beitrag
"Zur jüdischen Geschichte der Pfalz", weil diese Geschichte zumindest
partiell auch für andere Regionen und Städte Deutschlands gelten kann und
interessante Aspekte enthält, die in den übrigen Beiträgen nicht vorkommen.
Gewissermaßen als Pendant dazu stehen am Ende des vorliegenden
Lesebuchs meine beiden jüngeren Beiträge "Zur jüdischen Geschichte in
Baden und Konstanz"
.…
Aktualisiert: 2022-01-27
Autor:
Marianne Ahlfeld-Heymann,
Inge Auerbacher,
Julie Baum,
Norbert Baum,
Gretel Baum-Merom,
Schalom Ben-Chorin,
Carlos Berets,
Manfred Berger,
Lilli Bernhard-Ithai,
Hanna Blitzer,
Erich Bloch,
Theo Bloch,
Hans David Blum,
Volker Boch,
Hermann Brand,
Dora Cohn,
Ewald Dähn,
Marianne Degginger,
Louis Dreyfuss,
Volkmar Felsch,
Chanan Hans Flörsheim,
Manfred Mosche Gerson,
Gabriel Groszman,
Helmut Grünfeld,
Wolfgang Hadda,
Henry Hagelberg,
Fritz Joseph Heidecker,
Olga Hempel,
Ernst Hilb,
Jack Heinz Honig,
Nathan Höxter,
Tutti Jungmann-Bradt,
Selma Kahn,
Joachim Kalter,
Ehepaar Kamm,
Heinz Kapp,
Herbert Zwi Kessler,
Peter Künzel,
Juliane Lepsius,
Bryan Isbert Levy,
Else E. Levy-Mühsam,
Else Liefmann,
Martha Liefmann,
Jerry Lindenstraus,
Kurt Lion,
Christine Lipp-Peetz,
Schlomo Marcus,
Bernhard Mayer,
Heinz Jehuda Meyerstein,
Gerschon Monar,
Ludwig Mühlfelder,
Beatrice Mühlfelder-Bravmann,
Ernst Josef Nathan,
Ruth Nathan,
Hans Nothnagel,
Lucie Ondřichová,
Fritz Ottenheimer,
Leo Picard,
Marga L Randall,
Erwin Rehn,
Marie-Elisabeth Rehn,
Fedor Rosenthal,
Evelyn Pike Rubin,
Martin Ruch,
Anita Samuel,
Sami Scharon,
Alfred Schnurmann,
Jack Scott,
Hans-Hermann Seiffert,
Paul Siegel,
Werner Simsohn,
Zwi Helmut Steinitz,
H. Stiefel,
Margot Stiefel,
Kurt u. Lotte Thanhauser,
Uri Toeplitz,
Arthur S. Trautmann,
Hannelore Wicki-Schwarzschild,
Margot Wicki-Schwarzschild,
Erhard Roy Wiehn,
Raffael Wieler-Bloch,
Manfred Wildmann,
Ida Windmüller,
Elisabeth Isabel Wolff,
Richard Zahlten
> findR *
Vorwort: Durch Vorhöllen und Höllen
Marianne Ahlfeld-Heymann: Von Köln durch Gurs nach Haifa (1994)
Inge Auerbacher: Alptraum Theresienstadt und danach (2005)
Margit Bartfeld-Feller: Mama Cilly in Sibirien verschonen (2009/15)
Margit Bartfeld-Feller: Schulfreundin Selma in Czernowitz (2013)
Gretel Baum Merom: Von Frankfurt/M. nach Erez Israel (1996/2011)
Julie u. Norbert Baum: Elternbriefe an den emigrierten Sohn (2011)
Grete Beck-Klein: Von Wien über Schanghai nach Haifa (1997)
Mirjam Bercovici-Korber: Famlienschicksale in Rumänien (1996)
Mirjam Bercovici: Alte jüdische Menschen in Bukarest (1998)
Lilli Bernhard-Ithai: Von Berlin über Brüssel in die Schweiz (1999)
Rachel Bernheim-Friedmann: Durch die Hölle von Auschwitz (2002)
Hanna Blitzer: Deutsch schreiben in Israel (2008)
Friedel Bohny-Reiter: Tagebuch im Camp Rivesaltes (1995/2010)
Else Büchler: Mit Angst und Mut in Konstanz überlebt (2019)
Mali Chaimowitsch-Hirsch: Bukowina, Transnistrien, Israel (1999)
Anna Ćwiakowska: Verstecken vor dem Tod in Polen (2003)
Sassona Dachlika: Als "Volksfeinde" nach Sibirien deportiert (2002)
Bronia Davidson-Rosenblatt: Aus Polen n. Sibirien verbannt (2000)
Ingrid Decker: Jüdisches Exil in Mexiko und der Karibik (2011)
Edith Ernst Drori: In der Slowakei des Lebensrechts beraubt (2000)
Ruth Felix: In Theresienstadt u. durch die Hölle v. Auschwitz (1995)
Jewgenija Finkel u. Winkler: Juden aus Czernowitz (2004)
Dorothee Freudenberg-Hübner: Deportierte in Frankreich (1993)
Sidi Gross: Zeitzeugin in Czernowitz und Israel (2005)
Olga Hempel: Lebenserinnerungen einer jüdischen Ärztin (2005)
Sylvia Hoişie-Korber: Zur Vertreibung aus der Bukowina (1993/95)
Tutti Jungmann-Bradt: Die Bradts in Berlin (1999)
Lotti Kahana-Aufleger: Von Czernowitz nach Transnistrien (2009)
Selma Kahn: Der Weg ins Dritte Reich (2002)
Sidi Kassner: Von Czernowitz durch Sibirien nach Israel (2008)
Zelma Klein: Aus d. Slowakei durch Auschwitz nach Bergen-B. (2006)
Mirjam Korber: Aus d. Bukowina n. Transnistrien deportiert (1993)
Erika Kounio-Amariglio: Von Saloniki n. Auschwitz u. zurück (2001)
Jeanne Levy-Rosenberg; Durch die Hölle von Auschwitz (2000)
Martha u. Else Liefmann: Von Freiburg durch Gurs i.d. Schweiz(95)
Haya Meiri-Minerbi: Juden im slowakischen Kesmark (2002)
Beatrice Mühlfelder-Bravmann: Fort von Konstanz 1938 (1995)
Therese Müllers Leben und Leiden als ungarische Jüdin (2014)
Rachela Zelmanowicz Olewski: Im Mädchenorchester (2018)
Anna Ornstein: Aus Ungarn in die Versklavung u. Befreiung (2001)
Jarmila Potůčková-Taussigová: Jüdische Schicksale in Böhmen (2000)
Klára Rajk: In Budapest überlebt und über Israel nach Belgien (2000)
Marga L. Randall: Wie erst gestern geschehen in Schermbeck( 1997)
Evelyn Pike Rubin: Aus Breslau ins Ghetto Schanghai (2002)
Nava Ruda: Zum ewigen Andenken der Leiden in Polen (2000)
Klara Schächter: Woss ich hob durchgelebt in Transnistrien (1996)
Lea Shinar: Wie ein Becher Tränen in Polen (1999)
Lili Chuwis Thau: Ein schaurig-schönes Schicksal in Galizien (2016)
Inka Wajsbort: Im Angesicht des Todes in Oberschlesien (2000)
Agnes Weiss-Balazs: Siebenbürgen, Auschwitz, Ravensbrück (2005)
Hannelore u. Margot Wicki-Schwarzschild: In Gurs u. Rivesaltes (2011)
Basja Zin: Wie ein grauenhafter Traum in Lettland (1998)
Aktualisiert: 2021-07-14
Autor:
Marianne Ahlfeld-Heymann,
Inge Auerbacher,
Margit Bartfeld-Feller,
Julie Baum,
Norbert Baum,
Gretel Baum-Merom,
Grete Beck-Klein,
Mirjam Bercovici-Korber,
Lilli Bernhard-Ithai,
Rachel Bernheim-Friedmann,
Hanna Blitzer,
Friedel Bohny-Reiter,
Else Büchler,
Mali Chaimowitsch-Hirsch,
Lili Chuwis Thau,
Anna Cwiakowska,
Sassona Dachlika,
Bronia Davidson-Rosenblatt,
Ingrid Decker,
Edith Ernst-Drori,
Ruth Felix,
Jewgenija Finkel,
Dorothee Freudenberg-Hübner,
Sidi Gross,
Olga Hempel,
Sylvia Hoişie-Korber,
Tutti Jungmann-Bradt,
Lotti Kahana-Aufleger,
Selma Kahn,
Sidi Kassner,
Zelma Klein,
Mirjam Korber,
Erika Kounio-Amariglio,
Jeanne Levy-Rosenberg,
Else Liefmann,
Martha Liefmann,
Haya Meiri-Minerbi,
Beatrice Mühlfelder-Bravmann,
Therese Müller,
Anna Ornstein,
Jarmila Potuckova-Taussigova,
Klara Rajk,
Marga L Randall,
Evelyn Pike Rubin,
Nava Ruda,
Klara Schächter,
Lea Shinar,
Inka Wajsbort,
Agnes Weiss-Balazs,
Hannelore Wicki-Schwarzschild,
Margot Wicki-Schwarzschild,
Erhard Roy Wiehn,
Rachela Zelmanowicz Olewski,
Basja Zin
> findR *
Aus dem Vorwort von Margot Wicki-Schwarzschild
Auf dunklem Grund
…
Gurs - um diesen Ort des Grauens und der Unmenschlichkeit geht es im vorliegenden Buch der Geschwister Liefmann. Erstaunlich war für mich, als ich dieses Buch las, dass Else Liefmann zwar von den vielen seelischen Grausamkeiten berichtet, vom "dunklen Grund", dass sie aber ebenso von "hellen Lichtern" zu erzählen wusste, die es für sie als gestandene, gut sechzigjährige und im Glauben verwurzelte Frau und Ärztin offenbar gegeben hat. Wir wurden im gleichen Transport nach Gurs verschleppt, waren zur gleichen Zeit im Lager. Haben sich wohl unsere Wege gekreuzt, sind wir uns dort begegnet?
'Helle Lichter auf dunklem Grund' - es ist immer eine Frage der Optik, der eigenen Lebenssituation. Wenn ich versuche, mich an diese mir als Kind endlos scheinende Zeit zu erinnern, so wird mir vor allem Dunkles bewusst. Obwohl ich ein fröhliches, ja heiteres Kind war, Veränderungen und besondere Ereignisse überaus liebte, hier im Lager Gurs ging mein kindlicher Optimismus endgültig in die Brüche. Zum ersten Mal wurde für mich das Leben todernst, zum ersten Mal spürte ich die Mächte der Dunkelheit, des Bösen, spürte ich Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.
Fünfundfünfzig Jahre sind nach diesem dramatischen, ja traumatischen Einbruch in unser Leben vergangen, aber ich höre heute noch die Schritte im "Judenhaus" am Morgen des 22. Oktober 1940, das schreckliche Poltern an der Wohnungstüre, die rauen Männerstimmen, die uns befahlen, uns fertigzumachen, um das "Reichsgebiet" zu verlassen. Ich sehe vor mir den Ort der Versammlung all dieser aus dem Schlaf gerissenen jüdischen Menschen, die Trostlosigkeit, die meine Eltern und alle Leute um uns herum erfasst hatte, höre das leise Weinen meiner Mutter, sehe meinen erblassten Vater, spüre die Fassungslosigkeit, die alle ergriffen hatte. Und dann die endlose Fahrt ins Ungewisse im überfüllten Zug, den man nicht verlassen durfte, draußen Männer mit Gewehr im Anschlag, bereit zu schießen, wenn es jemand gewagt hätte, ans Fenster zu treten. Die Ankunft - nach endloser Fahrt - in Oloron, unsere Verfrachtung, stehend im Lastwagen, nach dem Internierungslager Gurs, das für die nächste Zukunft unsere Bleibe werden sollte. Und auf die Frage
"Warum?" wusste niemand eine Antwort.
Aktualisiert: 2020-03-17
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