Inhalt
Erhard Roy Wiehn: Zum Ukraine-Lesebuch der Edition
Margit Bartfeld-Feller: Von dort bis heute (2005)
Rachel Bernheim-Friedmann: Ohrringe im Keller (2002)
Dawid Budnik u. Jakov Kaper: Verpflichtet zu berichten (1993/2018)
Mali Chaimowitsch-Hirsch: Kindheit u. Jugend in der Schoáh (1999)
Karl Iosifowitsch Epstein: Weihnachten 1942 (2011)
Iwan Franko: Zum Licht sich gesehnt (2012)
Yosef Govrin: Im Schatten der Vernichtung (2018)
Sylvia Hoişie: Unsere Vertreibung aus der Bukowina (1993)
Jakob Honigsman: Juden in der Westukraine (2001)
Lotti Kahana-Aufleger: Jahre des Kummers überlebt (2009)
Zvi Harry Likwornik: Als Siebenjähriger im Holocaust (2012)
Jacob Melzer: Jankos Reise (2001)
Roman Mnich: Ivan Franko im Kontext (2012)
Dmitry Peisakhov: Jüdisches Leben in Kiew – Ein Fotoalbum (1992)
Dmitry Peysakhov: Jüdische Gesichter – Ein Fotoalbum (2016)
Lesja Ukrainka; Gegen Knechtschaft und Gefangenschaft (2005)
Erhard Roy Wiehn: Chassidismus in der Ukraine (2008)
Erhard Roy Wiehn: Kiew Babij Jar 1941 und später (2011)
Erhard Roy Wiehn: 25 Jahre Partnerschaft mit d. NTSU Kiew (2017)
Erhard Roy Wiehn: 30 Jahre Partnerschaft mit der KNEU (2020)
Die Ukraine in der Edition Schoáh & Judaica
Lesebücher der Edition Schoáh & Judaica
Herausgeber
Aus dem Vorwort von Erhard Roy Wiehn:
…
Unsere frühen Ukraine-Buchpublikationen bereits in den Jahren 1992, 1993 und 1999, die jüngsten 2016, 2018, 2020, und insgesamt ist eine durchaus ansehnliche Literaturliste entstanden (vgl. S. 176 f.), sodass es nahelag, mit der vorliegenden Sammlung, einmal eine Auswahl von Texten synoptisch vorzustellen: Es handelt sich um 20 zumeist einführende Vorworte, davon betreffen 15 die Schoáh in der Ukraine, drei Lyrik und Philosophie und zwei Universitätspartnerschaften in Kiew, also den Brückenbau in die Zu-kunft (dementsprechend auch die Umschlagfotos).
Die vorliegende Auswahl unter dem Titel eines Ukraine-Lesebuchs vorzustellen, ist freilich insofern etwas gewagt und vielleicht irritierend, als auf dem Territorium der heutigen Ukraine verschiedene Gebiete im Verlauf von etwa 80 Jahren teilweise mehrfach die Staatszugehörigkeit wechselten – so gehörten die deutschsprachig-jüdisch geprägt gewesene Stadt Czernowitz samt der Bukowina, dem Buchenland, bis 1918 zur k.u.k. Donaumonarchie, bis 1941 zu Rumänien, dann kurzzeitig zur UdSSR, bald wieder kurzzeitig zu Rumänien, seit 1943 wieder zur UdSSR bzw. zur Sowjetukraine und seit 1991 zur unabhängigen Republik Ukraine. Entsprechend wechselten die Staatssprachen von Deutsch über Rumänisch und Russisch zu Ukrainisch; ebenso wurden große Bevölkerungsteile "ausgetauscht"; denn die Juden "verschwanden" durch die Schoáh, viele Rumänen gingen nach Rumänien, und die Sowjetmacht hatte ihre eigene Bevölkerungspolitik betrieben und gezielt Russen angesiedelt.
Dieser enorme soziale, kulturelle und religiöse Wandel wird hier pragmatisch zu lösen versucht: Die dokumentierten Schicksale sind alle eindeutig zeitlich verortet, zu welchem Staat sie auch immer gerade gehörten bzw. unter welcher Administration oder Herrschaft sie jeweils standen. Mein Beitrag über Iwan Franko (1856-1916), der von Roman Mnich über Iwan Franko, Theodor Herzl und Martin Buber sowie mein Beitrag über Lesja Ukrainka (Larissa Petriwna Kossatsch, 1871-1913) fallen in die Zaren-Zeit, und die beiden letzten Partner-schaftsbeiträge sind zwar noch von der Kriegsvergangenheit beeinflusst, wollen aber diese Vergangenheit wie Brücken in die Zukunft transformieren.
…
Aktualisiert: 2021-11-18
Autor:
Margit Bartfeld-Feller,
Rachel Bernheim-Friedmann,
Dawid Budnik,
Mali Chaimowitsch-Hirsch,
Karl Iosifowitsch Epstein,
Iwan Franko,
Yosef Govrin,
Sylvia Hoişie,
Jakob Honigsman,
Lotti Kahana-Aufleger,
Jakov Kaper,
Zvi Harry Likwornik,
Jacob Melzer,
Roman Mnich,
Dmitry Peisakhov,
Dmitry Peysakhov,
Lesja Ukrainka,
Erhard Roy Wiehn
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In diesem historischen Kontext ist das folgende Lesebuch Schoáh-Schicksale in (und aus) Czernowitz und (aus) der Bukowina zu verstehen, in dem mehr als 23 Geschichten von 20 Autorinnen und Autoren zusammengestellt sind. Erste Publikationen zum jüdischen Leben, Leiden, Überleben und Nichtüberleben in Rumänien und der Ukraine finden sich in unserer Edition Schoáh & Judaica bereits in den 1990er Jahren, und so lag es nahe, diese Schicksale zusammenzufassen: Ausgehend von Czernowitz kann man die Schicksalswege der Menschen nach Sibirien und Transnistrien verfolgen, die dann vielfach nach Eretz Israel (Palästina) bzw. Israel führen.
Dabei handelt es sich teils um Originaltexte der Autorinnen und Autoren, teils um Einführungen des Herausgebers. Diese Texte sind alphabetisch geordnet, was zu krassen Schnitten führt, die jedoch in Kauf genommen werden, da sie zum Nachdenken anregen können. Das gilt auch für Wiederholungen, weil die einzelnen Geschichten originalgetreu erhalten bleiben sollten. Vielleicht animiert die eine oder andere Geschichte sogar dazu, sich das dazugehörige Buch selbst zu besorgen.
Für mich war es eine Art Wiederbegegnung mit Autorinnen und Autoren, von denen ich viele persönlich kannte und kenne, mit denen ich befreundet war und bin, von denen etliche jedoch schon nicht mehr leben. Es waren Glücksfälle, mit ihnen oder ihren Nachkommen und Freunden rechtzeitig in Kontakt gekommen zu sein, um durch unsere Publikationen ihre Schicksale vor dem Vergessen zu bewahren.
Die Editionsarbeiten haben mich nicht zuletzt zu zahlreichen Reisen nach Rumänien und in die Ukraine geführt, wo ich viele Gedenkstätten besuchen konnte, die mir die dort geschehenen Geschichten noch näher brachten.
Aktualisiert: 2021-07-14
Autor:
Herman K. Abraham,
Othmar Bartfeld,
Margit Bartfeld-Feller,
Mirjam Bercovici,
Isiu Bessler,
Hedwig Brenner,
Mali Chaimowitsch-Hirsch,
Sassona Dachlika,
Jewgenija Finkel,
Yosef Govrin,
Sidi Gross,
Sylvia Hoişie,
Lotti Kahana-Aufleger,
Sidi Kassner,
Mirjam Korber,
Zvi Harry Likwornik,
Jacob Melzer,
Wolf Rosenstock,
Josef N Rudel,
Klara Schächter,
Emil Wenkert,
Erhard Roy Wiehn,
Markus Winkler
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Aus dem Vorwort von Erhard Roy Wiehn:
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Antijüdische Strömungen gab es in Rumänien schon mindestens seit dem 19. Jahrhundert. Im Jahre 1930 lebten in Rumänien rund 722.000 Jüdinnen und Juden, d.h. 4% der Gesamtbevölkerung, wobei ihre tatsächliche Zahl etwas höher angenommen werden kann. Die rechtliche Gleichstellung der Juden 1919 bzw. 1923 verstärkte die antijüdische Bewegung im Land, die von Intellektuellen, etwa an der Universität von Iasi, vor allem aber von den "Legionären" der "Eisernen Garde" getragen wurde, "national-religiös" motiviert war und sich besonders gegen die Juden Bessarabiens und der Moldau richtete.
Nach dem Beschluss der rumänischen Regierung vom 9. Juli 1940 wurden Juden aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Ab 16. Oktober 1940 erschienen Gesetze zur Enteignung und "Rumänisierung", d.h. etwa das, was in Deutschland "Arisierung" hieß; es kam vermehrt zu Ausschreitungen und am 22. und 23. Januar 1941 zu einem blutigen Pogrom in Bukarest. Am 29. Juli 1941, noch bevor Rumänien in den Krieg eingetreten war, wurde der schwere Pogrom in Iasi inszeniert, bei dem Tausende von Menschen starben (Jacques Zwieback S. 155 ff.). Am 13. Oktober 1941 wurde die jüdische Bevölkerung der Südbukowina nach Transnistrien deportiert (hier S. 43 ff u. viele weitere Beiträge).
Nach der raschen Rückeroberung der seit 1940 sowjetisch besetzen Bukowina und Bessarabiens begann hier eine Judenverfolgung gewaltigen Ausmaßes, welche die obwaltenden antijüdischen Maßnahmen im rumänischen Kernland beinahe in den Schatten stellte. "Mit der stillschweigenden Zustimmung der Bukarester Regierung", so Andrei Corbea-Hoisie, "haben Einheiten der rumänischen Armee in Bessarabien und in der Nordbukowina kleinere und größere Pogrome organisiert, denen Tausende von Unschuldigen zum Opfer fielen." Die Absichten der Regierung Antonescu seien aber viel weiter gegangen:
"Als Strafe für die vermeintliche Kollaboration der Juden mit den Sowjets sollte die ganze jüdische Bevölkerung aus Bessarabien und der Bukowina in die ukrainischen Territorien jenseits des Bug deportiert werden, der Anfang einer beabsichtigten Säuberung Rumäniens von allen seinen Juden. Da die Deutschen es ablehnten, die deportierten Juden zu nahe an die Front umzusiedeln, entschied man sich in einer deutsch-rumänischen Konvention vom August 1941, dass die Konzentrationslager für die Juden aus Bessarabien und der Bukowina in der Region zwischen Dnjestr und Bug, also in dem von der rumänischen Armee verwalteten sogenannten "Transnistrien" lokalisiert wer-den sollten."1
Raul Hilberg bemerkt, dass die Rumänen in "Transnistrien", der be-setzten damaligen südwestlichen Sowjet-Ukraine, mit größter Härte gegen die Juden vorgegangen seien: "In diesem Gebiet, genauer ge-sagt im Raum Odessa und Golta töteten die Rumänen (…) etwa 15.000 einheimische Juden. Außer Deutschland war kein anderes Land in Judenmassaker solchen Ausmaßes verstrickt." Am 8. Juli 1941 hatte "Staatsführer" Antonescu in einer Sitzung des Ministerrates erklärt, "dass heute ein günstiger Augenblick in unserer Geschichte besteht, um die Juden aus Bessarabien und der Bukowina zwangsauszusiedeln." Am gleichen Tag habe der Befehlshaber der Gendarmerie in Bessarabien, Oberst Meculescu, die Festnahme aller Juden in den ländlichen Gebieten der Provinz angeordnet: "In der letzten Juliwoche (1941) begannen die Rumänen in lokaler Initiative, etwa 25.000-30.000 Juden aus dem nordbessarabischen Raum über den Dnjestr hinweg in ein Gebiet abzuschieben, das seinerzeit noch deutsches Militär- und 'Interessengebiet' war."2
…
1 Andrei Corbea-Hoişie in: Mirjam Korber, Deportiert. Konstanz 1993, S. 23.
2 Raul Hilberg, Die Vernichtung der europäischen Juden. (1961) 3 Bände, Frankfurt/M. 1990, S. 812 u. 823.
Aktualisiert: 2022-01-27
Autor:
Margit Bartfeld-Feller,
Mirjam Bercovici,
Mirjam Bercovici-Korber,
Isiu Bessler,
Hedwig Brenner,
Mali Chaimowitsch-Hirsch,
Sassona Dachlika,
Iulia Deleanu,
Jewgenija Finkel,
Matei Gall,
Yosef Govrin,
Sidi Gross,
Beno Hoisie,
Sylvia Hoişie-Korber,
Bernhard Horowitz,
Laura Horowitz,
Lotti Kahana-Aufleger,
Sidi Kassner,
Herman Konradowitsch Abraham,
Mirjam Korber,
Geza Kornis,
Zvi Harry Likwornik,
Valeriu Marcu,
Jacob Melzer,
Andrei Oisteanu,
Sonja Palty,
Marcel Pauker,
Wolf Rosenstock,
Josef N Rudel,
Victor Rusu,
Klara Schächter,
Itzik Schwarz-Kara,
Andrei Voinea,
Emil Wenkert,
Erhard Roy Wiehn,
Markus Winkler,
Jacques Zwieback
> findR *
Ich, Zvi Harry Likwornik, wurde am 29. März 1934 in Czernowitz geboren, der damaligen Hauptstadt der Bukowina (Rumänien). Meine Eltern waren Dora (geb. Katz) und Willy Wolf Zeev Likwornik. Bei meiner Geburt wurde mir der hebräische Vorname Zvi gegeben (deutsch Hirsch, jiddisch Hersch), Harry war mein bürgerlicher Vorname im Sinne der Anpassung an die deutschsprachige Umgebung, so auch bei meinem älteren Bruder Manfred Elimelech; erst später in Israel wurden dann unsere hebräischen Vornamen benutzt. Für Mama waren wir jedoch stets Manfred und Harry. Zvi wurde ich nach Zvi Hersch Rennert (1860–1932) genannt, dem Vater von David Rennert, Tante Rosas Mann. Zvi Rennerts Frau Pesia Peppi Dvora Rennert (geb. Katz, 1867–1935) war eine Verwandte der Familie meines Großvaters Izik Katz.
Mein ganzes Leben hatte ich die Illusion, dass mir meine grausam geraubte Kindheit irgendwann im Leben zurückgegeben würde. Als ich an meinem Lebensabend feststellte, dass dies nicht geschah und nie geschehen wird, hatte ich das Bedürfnis, wenigstens meine Kindheitserinnerungen aufzuschreiben und weiterzugeben, aber ich hatte nie gedacht, dass das Hervorholen der Erinnerungen aus der Tiefe dieser schrecklichen Zeit so schwer für mich sein würde. Ich wählte diesen schweren Weg in meine ferne Vergangenheit für meine Enkel, Urenkel und die nächsten Generationen, damit es alle wissen können, was mir und meiner Familie widerfahren war. Im Jahre 1941 bin ich als Siebenjähriger in den Holocaust geraten und versuchte nun aufzuschreiben, was ich damals gesehen, gefühlt, selbst erlebt und erlitten habe. Die meisten meiner persönlichen Erinnerungen beginnen mit 7. Jahren im Herbst 1941, dem Beginn unserer persönlichen Schoah. Der Teil meines Lebens von meiner Geburt bis zu diesem Alter ist mir teils durch die Geschichten meiner Mutter (die mein Bruder und ich Mama nannten) und unserer Verwandtschaft bekannt, teils auch durch eigene Erinnerungen. Da die Ereignisse seit meinem 7. Lebensjahr so dominant und schwer waren, erinnere ich mich ständig daran, erlebe sie tagtäglich und besonders in der Nacht wieder und wieder. Die hebräische Ausgabe meiner Kindheitserinnerungen wurde dank der aktiven Hilfe von Warda Granot (Holon) vollendet und somit mein Traum vieler Jahre 2011 endlich verwirklicht. Galia Ben Tov (Sichron Yaakov) hat den hebräischen Text ins Deutsche übersetzt, und Prof. Wiehn (Konstanz) hat diesen schließlich lektoriert und zum Druck vorbereitet. über diese deutsche Ausgabe freue ich mich auch deshalb ganz besonders, weil Deutsch die Sprache meiner Mutter war und also meine Muttersprache geblieben ist.
Aktualisiert: 2020-03-18
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