M 323: Thomas Hammer, Raphael Pleß, Sebastian Will, Alexandra Neukum, Nora Leona Merke:
Anwendungsmöglichkeiten von Motorradsimulatoren
99 S., 57 Abb., 3 Tab., ISBN 978-3-95606-651-1, 2022
Im Pkw-Sektor wird bereits eine Vielzahl sicherheitsrelevanter Forschungsfragen mit Hilfe von Fahrsimulatoren untersucht. Zudem liegen viele Studien zur Übertragbarkeit der in Simulatoren gewonnenen Erkenntnisse auf den realen Straßenverkehr vor. Im Vergleich dazu befindet sich der Einsatz der Motorradsimulation in einem sehr frühen Stadium. Die langjährigen Erfahrungen im Pkw-Sektor zeigen, dass Fahrsimulatoren einen wesentlichen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten können. Dieses Potenzial gilt es für Motorradsimulatoren ebenfalls zu überprüfen. Motorradsimulatoren – insbesondere mit einem komplexen technischen Aufbau für Forschungs- und Entwicklungsfragestellungen – wurden bislang nur in sehr wenigen Forschungseinrichtungen aufgebaut. Wissenschaftliche Studien zur Anwendbarkeit bzw. Übertragbarkeit der mit Motorradsimulatoren erzielten Ergebnisse liegen kaum vor. Darüber hinaus ist nicht geklärt, welche Ausbaustufen der Motorradsimulation für die Beantwortung spezifischer Fragestellungen hinreichend oder notwendig sind. Dies stellt insbesondere vor dem Hintergrund der hohen Zahl schwerer und tödlicher Unfälle von Motorradfahren ein erhebliches Defizit dar (DESTATIS; 2020a). Die Durchführung sicherheitsrelevanter Studien an Motorradsimulatoren könnte – wie im Pkw-Bereich auch – als wichtiges Werkzeug zur gefahrlosen und effizienten Untersuchung z.B. von eingreifenden Assistenzsystemen wie automatischen Notbrems- oder Ausweichsystemen beitragen, oder als gefahrenfreies Werkzeug für Fahrtrainings genutzt werden und damit einen positiven Effekt auf die Sicherheit von Motorradfahrern haben. Um sich diesem Ziel zu nähern, müssen jedoch Erkenntnisse hinsichtlich der Eignung von Motorradsimulatoren vorliegen. Entsprechend verfolgt das vorliegende Projekt zwei Ziele: Erstens sollen Erkenntnisse über Einsatzmöglichkeiten von Motorradsimulatoren unterschiedlicher Ausbaustufen generiert werden. Daraus soll eine Entscheidungshilfe erarbeitet werden, die Anwendern aufzeigt, bei welcher Art von Fragestellung Motorradsimulatoren (in unterschiedlichen Ausbaustufen) eingesetzt werden können. Zweitens soll im Rahmen des Projekts eine Methodik zur Validierung von Motorradsimulatoren entwickelt werden, die mit einer definierten Anzahl an Untersuchungen Aussagen hinsichtlich der Validität für die im ersten Teil ermittelten Einsatzmöglichkeiten erlauben soll. Kern der entwickelten Methodik ist die Annahme, dass sich komplexe Fahraufgaben in kleinere, fahrhandlungsunterscheidende Einheiten, die sogenannten Minimalszenarien, unterteilen lassen. Hierbei handelt es sich um Aufgaben wie beispielsweise Anfahren aus dem Stand, Einleiten einer Kurve mit konstanter Geschwindigkeit oder Bremsung in den Stand. Des Weiteren wird angenommen, dass sich Minimalszenarien im Nachgang zu komplexen Fahraufgaben zusammenführen lassen. Hierdurch soll die Vielzahl möglicher Anwendungsfelder auf den kleinsten Satz gemeinsamer elementarer Aufgaben gebracht werden, um den Validierungsaufwand zu reduzieren. Um neben dem Vergleich zwischen Realfahrzeug und Motorradsimulation eine erste Abschätzung hinsichtlich der benötigten Ausbaustufe eines Simulators treffen zu können, wurde die Untersuchung mit einem Messmotorrad des Typs Honda NC 700 X, dem dynamischen „DESMORI“ Motorradsimulator und dem statischen Motorradsimulator der WIVW GmbH durchgeführt und die Ergebnisse miteinander verglichen. Zur umfassenden Betrachtung wurden neben fahrdynamischen Parametern Kenngrößen zum Fahrerverhalten sowie der messbaren und subjektiv erlebten Beanspruchung einbezogen. Auf Basis einer großen Anzahl potenzieller Anwendungsfelder wurden Minimalszenarien abgeleitet, die eine Beschreibung dieser zulassen. Mit einer Teilauswahl der relevantesten Minimalszenarien wurde eine Verifikationsstudie mit N = 6 Fahrern durchgeführt, in der Sequenzen (Aneinanderreihungen von Minimalszenarien) in unterschiedlichen Dynamikabstufungen1 untersucht wurden. Im Rahmen der Verifikationsstudie konnten anhand der unterschiedlichen Minimalszenarien stabile Eigenschaften der Simulatoren beobachtet werden, die sich auf Ebene von Geschwindigkeitseffekten, Stabilitätseffekten und Effekten auf Ebene der Regelung und Beanspruchung beschreiben lassen. Insgesamt zeigten sich Indizien für größere Potenziale des dynamischen Simulators für Fragestellungen, die eine 1 Mit Dynamikabstufungen werden im Folgenden unterschiedliche Zielgeschwindigkeiten, Beschleunigungen und Verzögerungen beschrieben. 4 Rückmeldung des „Fahrgefühls“ erfordern, wohin eine bessere Eignung des statischen Simulators für Fragestellungen indiziert ist, die ein Beanspruchungsniveau erfordern, wie es in der Realfahrt vorliegt. In einer anschließenden Probandenstudie mit N = 15 Normalfahrern wurde untersucht, inwiefern die in den Minimalszenarien beobachtbaren Fahreigenschaften der Simulatoren auch in dynamischeren Fahrsituationen auftreten. Zu diesem Zweck wurden die Minimalszenarien zu komplexen Fahraufgaben zusammengeführt. Dabei wurde der sogenannte Rapid Serial Visual Presentation Task (RSVP), ein Ausweich- bzw. Ausweich-Brems-Manöver und eine Fahrt im öffentlichen Straßenverkehr untersucht. Hierbei konnten die generellen Eigenschaften der zwei Simulatoren bzw. des Messmotorrads aus der Verifikationsstudie repliziert werden. Mit dem vorliegenden Projekt konnten erste Anwendungserfahrungen für eine neuartige Validierungsmethodik für Fahrsimulatoren gesammelt und dokumentiert werden. Darüber hinaus wurde auf Basis der gewonnenen Daten eine Entscheidungshilfe entwickelt, die Anwender dabei unterstützt in Abhängigkeit von der vorliegenden Fragestellung die richtige Versuchsumgebung auszuwählen.
Aktualisiert: 2023-01-16
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F 142: Florian Scherer, Hermann Winner, Raphael Pleß, Sebastian Will, Alexandra Neukum, Maximilian Stanglmaier, Maximilian Bäumler, Christian Siebke, Günther Prokop:
Schräglagenangst
54 S., 62 Abb., 5 Tab., ISBN 978-3-95606-622-1, 2021 € 14,50
Ziel des Projektes FE 82.0710/2018 „Schräglagenangst“, bearbeitet durch das Fachgebiet Fahrzeugtechnik (FZD) der Technischen Universität Darmstadt (TUDA), das Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften GmbH (WIVW) und Auto Mobil Forschung Dresden GmbH (AMFD), ist die Analyse gefahrener Schräglagen von Motorradfahrenden. Hierbei werden sowohl Alltags- wie auch Gefahrensituationen eines möglichst breiten Fahrendenkollektivs untersucht. Zum einen soll projektseitig untersucht werden, ob ein schräglagenängstlicher Fahrendentyp existiert, der unabhängig von der Fahrsituation ein Überschreiten einer Rollwinkelschwelle vermeidet. Dieses Verhalten kann zu gefährlichen Situationen aufgrund zu hoher Kurvengeschwindigkeiten führen, obwohl diese durch größere Schräglagen vermieden werden könnten. Zum anderen soll in dem Projekt das Fahrendenverhalten bei situationsbedingtem Nichtausnutzen des möglichen Schräglagenpotenzials analysiert werden. Im Rahmen dessen werden Methodiken zur Ermittlung des Fahrendenverhaltens in schräglagenängstlichen Situationen sowie zur Ermittlung eines schräglagenängstlichen Fahrendentyps entwickelt. Dazu gehören die Auslegung pseudo-kritischer Manöver zur Untersuchung des Fahrendenverhaltens im Teststreckenversuch sowie ein Fragebogen zur Ermittlung schräglagenängstlicher Fahrendentypen. Ein weiteres Ziel dieses Projekts ist die breite Erfassung gefahrener Schräglagen von Motorradfahrenden im Straßenverkehr. Insgesamt werden drei verschiedene Messtechnikkonzepte umgesetzt. Das erste basiert auf einem Messmotorrad für Probandenfahrten im Straßenverkehr. Das zweite auf einer Smartphone-Application (App), die im Rahmen des Projekts entwickelt wurde. Bei der Smartphone-Application wird dabei auf die im Smartphone integrierten Sensoren zurückgegriffen. Das dritte Konzept zielt auf eine Stationärmesstechnik, die für einen Zeitraum von mindestens einem Tag oder länger in Kurvenbereichen aufgestellt werden kann, um dort ein möglichst großes Fahrendenkollektiv beobachten zu können, wenn auch mit Einbußen bei den Kenntnissen über den jeweiligen Fahrendentyp bzw. das individuelle Fahrkönnen. Im nächsten Schritt wird auf die Umsetzung der erarbeiteten Konzepte in Fahrversuchen eingegangen. Hier werden zwei verschiedene vordefinierte Streckenabschnitte im Dresdener Umkreis und in der Nähe von Würzburg beschrieben. Zudem wird die Umsetzung der pseudokritischen Manöver bei Teststreckenversuchen in Darmstadt dargelegt. Im Rahmen der Fahrstudien in Würzburg und Dresden konnte aufgezeigt werden, dass sich im Alltag 75 % aller gefahrenen Schräglagen unter einem Schwellwert von 25° befinden. Hierbei weisen Fahrende mit höherer berichteter Schräglagenangst durchschnittlich geringere maximale Rollwinkel und Rollwinkelspektra auf. Weiterhin konnten erste alters- und fahrleistungsbedingte Abhängigkeiten der Schräglagen beobachtet werden. In den Fahrversuchen auf abgesperrtem Gelände konnte eine Eignung der Manöver zur Untersuchung von Schräglagenangst-Phänomenen bestätigt werden. Eine allgemein gültige Reaktion auf eine bestimmte Situation konnte nicht nachgewiesen werden. Die Reaktionen sind sehr individuell und abhängig von dem sonstigen Fahrstil. Das plötzliche Auftauchen eines Hindernisses in einer nicht einsehbaren Kurve zeigte bei den meisten Fahrenden starke Reaktionen im Fahrverhalten. Zusammenfassend wird innerhalb des Projekts die Hypothese der Existenz einer Schräglagenschwelle bestätigt. Diese ist jedoch nicht wie ursprünglich vermutet auf einen bestimmten Rollwinkelwert fixiert, sondern vielmehr eine persönliche und individuelle Schwelle. Sie wird weder in Normalsituationen noch in Schrecksituationen unterschritten, aber auch nicht deutlich überschritten. Dies bedeutet, dass bei der Notwendigkeit eines größeren Rollwinkels als des persönlich Maximalen ein Verlassen des eigenen Fahrstreifens und ein Unfall droht. Hier wird als mögliche Weiterarbeit eine flächendeckende Studie zur Untersuchung der Steigerungsmöglichkeiten der eigenen Schräglagenschwelle empfohlen. Dies könnte zum Beispiel mit neuartigen Trainingskonzepten möglich sein.
Aktualisiert: 2022-11-03
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F 141: Nadja Schömig, Katharina Wiedemann, Ruth Julier, Alexandra Neukum, André Wiggerich, Heike Hoffmann:
Methoden für die Bewertung der Mensch-Maschine-Interaktion beim teilautomatisierten Fahren
96 S., 14 Abb., 12 Tab., ISBN 978-3-95606-591-0 €18,00
Der Bericht stellt zwei standardisierte methodische Ansätze zur Bewertung der Effizienz und Sicherheit der Mensch-Maschine-Interaktion (MMI) bei der Nutzung von teilautomatisierten Fahrfunktionen vor. Dazu wurden Prüfkriterien definiert, welche die Erfüllung der dazu notwendigen Anforderungen an die Vermittlung eines angemessenen Systemwissens, eines adäquaten System- und Situationsbewusstseins, einer wenig beanspruchenden Systembedienung und einer sicheren Fahrerreaktion an Systemgrenzen erfassen sollen. Mittels einer Expertenbewertung als erste Methode wird geprüft, ob die Mensch-Maschine-Schnittstelle (MMS, d. h. die Anzeigen, Systemausgaben und die Bedienelemente) die Mindestanforderungen bezüglich Wahrnehmbarkeit und Verständlichkeit von Systemzuständen erfüllt. Der Fokus liegt dabei auf visuellen und akustischen Systemausgaben. Zusätzlich werden Aspekte der Vermittlung eines angemessenen Systemverständnisses über das Benutzerhandbuch sowie der Systembedienung bewertet. Zur Überprüfung dieser Aspekte wurde eine Checkliste mit insgesamt 14 Anforderungen entwickelt. Das Verfahren kann auf Teststrecken oder im Realverkehr angewendet werden. Dazu wird ein Set an Use Cases durchfahren, anhand derer die Erfüllung der einzelnen Items abgeprüft wird. Die Checkliste wurde im Rahmen von zwei Realfahrstudien und einer Fahrsimulatorstudie erprobt und weiterentwickelt. Dabei stand die Überprüfung der Validität (d. h. kann die Checkliste unterschiedlich gute Mensch-Maschine-Interaktionskonzepte voneinander unterscheiden) sowie der Reliabilität (d. h. inwieweit kommen unterschiedliche Rater bei der Bewertung eines Systems auf vergleichbare Ergebnisse) im Vordergrund. Als zweite Methode wurde ein standardisiertes, szenarienbasiertes Beobachtungs- und Befragungsinstrument zur Bewertung der Systeminteraktion entwickelt. Als Bewertungskriterien werden Probleme bei der Systembedienung, im Fahrverhalten sowie Einschränkungen des Überwachungsverhaltens erfasst, die in ein übergeordnetes Versuchsleiterrating pro Use Case münden. Darüber hinaus werden Aspekte des Systemverständnisses über eine Befragung des Fahrers zu einzelnen MMS-Anzeigen und Systemreaktionen erfasst. Diese Bewertungskategorien sind in anschaulicher Form in einer Tablet-Anwendung, der sog. S.A.D.E.-App (Standardized Application for Automated Driving Evaluation), umgesetzt. Die Methode wurde in zwei Simulatorstudien und während einer Fahrt im Realverkehr mit einem Seriensystem erprobt und validiert. Für eine umfassende, standardisierte Bewertung der Mensch-Maschine-Interaktion beim teilautomatisierten Fahren wird empfohlen, beide Methoden in Kombination zu verwenden. Das Verfahren kann um zusätzliche Methodenbausteine zur Erfassung der langfristigen Entwicklung von Systemvertrauen und -akzeptanz sowie Verhaltensanpassungen erweitert werden.
Aktualisiert: 2022-11-03
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F 131: Fahrerassistenz- und Fahrerinformationssysteme (FAS/FIS) – Personale Voraussetzungen ihres Erwerbs und Nutzung durch ältere Kraftfahrerinnen und -fahrer
Volker Hargutt, Ramona Kenntner-Mabiala, Yvonne Kaussner, Alexandra Neukum
103 Seiten (4,5 MB), 23 Abb., 11 Tab., ISBN 978-3-95606-489-0, 2019
In den nächsten Jahren ist mit einer steigenden Anzahl autofahrender Senioreninnen und Senioren im Straßenverkehr zu rechnen. Mit zunehmendem Alter gehen jedoch zahlreiche fahrrelevante Leistungsveränderungen und Einschränkungen einher. Ein relativ neuartiger Ansatz zur Kompensation altersbedingter Einschränkungen und zur Senkung des Unfallrisikos ist der gezielte Einsatz von Fahrerassistenz- und -informationssystemen (FAS/FIS). Im Rahmen dieses Projekts werden die personalen Voraussetzungen älterer Autofahrer für Erwerb und Nutzung derartiger Systeme untersucht.
In einer Literaturanalyse werden Möglichkeiten zur Erhöhung der Verkehrssicherheit durch den Einsatz von FAS/FIS dargestellt. Basierend auf einem Überblick über Akzeptanzuntersuchungen von FAS/FIS werden Faktoren herausgearbeitet, die speziell für Senioren von hoher Bedeutung sind.
Im empirischen Teil des Projekts werden über zwei verschiedene methodische Zugänge Informationen über die personalen Voraussetzungen des Erwerbs und der Nutzung von FAS/FIS durch ältere Autorfahrer gesammelt. Zum einen über Einzelinterviews von Autohändlern, die in Kontakt mit älteren Kunden stehen, zum anderen über Fokusgruppendiskussionen direkt mit der Zielgruppe.
Die Autohausbefragungen zeigen, dass der Verkaufsberater eine entscheidende Rolle bei der Information älterer Fahrer spielt. Das Thema „Fahrerassistenzsystem“ wird selten von den Kunden selbst angesprochen, sondern muss vom Kundenberater gezielt adressiert werden. Während jüngere Kunden sich Fahrerassistenzsysteme oft aus Komfort- und Prestigegründen kaufen, ist bei älteren Kunden der Sicherheitsaspekt das bedeutendste Argument für den Kauf eines Systems. Sehr große Bedeutung messen die interviewten Verkaufsberater Probefahrten zu: Sie können Ängste und Bedenken nehmen und teilweise auch Skeptiker überzeugen. Als Kauf- und Nutzungsbarrieren nannten die Berater Zweifel hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Systems und die relativ hohen Kosten für FAS/FIS.
Anliegen der Fokusgruppendiskussionen ist es, Vertreter der Zielgruppe „ältere Autofahrer“ direkt zu befragen. Der Großteil der Fokusgruppenteilnehmer hat sich bis zum Workshop mit dem Thema FAS/FIS noch sehr wenig auseinandergesetzt und entsprechend auch nur sehr wenig Vorwissen zum Thema aufgebaut. Interessanterweise lässt sich aber bei sehr vielen Teilnehmern bereits durch eine sehr knappe Information zur Funktionsweise einzelner Systeme zumindest eine Nutzungs- bei manchen sogar eine Kaufintention erzeugen.
Basierend auf den Erkenntnissen der Literaturanalyse, der Autohausbefragungen und der Fokusgruppendiskussionen wird ein Arbeitsmodell zum Einfluss personaler Faktoren auf die Nutzungsintention älterer Autofahrer von FAS/FIS entworfen. Dieses Arbeitsmodell soll OEMs, Verbände usw. darin unterstützen, konkrete Maßnahmen zu einer weiteren Verbreitung von FAS/FIS unter älteren Fahrern abzuleiten. Zur Quantifizierung einzelner Einflussfaktoren wurde ein Fragebogen entwickelt, den mittels einer Online-Umfrage 585 Personen beantworteten. Mittels logistischer Regression werden die im Arbeitsmodell spezifizierten Prädiktoren daraufhin überprüft, ob sie einen relevanten Einfluss auf die Nutzungsintention verschiedener FAS/FIS haben.
Die Ergebnisse zeigen, dass ein einziges Modell zur Vorhersage einer Nutzung von FAS/FIS im Allgemeinen fehlschlagen muss. Jedes FAS/FIS weist gewisse Merkmale auf, die es von anderen FAS/FIS unterscheidet und die offensichtlich auch einen Unterschied hinsichtlich einer Nutzungsintention machen. So werden an ein sehr selten agierendes Notsystem andere Kriterien angelegt, als an ein System, das kontinuierlich in das Fahrgeschehen eingreift.
Bereits heute sind einige Voraussetzungen gegeben, die eine weitere Verbreitung von FAS/FIS unabhängig vom Geschlecht und Alter potenzieller Nutzer in den nächsten Jahren sehr wahrscheinlich machen. Beschleunigen lässt sich dieser Prozess durch weitere gezielte Informationsverbreitung hinsichtlich der Möglichkeiten, bestimmte physische/kognitive Einschränkungen (die nicht unbedingt nur eine bestimmte Altersgruppe betreffen) mit Hilfe vom FAS/FIS zu kompensieren. Über eine Analyse des Mobilitätsverhaltens und potenzieller Einschränkungen sollten potenziellen Neuwagenkäufern FAS/FIS gezielt und bedarfsgerecht angeboten werden. Zentrale Bedenken hinsichtlich FAS/FIS hatten viele Befragte in Bezug auf zu erwartende Folgekosten sowie zu Fragen der Datensicherheit. Hier ist eine transparente Informationspolitik hilfreich, die den Kunden Sicherheit bezüglich zu erwartender Folgekosten und der Datensicherheit vermittelt.
Aktualisiert: 2020-01-17
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BASt M 253: Simulatorstudien zur Ablenkungswirkung fahrfremder Tätigkeiten
N. Schömig, St. Schoch, A. Neukum, M. Schumacher, B. Wandtner
104 S., 68 Abb., 22 Tab., ISBN 978-3-95606-142-4, 2015, EUR 18,50
Im Zuge stetig wachsender Verbreitung von Multimediageräten, wie Smartphones und Tablet-PCs, die auch während der Fahrt im Auto genutzt werden können, vergrößert sich das Problemfeld fahrfremder Tätigkeiten zunehmend und dringt verstärkt ins öffentliche Bewusstsein. So kann mit den neuen technischen Geräten nicht mehr nur telefoniert werden, es können auch vielfältige andere Aktivitäten ausgeführt werden, wie beispielsweise das Verfassen und Versenden von Kurznachrichten oder Emails sowie das Surfen im Internet. Wissenschaftliche Studien zur Ablenkungswirkung solcher neuer Funktionalitäten im Fahrzeug und deren mögliche Gefahren für die Fahrsicherheit sind daher von besonderer Bedeutung.
Der vorliegende Bericht stellt zwei Simulatorstudien zu diesem Themenkomplex vor und diskutiert die daraus resultierenden Befunde im Hinblick auf das Ausmaß der Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit.
Im Rahmen einer im Fahrsimulator der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) durchgeführten Studie wurde an 39 Probanden untersucht, in wieweit Fahrer dazu in der Lage sind, die Beschäftigung mit einer fahrfremden Tätigkeit an die Anforderungen anzupassen, die aus unterschiedlichen Verkehrssituationen erwachsen. Hierzu wurde eine visuo-motorische Nebenaufgabe untersucht, vergleichbar dem Eingeben einer Telefonnummer oder dem Erstellen einer Kurznachricht. In einer Bedingung musste diese Nebenaufgabe unter Zeitdruck in vorgegebenen Streckenabschnitten bearbeitet werden (Blockbedingung), während die Fahrer in der anderen Bedingung die Möglichkeit hatten, die Aufgabe nur dann zu bearbeiten, wenn die Verkehrssituation dies ihrer Meinung nach erlaubte (Selbstregulationsbedingung). Darüber hinaus wurden Vergleichsdaten zum Fahren ohne diese Nebenaufgabe erhoben.
In kritischen Verkehrssituationen kam es in der Blockbedingung unter Ablenkung zu signifikant mehr Fahrfehlern; insbesondere die Spurhaltung war hier stark beeinträchtigt. Bei der Anzahl der Kollisionen ließen sich dagegen keine Unterschiede nachweisen. Abgelenkte Fahrer fuhren in kritischen Situationen allerdings auch oftmals deutlich langsamer (Kompensationsreaktion). Hatten die Fahrer die Möglichkeit zur Selbstregulation, machten sie kaum mehr Fahrfehler als nicht abgelenkte Fahrer. Sie bearbeiteten dabei in den kritischen Situationen auch weniger Aufgaben. Die Ergebnisse werden unter Berücksichtigung spezifischer Strategien bei der Selbstregulation sowie moderierender Faktoren diskutiert.
In einer weiteren Studie, die im Fahrsimulator des Würzburger Instituts für Verkehrswissenschaften (WIVW GmbH) durchgeführt wurde, wurden verschiedene Aufgaben untersucht, die mittels Smartphones ausgeführt werden können: Das Verfassen und das Lesen von Kurznachrichten, das Eingeben von Telefonnummern in Vorbereitung eines Telefonats sowie der Informationsabruf aus dem Internet. Je 24 Fahrer bearbeiteten diese Aufgaben in einem freien Bedienkontext, d.h. direkt über Eingaben am Smartphone, das in einer Halterung am Armaturenbrett befestigt war. Die anderen 24 Fahrer bearbeiteten diese Aufgaben in einer integrierten Bedienlösung, die die Möglichkeit zur Nutzung einer Sprachsteuerung bot und die Nutzung des Internets auf ausgewählte Inhalte beschränkte. Die Auswirkungen dieser fahrfremden Tätigkeiten auf das Blickverhalten, die Fahrleistung und die Fahrsicherheit wurden sowohl in einer standardisierten Folgefahrt (CarFollow Anordnung) als auch in einem komplexen Prüfparcours untersucht, der vielfältige Szenarien mit unterschiedlichen Anforderungen beinhaltete, mit denen Fahrer typischerweise beim Befahren von Autobahnen, im Innenstadtbereich und auf Überlandstrecken konfrontiert werden.
Es zeigte sich zusammenfassend, dass die Fahrleistung, sowohl im Hinblick auf die Längs- und Querregelung als auch in Bezug auf das Auftreten von Fahrfehlern besonders stark beeinträchtigt ist, wenn Aktivitäten ausgeführt werden, die hohe visuell-motorische Anforderungen an den Fahrer stellen. Hierzu gehört das Lesen und Eingeben von längeren Texten. Daher sind das Verfassen von Kurznachrichten oder Emails sowie anspruchsvolle Internetaktivitäten, wie z.B. das Lesen auf Mobilseiten von Nachrichtenanbietern und Zeitungen während der Fahrt als eher kritisch zu betrachten. Insgesamt schneiden die Aufgaben, die mittels einer integrierten Bedienlösung am Smartphone ausgeführt werden, im Hinblick auf das verursachte Ausmaß der Beeinträchtigung der Fahrleistung besser ab, da hier der visuell-motorische Aufwand erheblich reduziert ist. So führt das Verfassen von Textnachrichten mittels Spracherkennung, wie auch die Vorlesefunktion für eingehende Textnachrichten, zu deutlich weniger Ablenkung, so dass die Spurhaltung aufrechterhalten werden kann. Außerdem treten weniger Fahrfehler auf und die Fahrleistung wird insgesamt als weniger beeinträchtigt beurteilt. Die Fahrer der untersuchten Stichprobe würden eine Integration ihres Smartphones in das fahrzeuginterne Fahrerinformationssystem und damit verbundene Möglichkeiten und Einschränkungen akzeptieren.
Trotz der teilweise festzustellenden Einbußen in der Fahrleistung wurden keine gravierenden Auswirkungen der Nutzung der untersuchten Smartphoneanwendungen auf die Fahrsicherheit festgestellt. Die Anzahl kritischer Situationen, wie Gefährdungen anderer Verkehrsteilnehmer oder Kollisionen, stieg durch die Beschäftigung mit den Nebenaufgaben nicht bedeutsam an. Dies lässt sich unter anderem auf erhöhte Kompensationsbemühungen der Fahrer zurückführen, die sich in erhöhten Abständen oder geringeren Geschwindigkeiten während der Nebenaufgabenbearbeitung ausdrücken. In besonders zeitkritischen Situationen verzichtet ein bedeutsamer Anteil an Fahrern komplett auf die Aufgabenbearbeitung. Auch in dieser Studie war erkennbar, dass die Interaktion mit der Nebenaufgabe an die Anforderungen der jeweiligen Fahrsituationen angepasst wird.
Aktualisiert: 2021-08-05
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