Anna von Cleve (1515–1557), vierte Ehefrau von King Henry VIII (1491–1547) und Ex-Königin von England, ist am 16. Juli 1557 im 'King Henry VIII's Manor House' in Cheyne Walk, Chelsea, in London verstorben. Nach ihrem Tod hatte Mary I Tudor (1516–1558), Annas Stieftochter und seit 1553 Königin von England, ein königliches Begräbnis in der Westminster Abbey angeordnet. Nach der Trauerprozession am 3. August 1557 folgte auf Annas Wunsch hin ein Trauergottesdienst nach katholischem Ritus. Am Tag darauf wurde Anna im Sacrarium seitlich der Kapelle des hochverehrten, anglo-normannischen Edward the Confessor (c.1002–1066), ab 1042 König von England, an der Südseite vom Hochaltar bestattet.
Der mutmaßlich vom Steinmetz Theodore Haveus aus Cleve gefertigte, niedrig platzierte Sarkophag wird von vier massiven, rechteckigen Sockelträgern flankiert, auf denen eine lange Steinplatte liegt. Die damaligen Steinmetzarbeiten blieben über die Jahrhunderte unvollendet. Die eingravierten Symbole der inneren Sockel zeigen linker Hand Annas Initialen AC (Anna von Cleve) mit einer Krone und rechter Hand die Clevische Lilienhaspel. Dazwischen sind Totenköpfe und gekreuzte Knochen als Symbole der Sterblichkeit angeordnet. Die Bergischen und Jülichschen Löwenköpfe verleihen den beiden äußeren Sockelträgern die Symbolik der Stärke, die Annas Leben ausgezeichnet hat, und Leben, Tod und Auferstehung verbinden.
Posthum taucht im Dezember 1558 völlig überraschend bei Annas Neffen Johann Friedrich II. (* 1529), genannt "der Mittlere", Herzog von Sachsen [-Gotha] und ältester Sohn von Annas Schwester Sibylle von Cleve (1512–1554), Ex-Kurfürstin von Sachsen, die "auferstandene" Anna auf. Sie wird auf die Festung Schloss Grimmenstein in Gotha, Hauptresidenz des Herzogs, eingeladen. Die vermeintliche Anna, die der "echten" Anna verblüffend ähnelt und gleichaltrig aussieht, wirkt wie Annas aus dem Gesicht geschnittene "Schattenfrau".
Im Verlaufe des Jahres 1559 schwindelt die trickreich veranlagte Doppelgängerin das Blaue vom Himmel. Mit spielerischer Leichtigkeit löst sie allerorten in der gesamten Herzogfamilie von Sachsen bis an den Niederrhein eine veritable Krise als Dauerbrenner aus. Die "unechte" Anna tischt dem Herzog und seinen Räten ohne Ende haarsträubende Lügengeschichten aller Art auf, denen vorerst alle – mit Ausnahme von Johann Friedrichs jüngerem Bruder Johann Wilhelm (* 1530), Herzog von Sachsen [-Weimar] – ergeben Glauben schenken. Als es Räten und Hofbeamten der Residenz zu bunt wird, wird die ominöse Dame kurzerhand nach Schloss Tenneberg in Waltershausen verfrachtet, unweit von Gotha gelegen. Schloss Tenneberg, herzogliche Nebenresidenz und Jagdschloss, wird ab Ende Juli 1559 Handlungsort der weiteren Verhöre.
Diese geheimnisvolle Lügenboldin offenbart ihre mutmaßlich wahre Identität erst gegen Ende einer monatelangen Prozedur mit neun scharfen Verhören. Bei Gott, sie heiße "Anna Johanna" und sei die "natürliche" Tochter des verstorbenen Herzogs Johann von Cleve. Ihre Mutter habe sie in Köln zur Welt gebracht. Den Namen der Mutter wollte sie zunächst um keinen Preis offenbaren. Letztendlich quetschten die Folterknechte ihr den Namen "Margaretha von Schenk" aus den Rippen. Mutmaßlich könnte Margaretha eine Schwester von Heinrich von Schenk gewesen sein, den Anna Johanna als ihren Oheim bezeichnete. Schenk war Amtsdrost der ehemaligen (Reichsburg-) Grafschaft Stromberg im Oberstift des Hochstifts Münster. Heimat der Schenks könnte die von Anna Johanna erwähnte, östlich angrenzende lippische Grafschaft Rietberg gewesen sein.
Anna Johannas Mutter sei zu Zeiten ihrer Beziehung mit dem Herzog "Nonne" (Stiftsdame) im Reichsstift Essen gewesen. Dieses freiweltliche Reichsstift beherbergte ausschließlich "edelfreie" Jungfrauen und Damen aus dem Hochadel. Vogt und Schutzherr war bis 1515 Johann II. von Cleve (1458–1521), seit 1481 Herzog von Cleve-Mark. Fürstäbtissin zu Essen war zu jener Zeit (1489–1525) Meyna von Daun-Oberstein, Schwester von Petrissa, Äbtissin (1511–1531) im freiweltlichen Frauenstift St. Quirin in Neuss und am 01. Juli 1515 Taufpatin der zweitgeborenen Herzogstochter Anna von Cleve.
Das Hochadelsgeschlecht von Daun-Oberstein aus der Vulkaneifel stand dem Herzoghaus Cleve-Mark familiär sehr nah. Beide Äbtissinnen waren Schwestern von Philipp II., Kurfürst und Erzbischof von Köln (1508–1515) sowie Reichserzkanzler für Italien im Heiligen Römischen Reich (HRR). Deren Neffe war Wirich V. Graf von Daun-Falkenstein (1473–1546), Leiter der Brautreisedelegation der Anna von Cleve zu ihrer Hochzeit mit König Heinrich VIII. am 6. Januar 1540 in Greenwich.
Und wer war nun "Vater" von "Anna Johanna"? Der Endfuffziger Johann II. genannt "der Fromme", Träger der päpstlichen, goldenen "Tugendrose", und im Volke genannt "Jan dä Kindermaker" – wegen seiner vermeintlichen Vaterschaft von angeblich 63 (!) "natürlichen", nicht ehelichen Nachkommen ein per se "Verdächtiger"...? Tatsächlich sind dem Schürzenjäger acht amtlich und namentlich registrierte "Bastardkinder" mit Versorgungsanspüchen zuzuordnen. Darunter befindet sich keine "Anna Johanna".
Sein weniger flatterhaft veranlagter Sohn Johann III. (1490–1539) genannt "der Friedfertige" oder auch "der Einfältige", ab 1511 Herzog von Jülich-Berg im Recht seiner Ehefrau Maria, wurde kurz nach Annas Geburt am Tage vor St. Peter und Paul (28. Juni 1515) vom Vater zum Titularherzog und Regenten von Cleve-Mark erhoben. Ansporn, um endlich einen "Stammhalter" zu zeugen? Bemerkenswert ist jedenfalls, dass Johann III. infolge seiner Regentschaft Vogt vom Stift Essen wurde und Gelegenheit gehabt hätte, Anna Johannas Mutter dort kennenzulernen. Gelegenheit macht Diebe..! Wer weiß, was da dann ab Sommer 1515 passierte..!?
Sie selbst sei in verschiedenen Frauenstiften in Westfalen und am Niederrhein aufgewachsen und erzogen worden. Ihr Vater habe sich stets rührend um sie gekümmert, bis sie mit Anfang 20 das erste Mal verheiratet und Mutter eines Sohnes und einer Tochter geworden sei. Ihrem ersten Ehemann verpasste sie wechselnde Identitäten; angeblich sei ihr Mann nach 15 Jahren Ehe verstorben. Ihre Tochter lebe auch nicht mehr; vom Sohn wisse sie nichts. Als Witwe habe sie acht Jahre in Lüttich gelebt, wo sie Ihren zweiten Ehemann namens Wilhelm von Zieritz kennengelernt habe. Sie sei Zieritz nach England gefolgt, wohin sie ihr Oheim Heinrich von Schenk gebracht habe. Dort sei sie nach 1 1/2 Jahren in große Not geraten. Alles recht wirr..., und wer's glaubt, wird selig..!
Wenn "Anna Johannas" Zeitangaben annähernd wahrheitsgetreu sein sollten, dann dürfte sich ihr Aufenthalt in England um das Jahr 1555 bewegt haben. In ihrer Not sei sie in London von der Familie Manners beherbergt worden. Lady Manners habe ihre Ähnlichkeit mit Königin Anna erkannt und sie zu ihr gebracht. Die Eltern oder Schwiegereltern dieser nicht näher identifizierbaren Lady Manners spielten 1540 im Ehedrama um Königin Anna zentrale Rollen in Annas königlichem Haushalt. Eleanor Manners (1495–1551), geb. Paston, Countess of Rutland, war die einflussreichste ihrer vier 'Ladies-in-waiting' (Hofdamen in Dienstbereitschaft), die allesamt zur Crème de la crème des englischen Hochadels (Peerage of England) der zweiten Reihe (Ehefrauen von Grafen und Baronen) zählten. Eleanors Ehemann Thomas Manners (c.1497–1543), 1st Earl of Rutland, war Vorsitzender des Haushalts der Königin Anna (Lord Chamberlain).
Anna habe sie freudig bei sich aufgenommen und als ihre Halbschwester anerkannt. Sie habe der Königin Anna aus Dankbarkeit und familiärer Verbundenheit als Gürtelmagd (Kleiderkammerfrau) treu gedient. Als bekennende Protestantin habe sie wie andere lutherische oder reformierte Getreue der Königin Anna gegen Ende 1556 das re-katholisierte England aus religiösen Gründen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen wieder verlassen müssen. Auch Zieritz habe England fluchtartig verlassen. Während ihrer gemeinsamen Rückreise habe Zieritz sie bei Bremen schändlich sitzen lassen.
Niemand will jedoch der etwa Mittvierzigerin Glauben schenken, am allerwenigsten ihr heuchlerischer Halbbruder Wilhelm V. von Cleve (* 1516), seit 1539 Herzog des Vereinigten Herzogtums Jülich-Cleve-Berg. Wilhelmus dürfte vor Wut geschnaubt haben und fordert schriftlich von seinem Neffen, in härtester Weise vorzugehen. Der gnadenlose Scharfrichter des sächsischen Herzogs wird erneut aus Jena herbei zitiert, vermag jedoch selbst unter Anwendung grausamer Folter auf dem Streckbett nicht, ihren Widerruf zu erzwingen. Eine nochmals verschärfte Folter bspw. in der Stachelwiege oder mit dem gespickten Hasen wäre mit den Sachsen aber keineswegs zu machen gewesen.
Vor lauter Hilflosigkeit offenbart Wilhelm überraschenderweise pikante Familiengeheimnisse. Sein Vater habe lediglich zwei nicht eheliche Töchter, von denen eine noch lebe – im Kloster. Seine "Offenbarung" bleibt wenig konkret und nebulös. Mit Bezeugung seiner bei ihm am Düsseldorfer Hof lebenden Schwester Amalia (* 1517) und seiner Räte bestreitet der peinlich berührte Wilhelm allerdings vehement den Wahrheitsgehalt der fantasiegeladenen und vermeintlich erfundenen Familiengeschichte. Die Sachsen halten Wilhelm nicht für glaubwürdig; diese Heimlichtuerei kommt ihnen "spanisch" vor...
Ende Februar 1560 resigniert letztendlich die familieninterne "Inquisition". Dennoch wird die geschundene Delinquentin 'par ordre du mufti' zu lebenslanger Kerkerhaft verdonnert, endet aber nicht auf dem Scheiterhaufen. Über lange Zeit kehrte gespenstische Ruhe auf Schloss Tenneberg ein. Nachforschungen über den Verbleib von Anna Johanna sollen ergeben haben, dass Akten in Form von Rechnungen und Bestattungskosten aus dem Jahre 1565 existiert haben, die ihren Tod als Gefangene auf dem Tenneberg und ihre Bestattung 1565 auf dem Waltershäuser Friedhof belegt haben sollen.
Der Volksmund erzählt bis heute mancherlei Sagenhaftes. Dieses von satanischer Gewalt besessene Weib sei dort in einem finsteren Verlies vom Teufel eingemauert worden. Archäologen fanden bis heute nichts! Eine andere Saga handelt von der "Weißen Frau", die des Nachts ab Mitternacht eine Stunde lang als Spukfigur in ihrem weißen Kerkergewand und nach vermeintlich spurlosem Verschwinden der Schwindlerin in weißem Totengewand heulend und jammernd durch die Gemächer des Schlosses "gegeistert" sei. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann lebt sie noch heute... Als "Die Weiße Frau" ist sie für immer in die Heimatgeschichte eingegangen..!
Annas Schattenfrau hat nicht nur in Sagen, sondern auch im fiktiven Drama "Anna von Cleve oder Die Gürtelmagd der Königin" in fünf Akten von E. Meruell aus dem Jahre 1881 bis in unsere Tage literarisch überlebt. Die Anna von Cleve-Trilogie umfasst diese separat publizierte Reprint-Edition des Original-Manuskripts.
Der Herausgeber gibt in diesem illustrierten Geschichtslesebuch dem Leser Nachdrucke als Auszüge historischer Schriften renommierter Historiker des 19. Jh. über die "Schattenfrau" an die Hand. Darüber hinaus hat er sich den bis heute unaufgeklärten Geheimnissen von Annas Double zu nähern versucht und präsentiert am Ende seiner Edition im Epilog seine eigenen Ergebnisse und Erkenntnisse auf Basis von überlieferten Primärquellen aus dem 16. Jh. nach jüngstem Forschungsstand.
Aktualisiert: 2023-05-25
> findR *
Erzählung in der Darstellungsform eines Features auf Basis von Primärquellen aus nationalen und internationalen Archiven, Bibliotheken und Museen über den steinigen "Karriereweg" eines Burgfräuleins und Mauerblümchens aus Bergischem, Jülicher und Klever Land in der Renaissance; das reich bebilderte Album des aus Kleve gebürtigen Autors, der als Professor im Ruhestand hobbymäßig als 'amateur historicus' Familien- und Heimatgeschichte erforscht, ist in Vorbereitung; eine 8-seitige, farbige Leseprobe in Text & Bild (Sonderdruck mit Auszügen der NRZ-Serie, auf DIN-A-4 gefaltetes DIN-A-2-POSTER) ist kostenfrei (gegen Ersatz von Briefporto) unter der o. g. Verlagsadresse (Buchhandlung Hintzen) ab Anfang Oktober 2022 erhältlich.
Aktualisiert: 2023-05-25
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Erzählung in der Darstellungsform eines Features auf Basis von Primärquellen aus nationalen und internationalen Archiven, Bibliotheken und Museen über den steinigen "Karriereweg" eines Burgfräuleins und Mauerblümchens aus Bergischem, Jülicher und Klever Land in der Renaissance; das reich bebilderte Album des aus Kleve gebürtigen Autors, der als Professor im Ruhestand hobbymäßig als 'amateur historicus' Familien- und Heimatgeschichte erforscht, ist in Vorbereitung; eine 8-seitige, farbige Leseprobe in Text & Bild (Sonderdruck mit Auszügen der NRZ-Serie, auf DIN-A-4 gefaltetes DIN-A-2-POSTER) ist kostenfrei (gegen Ersatz von Briefporto) unter der o. g. Verlagsadresse (Buchhandlung Hintzen) ab Anfang Oktober 2022 erhältlich.
Aktualisiert: 2023-05-22
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Anna von Cleve (1515–1557), vierte Ehefrau von King Henry VIII (1491–1547) und Ex-Königin von England, ist am 16. Juli 1557 im 'King Henry VIII's Manor House' in Cheyne Walk, Chelsea, in London verstorben. Nach ihrem Tod hatte Mary I Tudor (1516–1558), Annas Stieftochter und seit 1553 Königin von England, ein königliches Begräbnis in der Westminster Abbey angeordnet. Nach der Trauerprozession am 3. August 1557 folgte auf Annas Wunsch hin ein Trauergottesdienst nach katholischem Ritus. Am Tag darauf wurde Anna im Sacrarium seitlich der Kapelle des hochverehrten, anglo-normannischen Edward the Confessor (c.1002–1066), ab 1042 König von England, an der Südseite vom Hochaltar bestattet.
Der mutmaßlich vom Steinmetz Theodore Haveus aus Cleve gefertigte, niedrig platzierte Sarkophag wird von vier massiven, rechteckigen Sockelträgern flankiert, auf denen eine lange Steinplatte liegt. Die damaligen Steinmetzarbeiten blieben über die Jahrhunderte unvollendet. Die eingravierten Symbole der inneren Sockel zeigen linker Hand Annas Initialen AC (Anna von Cleve) mit einer Krone und rechter Hand die Clevische Lilienhaspel. Dazwischen sind Totenköpfe und gekreuzte Knochen als Symbole der Sterblichkeit angeordnet. Die Bergischen und Jülichschen Löwenköpfe verleihen den beiden äußeren Sockelträgern die Symbolik der Stärke, die Annas Leben ausgezeichnet hat, und Leben, Tod und Auferstehung verbinden.
Posthum taucht im Dezember 1558 völlig überraschend bei Annas Neffen Johann Friedrich II. (* 1529), genannt "der Mittlere", Herzog von Sachsen [-Gotha] und ältester Sohn von Annas Schwester Sibylle von Cleve (1512–1554), Ex-Kurfürstin von Sachsen, die "auferstandene" Anna auf. Sie wird auf die Festung Schloss Grimmenstein in Gotha, Hauptresidenz des Herzogs, eingeladen. Die vermeintliche Anna, die der "echten" Anna verblüffend ähnelt und gleichaltrig aussieht, wirkt wie Annas aus dem Gesicht geschnittene "Schattenfrau".
Im Verlaufe des Jahres 1559 schwindelt die trickreich veranlagte Doppelgängerin das Blaue vom Himmel. Mit spielerischer Leichtigkeit löst sie allerorten in der gesamten Herzogfamilie von Sachsen bis an den Niederrhein eine veritable Krise als Dauerbrenner aus. Die "unechte" Anna tischt dem Herzog und seinen Räten ohne Ende haarsträubende Lügengeschichten aller Art auf, denen vorerst alle – mit Ausnahme von Johann Friedrichs jüngerem Bruder Johann Wilhelm (* 1530), Herzog von Sachsen [-Weimar] – ergeben Glauben schenken. Als es Räten und Hofbeamten der Residenz zu bunt wird, wird die ominöse Dame kurzerhand nach Schloss Tenneberg in Waltershausen verfrachtet, unweit von Gotha gelegen. Schloss Tenneberg, herzogliche Nebenresidenz und Jagdschloss, wird ab Ende Juli 1559 Handlungsort der weiteren Verhöre.
Diese geheimnisvolle Lügenboldin offenbart ihre mutmaßlich wahre Identität erst gegen Ende einer monatelangen Prozedur mit neun scharfen Verhören. Bei Gott, sie heiße "Anna Johanna" und sei die "natürliche" Tochter des verstorbenen Herzogs Johann von Cleve. Ihre Mutter habe sie in Köln zur Welt gebracht. Den Namen der Mutter wollte sie zunächst um keinen Preis offenbaren. Letztendlich quetschten die Folterknechte ihr den Namen "Margaretha von Schenk" aus den Rippen. Mutmaßlich könnte Margaretha eine Schwester von Heinrich von Schenk gewesen sein, den Anna Johanna als ihren Oheim bezeichnete. Schenk war Amtsdrost der ehemaligen (Reichsburg-) Grafschaft Stromberg im Oberstift des Hochstifts Münster. Heimat der Schenks könnte die von Anna Johanna erwähnte, östlich angrenzende lippische Grafschaft Rietberg gewesen sein.
Anna Johannas Mutter sei zu Zeiten ihrer Beziehung mit dem Herzog "Nonne" (Stiftsdame) im Reichsstift Essen gewesen. Dieses freiweltliche Reichsstift beherbergte ausschließlich "edelfreie" Jungfrauen und Damen aus dem Hochadel. Vogt und Schutzherr war bis 1515 Johann II. von Cleve (1458–1521), seit 1481 Herzog von Cleve-Mark. Fürstäbtissin zu Essen war zu jener Zeit (1489–1525) Meyna von Daun-Oberstein, Schwester von Petrissa, Äbtissin (1511–1531) im freiweltlichen Frauenstift St. Quirin in Neuss und am 01. Juli 1515 Taufpatin der zweitgeborenen Herzogstochter Anna von Cleve.
Das Hochadelsgeschlecht von Daun-Oberstein aus der Vulkaneifel stand dem Herzoghaus Cleve-Mark familiär sehr nah. Beide Äbtissinnen waren Schwestern von Philipp II., Kurfürst und Erzbischof von Köln (1508–1515) sowie Reichserzkanzler für Italien im Heiligen Römischen Reich (HRR). Deren Neffe war Wirich V. Graf von Daun-Falkenstein (1473–1546), Leiter der Brautreisedelegation der Anna von Cleve zu ihrer Hochzeit mit König Heinrich VIII. am 6. Januar 1540 in Greenwich.
Und wer war nun "Vater" von "Anna Johanna"? Der Endfuffziger Johann II. genannt "der Fromme", Träger der päpstlichen, goldenen "Tugendrose", und im Volke genannt "Jan dä Kindermaker" – wegen seiner vermeintlichen Vaterschaft von angeblich 63 (!) "natürlichen", nicht ehelichen Nachkommen ein per se "Verdächtiger"...? Tatsächlich sind dem Schürzenjäger acht amtlich und namentlich registrierte "Bastardkinder" mit Versorgungsanspüchen zuzuordnen. Darunter befindet sich keine "Anna Johanna".
Sein weniger flatterhaft veranlagter Sohn Johann III. (1490–1539) genannt "der Friedfertige" oder auch "der Einfältige", ab 1511 Herzog von Jülich-Berg im Recht seiner Ehefrau Maria, wurde kurz nach Annas Geburt am Tage vor St. Peter und Paul (28. Juni 1515) vom Vater zum Titularherzog und Regenten von Cleve-Mark erhoben. Ansporn, um endlich einen "Stammhalter" zu zeugen? Bemerkenswert ist jedenfalls, dass Johann III. infolge seiner Regentschaft Vogt vom Stift Essen wurde und Gelegenheit gehabt hätte, Anna Johannas Mutter dort kennenzulernen. Gelegenheit macht Diebe..! Wer weiß, was da dann ab Sommer 1515 passierte..!?
Sie selbst sei in verschiedenen Frauenstiften in Westfalen und am Niederrhein aufgewachsen und erzogen worden. Ihr Vater habe sich stets rührend um sie gekümmert, bis sie mit Anfang 20 das erste Mal verheiratet und Mutter eines Sohnes und einer Tochter geworden sei. Ihrem ersten Ehemann verpasste sie wechselnde Identitäten; angeblich sei ihr Mann nach 15 Jahren Ehe verstorben. Ihre Tochter lebe auch nicht mehr; vom Sohn wisse sie nichts. Als Witwe habe sie acht Jahre in Lüttich gelebt, wo sie Ihren zweiten Ehemann namens Wilhelm von Zieritz kennengelernt habe. Sie sei Zieritz nach England gefolgt, wohin sie ihr Oheim Heinrich von Schenk gebracht habe. Dort sei sie nach 1 1/2 Jahren in große Not geraten. Alles recht wirr..., und wer's glaubt, wird selig..!
Wenn "Anna Johannas" Zeitangaben annähernd wahrheitsgetreu sein sollten, dann dürfte sich ihr Aufenthalt in England um das Jahr 1555 bewegt haben. In ihrer Not sei sie in London von der Familie Manners beherbergt worden. Lady Manners habe ihre Ähnlichkeit mit Königin Anna erkannt und sie zu ihr gebracht. Die Eltern oder Schwiegereltern dieser nicht näher identifizierbaren Lady Manners spielten 1540 im Ehedrama um Königin Anna zentrale Rollen in Annas königlichem Haushalt. Eleanor Manners (1495–1551), geb. Paston, Countess of Rutland, war die einflussreichste ihrer vier 'Ladies-in-waiting' (Hofdamen in Dienstbereitschaft), die allesamt zur Crème de la crème des englischen Hochadels (Peerage of England) der zweiten Reihe (Ehefrauen von Grafen und Baronen) zählten. Eleanors Ehemann Thomas Manners (c.1497–1543), 1st Earl of Rutland, war Vorsitzender des Haushalts der Königin Anna (Lord Chamberlain).
Anna habe sie freudig bei sich aufgenommen und als ihre Halbschwester anerkannt. Sie habe der Königin Anna aus Dankbarkeit und familiärer Verbundenheit als Gürtelmagd (Kleiderkammerfrau) treu gedient. Als bekennende Protestantin habe sie wie andere lutherische oder reformierte Getreue der Königin Anna gegen Ende 1556 das re-katholisierte England aus religiösen Gründen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen wieder verlassen müssen. Auch Zieritz habe England fluchtartig verlassen. Während ihrer gemeinsamen Rückreise habe Zieritz sie bei Bremen schändlich sitzen lassen.
Niemand will jedoch der etwa Mittvierzigerin Glauben schenken, am allerwenigsten ihr heuchlerischer Halbbruder Wilhelm V. von Cleve (* 1516), seit 1539 Herzog des Vereinigten Herzogtums Jülich-Cleve-Berg. Wilhelmus dürfte vor Wut geschnaubt haben und fordert schriftlich von seinem Neffen, in härtester Weise vorzugehen. Der gnadenlose Scharfrichter des sächsischen Herzogs wird erneut aus Jena herbei zitiert, vermag jedoch selbst unter Anwendung grausamer Folter auf dem Streckbett nicht, ihren Widerruf zu erzwingen. Eine nochmals verschärfte Folter bspw. in der Stachelwiege oder mit dem gespickten Hasen wäre mit den Sachsen aber keineswegs zu machen gewesen.
Vor lauter Hilflosigkeit offenbart Wilhelm überraschenderweise pikante Familiengeheimnisse. Sein Vater habe lediglich zwei nicht eheliche Töchter, von denen eine noch lebe – im Kloster. Seine "Offenbarung" bleibt wenig konkret und nebulös. Mit Bezeugung seiner bei ihm am Düsseldorfer Hof lebenden Schwester Amalia (* 1517) und seiner Räte bestreitet der peinlich berührte Wilhelm allerdings vehement den Wahrheitsgehalt der fantasiegeladenen und vermeintlich erfundenen Familiengeschichte. Die Sachsen halten Wilhelm nicht für glaubwürdig; diese Heimlichtuerei kommt ihnen "spanisch" vor...
Ende Februar 1560 resigniert letztendlich die familieninterne "Inquisition". Dennoch wird die geschundene Delinquentin 'par ordre du mufti' zu lebenslanger Kerkerhaft verdonnert, endet aber nicht auf dem Scheiterhaufen. Über lange Zeit kehrte gespenstische Ruhe auf Schloss Tenneberg ein. Nachforschungen über den Verbleib von Anna Johanna sollen ergeben haben, dass Akten in Form von Rechnungen und Bestattungskosten aus dem Jahre 1565 existiert haben, die ihren Tod als Gefangene auf dem Tenneberg und ihre Bestattung 1565 auf dem Waltershäuser Friedhof belegt haben sollen.
Der Volksmund erzählt bis heute mancherlei Sagenhaftes. Dieses von satanischer Gewalt besessene Weib sei dort in einem finsteren Verlies vom Teufel eingemauert worden. Archäologen fanden bis heute nichts! Eine andere Saga handelt von der "Weißen Frau", die des Nachts ab Mitternacht eine Stunde lang als Spukfigur in ihrem weißen Kerkergewand und nach vermeintlich spurlosem Verschwinden der Schwindlerin in weißem Totengewand heulend und jammernd durch die Gemächer des Schlosses "gegeistert" sei. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann lebt sie noch heute... Als "Die Weiße Frau" ist sie für immer in die Heimatgeschichte eingegangen..!
Annas Schattenfrau hat nicht nur in Sagen, sondern auch im fiktiven Drama "Anna von Cleve oder Die Gürtelmagd der Königin" in fünf Akten von E. Meruell aus dem Jahre 1881 bis in unsere Tage literarisch überlebt. Die Anna von Cleve-Trilogie umfasst diese separat publizierte Reprint-Edition des Original-Manuskripts.
Der Herausgeber gibt in diesem illustrierten Geschichtslesebuch dem Leser Nachdrucke als Auszüge historischer Schriften renommierter Historiker des 19. Jh. über die "Schattenfrau" an die Hand. Darüber hinaus hat er sich den bis heute unaufgeklärten Geheimnissen von Annas Double zu nähern versucht und präsentiert am Ende seiner Edition im Epilog seine eigenen Ergebnisse und Erkenntnisse auf Basis von überlieferten Primärquellen aus dem 16. Jh. nach jüngstem Forschungsstand.
Aktualisiert: 2023-05-21
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Erzählung in der Darstellungsform eines Features auf Basis von Primärquellen aus nationalen und internationalen Archiven, Bibliotheken und Museen über den steinigen "Karriereweg" eines Burgfräuleins und Mauerblümchens aus Bergischem, Jülicher und Klever Land in der Renaissance; das reich bebilderte Album des aus Kleve gebürtigen Autors, der als Professor im Ruhestand hobbymäßig als 'amateur historicus' Familien- und Heimatgeschichte erforscht, ist in Vorbereitung; eine 8-seitige, farbige Leseprobe in Text & Bild (Sonderdruck mit Auszügen der NRZ-Serie, auf DIN-A-4 gefaltetes DIN-A-2-POSTER) ist kostenfrei (gegen Ersatz von Briefporto) unter der o. g. Verlagsadresse (Buchhandlung Hintzen) ab Anfang Oktober 2022 erhältlich.
Aktualisiert: 2023-05-22
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Erzählung in der Darstellungsform eines Features auf Basis von Primärquellen aus nationalen und internationalen Archiven, Bibliotheken und Museen über den steinigen "Karriereweg" eines Burgfräuleins und Mauerblümchens aus Bergischem, Jülicher und Klever Land in der Renaissance; das reich bebilderte Album des aus Kleve gebürtigen Autors, der als Professor im Ruhestand hobbymäßig als 'amateur historicus' Familien- und Heimatgeschichte erforscht, ist in Vorbereitung; eine 8-seitige, farbige Leseprobe in Text & Bild (Sonderdruck mit Auszügen der NRZ-Serie, auf DIN-A-4 gefaltetes DIN-A-2-POSTER) ist kostenfrei (gegen Ersatz von Briefporto) unter der o. g. Verlagsadresse (Buchhandlung Hintzen) ab Anfang Oktober 2022 erhältlich.
Aktualisiert: 2023-05-17
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Erzählung in der Darstellungsform eines Features auf Basis von Primärquellen aus nationalen und internationalen Archiven, Bibliotheken und Museen über den steinigen "Karriereweg" eines Burgfräuleins und Mauerblümchens aus Bergischem, Jülicher und Klever Land in der Renaissance; das reich bebilderte Album des aus Kleve gebürtigen Autors, der als Professor im Ruhestand hobbymäßig als 'amateur historicus' Familien- und Heimatgeschichte erforscht, ist in Vorbereitung; eine 8-seitige, farbige Leseprobe in Text & Bild (Sonderdruck mit Auszügen der NRZ-Serie, auf DIN-A-4 gefaltetes DIN-A-2-POSTER) ist kostenfrei (gegen Ersatz von Briefporto) unter der o. g. Verlagsadresse (Buchhandlung Hintzen) ab Anfang Oktober 2022 erhältlich.
Aktualisiert: 2023-05-17
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Drama in fünf Aufzügen mit historischen Figuren von E. Meruell [Pseudonym für Elisabeth Müller (1827–1898), deutsche Dramatikerin]. Nach dem hierzulande lange als verschollen gegoltenen Original-Manuskript [Den Bühnen gegenüber Manuskript] der Freiburger Edition des Bühnenstücks [Adolf Kiepert, Hofbuchhändler, Freiburg i. B. 1881 (*)] spielen in den Haupt- und Nebenrollen die bedeutendsten Persönlichkeiten des historischen Spektakels von Heinrich VIII. (1491–1547), König von England, und seiner zur vierten Ehefrau auserwählten Prinzessin Anna von Cleve (1515–1557). Die Gürtelmagd Walburg aus der westfälisch-lippischen Grafschaft Rietberg schlüpft nach der Idee von Annas Amme und alten Wärterin Gertrud in die zentrale, fiktive Rolle der Pseudokönigin von England – und füllt sie in atemberaubender Manier aus...
In den Hauptrollen spielen [Hauptprotagonisten]: König Heinrich [Heinrich VIII. (1491–1547), König von England] / Prinzessin Anna [Anna von Cleve (1515–1557), 1539 als Königsbraut, 1540 als Pseudo-Gürtelmagd im Rollentausch mit Walburg] / Sir Thomas Cromwell [(1485–1540), 1st Baron Cromwell of Okeham / Lord Cromwell, 1st Earl of Essex (April 1540), Lordsiegelbewahrer, Chief Minister und Privatsekretär des Königs] / Holbein [Hans Holbein d. J. (c.1497–1543), königlicher Hofmaler] / Herzog Wilhelm [Wilhem V. von Cleve (1516–1592), Bruder von Prinzessin Anna, seit 1538 Herzog von Geldern und seit 1539 Herzog vom Vereinigten Herzogtum Jülich-Cleve-Berg] / Gertrud [Amme und alte Wärterin der Prinzessin Anna] / Walburg [Gürtelmagd aus Rietberg, 1540 als Pseudokönigin von England im Rollentausch mit Prinzessin Anna].
In den Nebenrollen spielen [Höflinge des Königs]: Lord Seymour [Edward Seymour (c.1500–1552), 1st Earl of Hertford, Kronrat] / Herzog von Norfolk [Sir Thomas Howard (1473–1554), 3rd Duke of Norfolk, Kronrat] / Herzog von Suffolk [Charles Brandon (1484–1545), 1st Duke of Suffolk, Kronrat] / Herzog von Buckingham [fiktive Figur, Kronrat] und andere Großwürdenträger ..., Erzbischof Cranmer [Thomas Cranmer (1489–1556), Erzbischof von Canterbury, Co-Vorsitzender der Kommission des Klerus zum Antragsbegehren des Königs auf Annullierung seiner Ehe mit Anna] / Edelleute, Hofdamen, ein Herold, Pagen, Trabanten und Wächter...
Die Handlung spielt im Zeitraum von August 1539 bis Juli 1540 an folgenden Örtlichkeiten: Herzogliches Schlosse zu Cleve [Schwanenburg] / ländliche Wohnung [der Gürtelmagd in Rietberg] / Thronsaal im königlichen Palaste zu London [Whitehall Palace] / Holbeins mittelalterliche Malerwerkstätte [Whitehall Palace] / königlicher Palaste zu Richmond [Richmond Palace].
Ausblick auf die Fortsetzung als non-fiktives "Bühnenstück": In Ironie des Schicksals wird sich gut zwanzig Jahre später (1558–1560) nach Annas Tod (1557) die fiktive Figur posthum zu Annas lebendiger "Schattenfrau" wandeln. Die "unechte Anna" taucht als "Pseudokönigin" im Laufe des Jahres 1558 als geheimnisvolle Doppelgängerin der verstorbenen Königin an hochherrschaftlichen Höfen protestantischer Fürsten im Heiligen Römischen Reich (HRR) auf. Die Hochstaplerin versteht im wirklichen Leben, ihre alte Rolle wahrlich nicht minder atemberaubend zu spielen. Sie narrt Herzöge wie Kurfürsten nach Strich und Faden ...
Die eigentliche Zielfigur der Schattenfrau ist offenkundig Annas Bruder Wilhelm, der seinerzeit aus Machtgelüsten seiner Schwester die fatale Ehe mit Heinrich VIII. aufgezwungen hatte. Die Pseudokönigin scheint Rache nehmen und sich selbst wie auch Anna eine gewisse, späte Genugtuung verschaffen zu wollen. Den rheinisch-westfälischen Herzog nimmt sie indirekt über seinen lutherisch gesinnten Neffen Johann Friedrich II. (* 1529), Herzog von Sachsen [-Gotha], wie ein verdeckt agierender Racheengel gezielt aufs Korn. Der gutgläubige, begriffsstutzige Herzog ist der älteste Sohn von Annas und Wilhelms verstorbener Schwester Sibylle von Cleve (1512–1554), frühere Herzogin und Kurfürstin von Sachsen (1532–1547).
In ihrer abenteuerlichen Inszenierung auf den Bühnen der herzoglichen Hauptresidenz Schloss Grimmenstein in Gotha (ab Dezember 1558) und der Nebenresidenz Schloss Tenneberg in Waltershausen (ab Juli 1559) fabuliert die Pseudokönigin sich über Monate um Kopf und Kragen. Ihr hochriskantes, lebensbedrohliches "Spiel" ihrer Verwandlungen treibt die geheimnisvolle Schattenfrau incognito bis an die Grenze zur totalen Selbstaufgabe, bevor sie unter Folter durch den herzoglichen Scharfrichter von Jena auf dem Streckbett letztendlich Farbe über ihr wahres Ich bekennen muss...
(*) Den Bühnen gegenüber Manuskript ["Grüne Erstausgabe": Adolf Kiepert, Hofbuchhändler, Freiburg i. B. 1881, und Greiner & Pfeiffer, Hofdruckerei und Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1881, für die Agentur der Genossenschaft dramaturgischer Autoren und Componisten, Leipzig] als "Blaue Edition" des Original-Manuskripts der Friedrich Rothermel Verlagsbuchhandlung, Schaffhausen, seit 2021 im Besitz vom Louise-Otto-Peters Archiv (LOPA) der Louise-Otto-Peters Gesellschaft (LOP) e. V., Leipzig / Reprint mit freundlicher Genehmigung vom LOPA [Copyright © LOPA 2022]
Aktualisiert: 2023-04-14
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Anna von Cleve (1515–1557), vierte Ehefrau von King Henry VIII (1491–1547) und Ex-Königin von England, ist am 16. Juli 1557 im 'King Henry VIII's Manor House' in Cheyne Walk, Chelsea, in London verstorben. Nach ihrem Tod hatte Mary I Tudor (1516–1558), Annas Stieftochter und seit 1553 Königin von England, ein königliches Begräbnis in der Westminster Abbey angeordnet. Nach der Trauerprozession am 3. August 1557 folgte auf Annas Wunsch hin ein Trauergottesdienst nach katholischem Ritus. Am Tag darauf wurde Anna im Sacrarium seitlich der Kapelle des hochverehrten, anglo-normannischen Edward the Confessor (c.1002–1066), ab 1042 König von England, an der Südseite vom Hochaltar bestattet.
Der mutmaßlich vom Steinmetz Theodore Haveus aus Cleve gefertigte, niedrig platzierte Sarkophag wird von vier massiven, rechteckigen Sockelträgern flankiert, auf denen eine lange Steinplatte liegt. Die damaligen Steinmetzarbeiten blieben über die Jahrhunderte unvollendet. Die eingravierten Symbole der inneren Sockel zeigen linker Hand Annas Initialen AC (Anna von Cleve) mit einer Krone und rechter Hand die Clevische Lilienhaspel. Dazwischen sind Totenköpfe und gekreuzte Knochen als Symbole der Sterblichkeit angeordnet. Die Bergischen und Jülichschen Löwenköpfe verleihen den beiden äußeren Sockelträgern die Symbolik der Stärke, die Annas Leben ausgezeichnet hat, und Leben, Tod und Auferstehung verbinden.
Posthum taucht im Dezember 1558 völlig überraschend bei Annas Neffen Johann Friedrich II. (* 1529), genannt "der Mittlere", Herzog von Sachsen [-Gotha] und ältester Sohn von Annas Schwester Sibylle von Cleve (1512–1554), Ex-Kurfürstin von Sachsen, die "auferstandene" Anna auf. Sie wird auf die Festung Schloss Grimmenstein in Gotha, Hauptresidenz des Herzogs, eingeladen. Die vermeintliche Anna, die der "echten" Anna verblüffend ähnelt und gleichaltrig aussieht, wirkt wie Annas aus dem Gesicht geschnittene "Schattenfrau".
Im Verlaufe des Jahres 1559 schwindelt die trickreich veranlagte Doppelgängerin das Blaue vom Himmel. Mit spielerischer Leichtigkeit löst sie allerorten in der gesamten Herzogfamilie von Sachsen bis an den Niederrhein eine veritable Krise als Dauerbrenner aus. Die "unechte" Anna tischt dem Herzog und seinen Räten ohne Ende haarsträubende Lügengeschichten aller Art auf, denen vorerst alle – mit Ausnahme von Johann Friedrichs jüngerem Bruder Johann Wilhelm (* 1530), Herzog von Sachsen [-Weimar] – ergeben Glauben schenken. Als es Räten und Hofbeamten der Residenz zu bunt wird, wird die ominöse Dame kurzerhand nach Schloss Tenneberg in Waltershausen verfrachtet, unweit von Gotha gelegen. Schloss Tenneberg, herzogliche Nebenresidenz und Jagdschloss, wird ab Ende Juli 1559 Handlungsort der weiteren Verhöre.
Diese geheimnisvolle Lügenboldin offenbart ihre mutmaßlich wahre Identität erst gegen Ende einer monatelangen Prozedur mit neun scharfen Verhören. Bei Gott, sie heiße "Anna Johanna" und sei die "natürliche" Tochter des verstorbenen Herzogs Johann von Cleve. Ihre Mutter habe sie in Köln zur Welt gebracht. Den Namen der Mutter wollte sie zunächst um keinen Preis offenbaren. Letztendlich quetschten die Folterknechte ihr den Namen "Margaretha von Schenk" aus den Rippen. Mutmaßlich könnte Margaretha eine Schwester von Heinrich von Schenk gewesen sein, den Anna Johanna als ihren Oheim bezeichnete. Schenk war Amtsdrost der ehemaligen (Reichsburg-) Grafschaft Stromberg im Oberstift des Hochstifts Münster. Heimat der Schenks könnte die von Anna Johanna erwähnte, östlich angrenzende lippische Grafschaft Rietberg gewesen sein.
Anna Johannas Mutter sei zu Zeiten ihrer Beziehung mit dem Herzog "Nonne" (Stiftsdame) im Reichsstift Essen gewesen. Dieses freiweltliche Reichsstift beherbergte ausschließlich "edelfreie" Jungfrauen und Damen aus dem Hochadel. Vogt und Schutzherr war bis 1515 Johann II. von Cleve (1458–1521), seit 1481 Herzog von Cleve-Mark. Fürstäbtissin zu Essen war zu jener Zeit (1489–1525) Meyna von Daun-Oberstein, Schwester von Petrissa, Äbtissin (1511–1531) im freiweltlichen Frauenstift St. Quirin in Neuss und am 01. Juli 1515 Taufpatin der zweitgeborenen Herzogstochter Anna von Cleve.
Das Hochadelsgeschlecht von Daun-Oberstein aus der Vulkaneifel stand dem Herzoghaus Cleve-Mark familiär sehr nah. Beide Äbtissinnen waren Schwestern von Philipp II., Kurfürst und Erzbischof von Köln (1508–1515) sowie Reichserzkanzler für Italien im Heiligen Römischen Reich (HRR). Deren Neffe war Wirich V. Graf von Daun-Falkenstein (1473–1546), Leiter der Brautreisedelegation der Anna von Cleve zu ihrer Hochzeit mit König Heinrich VIII. am 6. Januar 1540 in Greenwich.
Und wer war nun "Vater" von "Anna Johanna"? Der Endfuffziger Johann II. genannt "der Fromme", Träger der päpstlichen, goldenen "Tugendrose", und im Volke genannt "Jan dä Kindermaker" – wegen seiner vermeintlichen Vaterschaft von angeblich 63 (!) "natürlichen", nicht ehelichen Nachkommen ein per se "Verdächtiger"...? Sein weniger flatterhaft veranlagter Sohn Johann III. (1490–1539) genannt "der Friedfertige" oder auch "der Einfältige", ab 1511 Herzog von Jülich-Berg im Recht seiner Ehefrau Maria, wurde kurz nach Annas Geburt am Tage vor St. Peter und Paul (28. Juni 1515) vom Vater zum Titularherzog und Regenten von Cleve-Mark erhoben. Ansporn, um endlich einen "Stammhalter" zu zeugen? Bemerkenswert ist jedenfalls, dass Johann III. infolge seiner Regentschaft Vogt vom Stift Essen wurde und Gelegenheit gehabt hätte, Anna Johannas Mutter dort kennenzulernen. Gelegenheit macht Diebe..! Wer weiß, was da dann ab Sommer 1515 passierte..!?
Sie selbst sei in verschiedenen Frauenstiften in Westfalen und am Niederrhein aufgewachsen und erzogen worden. Ihr Vater habe sich stets rührend um sie gekümmert, bis sie mit Anfang 20 das erste Mal verheiratet und Mutter eines Sohnes und einer Tochter geworden sei. Ihrem ersten Ehemann verpasste sie wechselnde Identitäten; angeblich sei ihr Mann nach 15 Jahren Ehe verstorben. Ihre Tochter lebe auch nicht mehr; vom Sohn wisse sie nichts. Als Witwe habe sie acht Jahre in Lüttich gelebt, wo sie Ihren zweiten Ehemann namens Wilhelm von Zieritz kennengelernt habe. Sie sei Zieritz nach England gefolgt, wohin sie ihr Oheim Heinrich von Schenk gebracht habe. Dort sei sie nach 1 1/2 Jahren in große Not geraten. Alles recht wirr..., und wer's glaubt, wird selig..!
Wenn "Anna Johannas" Zeitangaben annähernd wahrheitsgetreu sein sollten, dann dürfte sich ihr Aufenthalt in England um das Jahr 1555 bewegt haben. In ihrer Not sei sie in London von der Familie Manners beherbergt worden. Lady Manners habe ihre Ähnlichkeit mit Königin Anna erkannt und sie zu ihr gebracht. Die Eltern oder Schwiegereltern dieser nicht näher identifizierbaren Lady Manners spielten 1540 im Ehedrama um Königin Anna zentrale Rollen in Annas königlichem Haushalt. Eleanor Manners (1495–1551), geb. Paston, Countess of Rutland, war die einflussreichste der sechs 'Great Ladies of the Household', die allesamt zur Crème de la crème des englischen Hochadels (Peerage of England) zählten. Eleanors Ehemann Thomas Manners (c.1497–1543), 1st Earl of Rutland, war Vorsitzender des Haushalts der Königin Anna (Lord Chamberlain).
Anna habe sie als ihre Halbschwester anerkannt und freudig bei sich aufgenommen. Sie habe der Königin Anna als Gürtelmagd (Kleiderkammerfrau) aus Dankbarkeit und familiärer Verbundenheit treu gedient. Als bekennende Protestantin habe sie wie andere reformierte Getreue der Königin Anna gegen Ende 1556 das re-katholisierte England aus religiösen Gründen wieder verlassen müssen. Auch Zieritz habe England verlassen. Während ihrer gemeinsamen Rückreise habe Zieritz sie bei Bremen schändlich sitzen lassen.
Niemand will jedoch der etwa Mittvierzigerin Glauben schenken, am allerwenigsten ihr heuchlerischer Halbbruder Wilhelm V. von Cleve (* 1516), seit 1539 Herzog des Vereinigten Herzogtums Jülich-Cleve-Berg. Wilhelmus dürfte vor Wut geschnaubt haben und fordert schriftlich von seinem Neffen, in härtester Weise vorzugehen. Der gnadenlose Scharfrichter des sächsischen Herzogs wird erneut aus Jena herbei zitiert, vermag jedoch selbst unter Anwendung grausamer Folter auf dem Streckbett nicht, ihren Widerruf zu erzwingen. Eine nochmals verschärfte Folter bspw. in der Stachelwiege oder mit dem gespickten Hasen wäre mit den Sachsen aber keineswegs zu machen gewesen.
Vor lauter Hilflosigkeit offenbart Wilhelm überraschenderweise pikante Familiengeheimnisse. Sein Vater habe lediglich zwei nicht eheliche Töchter, von denen eine noch lebe – im Kloster. Seine "Offenbarung" bleibt wenig konkret und nebulös. Mit Bezeugung seiner bei ihm am Düsseldorfer Hof lebenden Schwester Amalia (* 1517) und seiner Räte bestreitet der peinlich berührte Wilhelm allerdings vehement den Wahrheitsgehalt der fantasiegeladenen und vermeintlich erfundenen Familiengeschichte. Die Sachsen halten Wilhelm nicht für glaubwürdig; diese Heimlichtuerei kommt ihnen "spanisch" vor...
Ende Februar 1560 resigniert letztendlich die familieninterne "Inquisition". Dennoch wird die geschundene Delinquentin 'par ordre du mufti' zu lebenslanger Kerkerhaft verdonnert, endet aber nicht auf dem Scheiterhaufen. Über lange Zeit kehrte gespenstische Ruhe auf Schloss Tenneberg ein. Nachforschungen über den Verbleib von Anna Johanna sollen ergeben haben, dass Akten in Form von Rechnungen und Bestattungskosten aus dem Jahre 1565 existiert haben, die ihren Tod als Gefangene auf dem Tenneberg und ihre Bestattung 1565 auf dem Waltershäuser Friedhof belegt haben sollen.
Der Volksmund erzählt bis heute mancherlei Sagenhaftes. Dieses von satanischer Gewalt besessene Weib sei dort in einem finsteren Verlies vom Teufel eingemauert worden. Archäologen fanden bis heute nichts! Eine andere Saga handelt von der "Weißen Frau", die des Nachts ab Mitternacht eine Stunde lang als Spukfigur in ihrem weißen Kerkergewand und nach vermeintlich spurlosem Verschwinden der Schwindlerin in weißem Totengewand heulend und jammernd durch die Gemächer des Schlosses "gegeistert" sei. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann lebt sie noch heute... Als "Die Weiße Frau" ist sie für immer in die Heimatgeschichte eingegangen..!
Annas Schattenfrau hat nicht nur in Sagen, sondern auch im fiktiven Drama "Anna von Cleve oder Die Gürtelmagd der Königin" in fünf Akten von E. Meruell aus dem Jahre 1881 bis in unsere Tage literarisch überlebt. Die Anna von Cleve-Trilogie umfasst diese separat publizierte Reprint-Edition des Original-Manuskripts.
Der Herausgeber gibt in diesem illustrierten Geschichtslesebuch dem Leser Nachdrucke als Auszüge historischer Schriften renommierter Historiker des 19. Jh. über die "Schattenfrau" an die Hand. Darüber hinaus hat er sich den bis heute unaufgeklärten Geheimnissen von Annas Double zu nähern versucht und präsentiert am Ende seiner Edition im Epilog seine eigenen Ergebnisse und Erkenntnisse auf Basis von überlieferten Primärquellen aus dem 16. Jh. nach jüngstem Forschungsstand.
Aktualisiert: 2023-04-12
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Erzählung in der Darstellungsform eines Features auf Basis von Primärquellen aus nationalen und internationalen Archiven, Bibliotheken und Museen über den steinigen "Karriereweg" eines Burgfräuleins und Mauerblümchens aus Bergischem, Jülicher und Klever Land in der Renaissance; das reich bebilderte Album des aus Kleve gebürtigen Autors, der als Professor im Ruhestand hobbymäßig als 'amateur historicus' Familien- und Heimatgeschichte erforscht, ist in Vorbereitung; eine 8-seitige, farbige Leseprobe in Text & Bild (Sonderdruck mit Auszügen der NRZ-Serie, auf DIN-A-4 gefaltetes DIN-A-2-POSTER) ist kostenfrei (gegen Ersatz von Briefporto) unter der o. g. Verlagsadresse (Buchhandlung Hintzen) ab Anfang Oktober 2022 erhältlich.
Aktualisiert: 2023-04-27
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