Die „Oderflut“ – ein Werkzyklus von Hubert Globisch (1914-2004)
Der 1914 in Potsdam geborene und 2004 ebendort verstorbene Künstler, Hubert Globisch, hat seine umfangreichste Werkreihe der Oderflut des Jahres 1997 gewidmet. Dazu gehören 26 mittelformatige Bilder (Öl auf Hartfaser), die in den Jahren 1997/98 entstanden sind. Auf den ersten Blick scheint es ungewöhnlich zu sein, dass er im Zeitraum der Naturkatastrophe nie vor Ort war und sie doch als Maler so intensiv reflektiert hat. Wenn man sich in die Entstehungsbedingungen seiner Bilder einfühlt und seine Bildästhetik kennen gelernt hat, beginnt man seinen künstlerischen Ausgangspunkt zu verstehen. Das Wasser hat ihn zeitlebens als Generalthema seines Gesamtwerks beschäftigt.
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass der Werkzyklus „Oderflut“ am Beginn des Spätwerks des Potsdamer Landschaftsmalers steht. Die einzelnen Gemälde belegen gerade im Zusammenhang überzeugend seinen Entwicklungsschritt, von der gebundenen Form zur freien Abstraktion gelangt zu sein. Globisch, der sich selbst als maßgeblich von Karl Hofer und Egon von Kameke beeinflusst sah, suchte zeitlebens den vorausgegangenen Natureindruck in eine malerische Verallgemeinerung zu transformieren. Um diese Verallgemeinerung zu erzielen, hat er sich mit Lichtstimmungen (insbesondere des Abends) und dem Wasser (als Naturelement) sowohl im Früh- als auch im Spätwerk beschäftigt. Eine Unmenge an erhaltenen Bleistiftskizzen legen einen zeitaufwendigen Vorlauf nahe, der den Maler im Atelier erst zum eigentlichen Bildträger des einzelnen Gemäldes geführt hat.
Der Kunsthistoriker Kurt Schifner wies bereits 1974 auf die unübersehbaren Qualitäten des Malers hin, die trotzdem bis heute nicht dazu geführt haben, dass er über die Stadtgrenzen Potsdams hinaus angemessen bekannt ist: „Globisch erlangte. eine eigenwillige Disziplin von Farbe, Raum und Deutung, die – verwandt dem Geiste Fontanes in der Kargheit der Mark – Schönheit preist.“ Fünfundzwanzig Jahre später (1999) reflektierte der Kunsthistoriker Andreas Hüneke die Einbeziehung der Katastrophe: „Und wichtiger als die Ähnlichkeit mit dem Motiv ist dem Künstler die Ähnlichkeit mit dem erinnerten Erlebnis. Daß diese Erlebnisse nicht nur in traditioneller Weise während der Fahrten durch die Mark Brandenburg oder an die Ostsee gesammelt werden, dafür steht die jüngste Serie der Bilder zur Oderflut. 1997. Die ausführlichen Fernsehberichte über die Hochwasserkatastrophe haben Globisch, so stark bewegt, dass er fast das Gefühl hatte, dabei gewesen zu sein. Die Zwiespältigkeit der Empfindungen zwischen Faszination für die weiten Wasserflächen und Erschrecken vor der Unbarmherzigkeit des Geschehens ist in allen diesen Bildern spürbar, wenn sie auch im Einzelnen mehr zur einen oder zur anderen Seite tendieren. Durch die häufig übertragenen Luftaufnahmen (im Nachlass befinden sich sowohl die VHS-Kopien der Reportagen als auch die für die Oderflut-Serie evidenten Fotografien aus der Tagespresse, T.K.) kommt auch dieser ungewohnte Blickwinkel in Globischs Kunst hinein und führt durch seinen spezifischen Charakter von sich aus zur Betonung des Flächenhaften. Ruhige Farbfelder und sich aufbäumende, dramatische Formen wechseln einander ab. Und immer wieder leuchtet aus ihr ein mildes, wenn auch kühles Licht hervor, wie ein Hoffnungs- oder Sehnsuchtsschimmer.“
Die Werkreihe „Oderflut“ wird flankiert von weiteren Bildern aus dem Nachlass, mit denen sich der Maler dem Element Wasser gewidmet hat. So lernt der Besucher „exquisite Reisebilder aus märkischer Heide und märkischem Sand, --- Schicksalsbilder aus der Provinz: Wesensdeutung und Existenzempfindung“ (Fritz Erpel) kennen. Hubert Globisch kannte das Land Brandenburg so genau wie die polnische Oderseite. Er, der seine Kindheit in Oberschlesien verbracht hat und seit 1919 bis zu seinem Tod in Potsdam sesshaft war, war Landschaftsmaler aus Passion. Er wollte als Maler mit seinen Bildern nicht nur sein Verhältnis zur Natur artikulieren sondern fühlte sich auch als Bewahrer von Landschaften, die er gemalt hat. Er war ein zurückgezogen lebender Einzelgänger, der sich am wohlsten fühlte, wenn seine Bilder für ihn sprechen konnten. Ungeachtet dessen hat er sich von Zeit zu Zeit leise, aber präzise zu Wort gemeldet, wenn es um Themen, wie Stadtgestaltung und Umweltschutz ging. Mit 90 Jahren ist er in seiner Heimatstadt Potsdam gestorben, der er sich ambivalent verbunden fühlte. Sein Werk hat bis heute keine angemessene Würdigung erfahren; auch ist er bis heute außerhalb Potsdams nicht bekannt. Seine Bilder befinden sich in öffentlichen Sammlungen und Privatbesitz. Wie schon erwähnt, Hubert Globisch ist bis heute ein Geheimtipp geblieben. Er war zeitlebens ein bescheidener Mann; seine einfühlsame und befähigende Tätigkeit als Kunstpädagoge ist Legende, sein Lebenswerk als Maler ist gewichtig – ein erhaltener Schatz, den es öffentlich noch zu entdecken gilt.
Aktualisiert: 2020-01-06
Autor:
Sophie Bleifuß,
Róža Domascyna,
Ulrike Draesner,
Radoslaw Gawlik,
Andreas Hünecke,
Jürgen Israel,
Barbara Köhler,
Urszula Koziol,
Thomas M Kumlehn,
Hans Niekrawietz,
Alfons Nossol,
Mathias Platzeck,
Uwe Rada,
Tomasz Rozicki,
Olga Tokarczuk,
Janusz Wojcik,
Agnieszka Wolny-Zamkalo,
Filip Zawada
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