Ursula Baatz & Britta Saal
Einführung
Nur auf den ersten Blick scheinen Medizin und Philosophie miteinander wenig gemeinsam zu haben. Doch setzt Medizin – oder weiter gefasst: die Absicht zu heilen – ontologische, metaphysische und anthropologische Hypothesen über die Ursachen von Krankheit, die Arten der Diagnosestellung und die möglichen Therapieverfahren voraus. Dafür muss es Beschreibungen geben, die es erlauben, kurative Vorgaben für Menschen und ihre Beziehung zur Welt (Um- und Mitwelt) vorzugeben und dafür auch Gründe anzugeben. Denk- und Wissenssysteme spielen hier also eine entscheidende Rolle.
Das macht Medizin zu einem hervorragenden Kandidaten für interkulturelle Perspektiven. Denn es gibt ja nicht nur die »westliche«, moderne Medizin, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts für sich das Monopol auf medizinische Erkenntnis beansprucht. Diese ist mitnichten das einzige medizinische System, das ausformulierte ontologische Prämissen vorzuweisen hat und umfangreich verschriftlicht ist. Die traditionelle chinesische Medizin oder die indisch-ayurvedische Medizin können sich auf eine umfangreiche philosophische Reflexion der Grundsätze und ein entsprechendes Corpus schriftlicher Tradition berufen, die in beiden Fällen sogar bis vor die abendländische Zeitrechnung zurückreicht. Die wiederentdeckte traditionelle europäische Medizin kann sich auf antikes und mittelalterliches medizinisches Schrifttum berufen. Die traditionelle tibetische Medizin wiederum hat die antike bzw. mittelalterliche abendländische Medizintradition mit der chinesischen und indischen zu einer eigenen, eigenständigen Tradition verbunden und umfangreiche und bis heute relevante Standardwerke hervorgebracht. Trotzdem gelten die genannten Medizinsysteme für die zeitgenössische, sogenannte Biomedizin bestenfalls als »Komplementärmedizin« oder als »Alternativmedizin«. Noch weniger Chance auf Anerkennung haben Medizinsysteme ohne schriftliche Überlieferung – wie etwa die traditionelle afrikanische oder jegliche andere indigene Medizin.
Für die medizinische Praxis hat dies weitreichende Folgen: Zum einen dominiert die naturwissenschaftlich fundierte, moderne Medizin in weiten Teilen der Welt vor allem in urbanen und industrialisierten Regionen, wobei der Zugang zu dieser modernen Medizin unter anderem aus sozialen und ökonomischen, aber auch aus verkehrstechnischen Gründen oft schwierig oder unmöglich ist. Zum anderen bestehen in den meisten Gegenden der Welt mehrere Medizinsysteme gleichzeitig nebeneinander – das moderne »westliche« genauso wie die traditionellen Medizinsysteme. Auch wenn die Erkenntnisse und Heilverfahren der modernen Medizin sichtbar erfolgreich sind, haben doch auch ältere und alternative Medizinsysteme nachweisliche Erfolge vorzuweisen, die allerdings oft nur unzureichend positiv kommuniziert werden. In den letzten Jahrzehnten haben in Europa und den USA ältere und alternative Medizinsysteme oft als Komplementärmedizin eine Nische gefunden oder werden in der Medizinethnologie unter soziologisch-ethnologischer Perspektive betrachtet.
Die Dominanz der modernen, naturwissenschaftlich fundierten Medizin hängt u. a. auch mit dem Kolonialismus zusammen. Dieser Aspekt ist in den hier versammelten Beiträgen fast durchweg anzutreffen. Die moderne Medizin hatte zur Zeit der europäischen Kolonialreiche aktiv Teil am »westlichen«, »weißen« Hegemonieanspruch. Eine noch immer anzutreffende grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber traditionellen Heilweisen seitens Vertreter/innen der naturwissenschaftlichen Biomedizin kann daher als ein tendenziell hegemoniales Dominanzgebaren interpretiert werden.
Mit einer Ausblendung der epistemologischen Debatte im Bereich der Medizin werden also grundlegende Differenzen überspielt. Neben dem o. g. (post-)kolonialen Aspekt spielen auch wirtschaftliche Interessen eine wichtige Rolle. So stellt die Pharmaindustrie, deren Grundlage die dominante biomedizinische Orientierung ist, in der Regel nicht unbedingt den Menschen und dessen Heilung in den Mittelpunkt, sondern ökonomische Faktoren. Eine weitere Differenz betrifft die erkenntnistheoretischen Prämissen. So gehört es beispielsweise zu den erkenntnistheoretischen Vorgaben der modernen Biomedizin, Ursachen von Krankheiten bzw. die Wirkstoffe von Medikamenten in ihre Faktoren zu zerlegen und einzeln zu untersuchen. Dies steht im Gegensatz zu traditionellen Medizinformen, bei denen Diagnose und Therapie zumeist auf dem Zusammenspiel verschiedener Faktoren beruhen. Auch arbeitet die moderne Biomedizin mit quantitativen Methoden und sucht nach statistisch signifikanten Ergebnissen; individualisierte Medikamente gelten als Medizin der Zukunft. Für die traditionellen Medizin- und Heilsysteme, die sich in Diagnose und Therapie an der Interdependenz qualitativer Faktoren orientieren, sind jedoch individualisierte Rezepturen seit jeher üblich.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass ein medizinphilosophischer Polylog – ein Gespräch, bei dem die Teilnehmenden ihre unterschiedlichen Weltbilder, Prämissen und philosophischen Perspektiven als gleichberechtigt und gleichwertig einbringen – nur schwer zu verwirklichen oder gar einlösbar ist. Eine solche »ideale Kommunikationsgemeinschaft« ist selbst schon als regulative Idee unter Philosophinnen und Philosophen ein schwieriges Unterfangen. Die hier versammelten Beiträge illustrieren daher mehr als Beispiele das umrissene Konfliktfeld. Sie zeigen das Wirken von Interkulturalität unter anderem im Rahmen wechselseitiger Beeinflussung als auch in der (Aus-)Formulierung eigener (indigener) Positionen mit Bezug auf ›westliche‹ epistemologische Begriffe.
Im ersten Beitrag von Vitus Angermeier geht es um einen spezifischen Aspekt des Ayurveda: die Prävention. Dabei wird auf sehr interessante Weise deutlich, welchen signifikanten Einfluss die Kolonialisierung auf die Modernisierung des traditionellen indisch-ayurvedischen Medizinsystems hatte.
Es folgt im zweiten, englischsprachigen Beitrag von Mbih Jerome Tosam ein Einblick in die traditionelle afrikanische Medizin (TAM). Kritische Reflexionen zum Kolonialismus spielen hier ebenso eine Rolle wie die Auseinandersetzung mit der westlich-wissenschaftlichen Medizin.
Anhand eines sehr konkreten Fallbeispiels setzt sich Josef Estermann im dritten Beitrag mit den philosophischen Hintergründen andiner Vorstellungen von Gesundheit, Krankheit und Genesung auseinander.
Mit einem Sprung nach Kanada wird der Heilungsbegriff im vierten Beitrag von Barbara Schellhammer etwas weiter gefasst und verbunden mit Überlegungen zur Heilung des transgenerationalen Traumas des indigenen Genozids.
Im fünften Beitrag setzt sich Tobias Schlosser sehr explizit mit der kolonialen Vereinnahmung anderer Regionen, hier v. a. Südamerika, seitens Europa auseinander und stellt, daran anknüpfend, Überlegungen zum Phänomen des Kannibalismus als Krankheit an.
Den Abschluss des Thementeils bildet der Beitrag von Damian Peikert, der sich mit dem japanischen Konzept der klinischen Philosophie befasst und damit auf sehr philosophische Weise die Thematik Philosophie als Medizin behandelt.
Auch wenn in den Beiträgen weniger die verschiedenen – moderne naturwissenschaftliche, ältere, traditionelle, alternative etc. – Medizinformen miteinander ins Gespräch gebracht werden, so sticht, wie gesagt, die Beziehung zwischen Kolonialismus und moderner »westlicher« Biomedizin hervor. Diese Beziehung herauszustellen, war nicht intendiert, sondern ergab sich anhand der Einreichungen. Jedoch zeigt dies deutlich, dass ein philosophischer Polylog und eine konzeptuelle Dekolonisierung (Wiredu) gerade auch medizinphilosophisch durchaus Relevanz besitzen.
Aktualisiert: 2020-12-31
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Der zunehmende Margendruck in den traditionellen Geschäftssparten läßt Finanzdienstleistungsunternehmen verstärkt nach einer Ausweitung ihrer Geschäftsfelder Ausschau halten. Die Volksrepublik China bietet aufgrund ihrer natürlichen Voraussetzungen den weltweit zukunftsträchtigsten Wachstumsmarkt. Unter besonderer Berücksichtigung des südostasiatischen Wirtschaftsraumes stellt Stephan Popp zunächst die bankbetriebliche Internationalisierung dar und skizziert das Banken- und Finanzsystem der VR C hina. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Entwicklung eines integrativ-holistischen Instrumentarium zur Berücksichtigung der Makro-Umweltsituation und der Brancheninteraktionsebene bereitgestellt wird.
Verzeichnis: Unter Berücksichtigung des südostasiatischen Wirtschaftsraumes stellt Stephan Popp die bankbetriebliche Internationalisierung dar und skizziert das Banken- und Finanzsystem der VR China. Der Autor entwickelt ein integrativ-holistisches Analysemodell, mit dessen Hilfe ein umfassendes Instrumentarium zur Berücksichtigung der Makro-Umweltsituation und der Brancheninteraktionsebene bereitgestellt wird.
Aktualisiert: 2022-02-24
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Inhaltsübersicht
Interkulturelle Philosophie zur Begegnung der Kulturen. 9
1. Der indische
Islam. 11
2. Iqbals Leben. 13
3. Iqbal als
Dichter
. 19
4. Kernpunkte von Iqbals Phil
osophie. 21
a) Selbstverwirklichung. 22
b) Erkenntnistheorie. 36
c) ›Liebe‹ als aktive Kreativität und ihre Gegenspieler
. 39
d) Zeitphilosophie: serielle vs. stehende Zeit. 46
e) Erneuerung des Islam
. 49
f) Armutsideal und Ritterromantik. 54
g) Die konservative Praxis. 56
5. Iqbals 'drei Reic
he des Geistes'. 57
a) Das verkannte indische Erbe. 57
b) Der Islam. 65
c) Europa. 88
6. Ideen für eine interkulturelle
Betrachtung Iqbals. 108
a) Der buddhistische Holismus
und Iqbals Idee von der Akkumulation der Egos
. 108
b) Drei Wege zur Unsterblichkeit:
Iqbal,
g
r
U
Aurobindo und der Taoismus
. 113
c) Iqbals Sichtweise von Marx in heutiger Sicht. 121
d) Vitalismus: Iqbal, Nietzsche und Bergson
. 125
7. Würdigung u
nd Kritik. 132
a) Forschungsstand. 132
b) Wertung. 133
8. Iqbal, ein Vorbild für interkulturelle Philosophie. 139
Der Autor und das
Buch. 141
Aktualisiert: 2020-01-01
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Der zunehmende Margendruck in den traditionellen Geschäftssparten läßt Finanzdienstleistungsunternehmen verstärkt nach einer Ausweitung ihrer Geschäftsfelder Ausschau halten. Die Volksrepublik China bietet aufgrund ihrer natürlichen Voraussetzungen den weltweit zukunftsträchtigsten Wachstumsmarkt. Unter besonderer Berücksichtigung des südostasiatischen Wirtschaftsraumes stellt Stephan Popp zunächst die bankbetriebliche Internationalisierung dar und skizziert das Banken- und Finanzsystem der VR C hina. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Entwicklung eines integrativ-holistischen Instrumentarium zur Berücksichtigung der Makro-Umweltsituation und der Brancheninteraktionsebene bereitgestellt wird.
Verzeichnis: Unter Berücksichtigung des südostasiatischen Wirtschaftsraumes stellt Stephan Popp die bankbetriebliche Internationalisierung dar und skizziert das Banken- und Finanzsystem der VR China. Der Autor entwickelt ein integrativ-holistisches Analysemodell, mit dessen Hilfe ein umfassendes Instrumentarium zur Berücksichtigung der Makro-Umweltsituation und der Brancheninteraktionsebene bereitgestellt wird.
Aktualisiert: 2023-04-04
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Interkulturelle Philosophie zur Begegnung der
Kulturen
In einer Zeit, in der die Welt zusammenrückt und Texte weit
entfernter Völker in Minutenschnelle per Mausklick zu haben
sind, ist es nicht mehr möglich, die Philosophie mit
Thales von Milet beginnen zu lassen, über Platon, die Scholastik,
Kant und Descartes zu führen und mit Popper und
Sartre zu enden.1 Große Teile der Welt sind von europäischer
Philosophie unberührt geblieben und haben dafür ihre
eigenen Traditionen der Weltdeutung. Auch beginnt die
Dominanz Europas und Amerikas einer vielschichtigen
Welt zu weichen, in der Indien und China wohl bald eine
gleichberechtigte Rolle beanspruchen werden. Die Chance,
zu einer Welt gleichberechtigter Kulturen zu gelangen, erfordert
auch die Beschäftigung mit ihrem Denken. Hier
kann eine unvoreingenommene Philosophie, die weiß, daß
ihre Instrumente kulturbedingt sind, ein neues Verständnis
der Kulturen der Welt ermöglichen und nebenbei auch ihre
Werkzeuge erweitern.
Eine interkulturelle Philosophie kann vor allem einen echten
Dialog der Kulturen ermöglichen, der nicht eingleisig ist
und nicht eine Ansammlung von Zwiegesprächen, sondern
ein 'Polylog'2, in dem sich viele verschiedene Stimmen
miteinander austauschen. Dies ist keine völlig neue Aufgabe.
Schon Platon verwies des Öfteren auf die kulturellen
Leistungen der Ägypter. Besonders im kolonialen Indien
gab es Versuche, die Denkweise der Inder zu verstehen und
die Sechs Systeme ihrer Philosophie darzustellen; ähnliches
gilt für China im ausgehenden 19. Jahrhundert. Auch umgekehrt
versuchten Inder, das Denken der Europäer zu verstehen
und nachzuweisen, daß Indien keineswegs in geistiger
Stagnation verharrte, wie die Kolonialherren gern behaupteten,
sondern Europa viel zu bieten hätte. Die Vorlesungen
von Swami Vivekananda sind ein gutes Beispiel
dafür. Auf muslimischer Seite waren die 1920er und 30er
Jahre von einem Philosophen geprägt, der sowohl den Islam
als auch die Philosophie Europas gründlich studiert hatte
und beides zu einer eigenen Philosophie destillierte, die
nicht zu Unrecht als sowohl modern als auch islamisch gelten
kann. Dies ist Muhammad Iqbal, der auch als Dichter
auf Persisch und Urdu hervortrat und der zehn Jahre nach
seinem Tod – wohl wider Willen – zum Vordenker Pakistans
erhoben worden ist. Ohne eine gründliche Beschäftigung
mit islamischer, europäischer und auch indischer Philosophie,
und ohne den Versuch, nicht sofort alles in den
eigenen Kategorien zu sehen, wären Iqbals vitalistische
Philosophie und seine Vorschläge einer Reform des Islam
nicht möglich geworden. Gleichermaßen von Fichte und
Nietzsche wie von den islamischen Mystikern Ibn ‘Arabi
und Jalaluddin Rumi beeinflußt und belesen in persischer
und englischer Poesie, dazu ein Kenner von Goethe, profitierte
Iqbal von all diesen Ideen, die er verstand und zu
einer kreativen Synthese zusammenbrachte.
Aktualisiert: 2019-01-08
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