Ihre Lebensfreude ist eines ihrer Markenzeichen. Gleich drei der prominenten Autoren, die einen Text zum aktuellen Buch über die Kostümbildnerin Barbara Baum lieferten, erwähnen ihr Lachen, das bei Dreharbeiten zuverlässig ertönte: „Und wer sie in ihrem Kleiderwald nicht gleich sah, brauchte nur dem Lachen nachzugehen, das bei ihr so leicht herausperlte wie Champagner aus einer entkorkten Flasche“, schreibt etwa Hanna Schygulla in ihrem Beitrag. Und dann betonen die meisten Autoren auch schon gleich Barbara Baums beeindruckende Professionalität, ihre akribische Recherche, ihre unerbittliche Leidenschaft fürs Detail: So schildert Juliane Maria Lorenz, wie die Kostümbildnerin sich am ersten Drehtag von Rainer Werner Fassbinders FONTANE EFFI BRIEST (BRD 1972-74) beim allerersten Dreh vor die Kamera stellte und „freundlichst darauf hin[wies], dass noch nicht gedreht werden könne, weil am Halse von Frau Schygulla noch die originale Emaillebrosche [...] fehlte“. Fassbinder habe daraufhin kurz geschwankt, ob er wütend werden solle, schildert Lorenz, seine langjährige Lebensgefährtin und Cutterin vieler seiner Filme, doch dann „war diese Szene offensichtlich für ihn eine Offenbarung: Denn eigentlich hatte ihm seine Kostümbildnerin [...] vermittelt, was es heißt, seinen Beruf wirklich ernst zu nehmen“.
Beide Texte, aus denen diese Zitate stammen, entstanden eigens für das soeben vom Deutschen Filminstitut herausgegebene Buch Film/Stoffe – Kostüme: Barbara Baum. Es erscheint begleitend zur Ausstellung Fassbinder – JETZT im Martin-Gropius-Bau, Berlin, die das Deutsche Filmmuseum in Kooperation mit der Rainer Werner Fassbinder Foundation, Berlin, kuratiert hat. In einem der Ausstellungsräume wird das Augenmerk auf Fassbinders Arbeit mit Barbara Baum gelegt. Von FONTANE EFFI BRIEST über DIE EHE DER MARIA BRAUN (BRD 1978) oder LOLA (BRD 1981) bis hin zu DIE SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS (BRD 1981/82) und QUERELLE (BRD1982) stattete Barbara Baum acht seiner Film- und Fernsehproduktionen aus.
Baums „ausgesprochene Sensibilität für Stoffe“ hebt in ihrem einführenden Beitrag die Filmwissenschaftlerin Marisa Buovolo hervor. Sie habe mit ihren Kreationen, vor allem in den Fassbinder-Filmen, entscheidend dazu beigetragen, „die ,Wahrheit’ in den Figuren sichtbar zu machen“. Die Körperbilder „der unvergesslichen Frauengestalten“ Fassbinders – von Maria Braun über Willie Bunterberg (LILI MARLEEN BRD 1981) bis zu Lola und Veronika Voss – entstanden auch durch ihre Kostüme, stellt Buovolo fest. Wie sehr Fassbinder auf die Intuition und das Gespür Baums vertraute, „das Innenleben der Figuren (...) seinen Vorstellungen entsprechend in die Sprache der Kostüme zu übersetzen“, sehe man auch daran, dass er ihre Entwürfe nie vor den Dreharbeiten sehen wollte. Am Beispiel einiger Filme, von LILI MARLEEN, über DIE EHE DER MARIA BRAUN bis zu ROMY (D 2009, R: Torsten C. Fischer) arbeitet Buovolo heraus, wie Baum vorgeht, wie sie etwa Willie Bunterberg„zwischen Verführung und Verschleierung“ changieren lässt, wie sie Veronika Voss als eigentlich Körperlose in Szene setzt, welche Metamorphosen Maria Braun in zwei Jahrzehnten durchläuft und wie die von Jessica Schwarz gespielte Romy Schneider stets „zwischen Selbstbegrenzung und Entgrenzung“ schwankte.
Zahlreiche Weggefährten, von Michael Ballhaus über Iris Berben und Jessica Schwarz bis Volker Schlöndorff oder Detlev Buck, erinnern sich in kurzen Textbeiträgen an gemeinsame Filmprojekte und heben, wie etwa Regisseur Heinrich Breloer (BUDDENBROOKS, D 2008), hervor, dass Baums Kleider „nicht nur die Zeit sofort gegenwärtig machen, in der die Filme spielen, sondern zugleich etwas vom Innern der Menschen erzählen“. Oder sie bedanken sich wie Armin Mueller-Stahl, der schildert, wie er erst in dem Moment, als er in den Anzug seiner Figur in Fassbinders LOLA schlüpfte, erkannte, was das eigentlich für ein Mensch war: „Da wusste ich, wie ich von Bohm zu spielen hatte: [...] Sie ist und bleibt die Beste, mit der ich je gearbeitet habe!“
Die Bewunderung überrascht nicht, kennt man das Credo Barbara Baums, das sie im Interview mit Hans-Peter Reichmann und Ann-Christin Eikenbusch formuliert: „Wenn ein Kostüm zwar historisch korrekt, der Schauspieler damit aber unglücklich ist, ist es falsch und muss neu durchdacht werden. Das Kostüm muss immer die Rolle unterstüzten – umgekehrt geht es nicht.“
Das Buch wurde gefördert von der Adolf- und Luisa Haeuser-Stiftung.
Aktualisiert: 2020-01-06
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